InterviewJeunesse-Trainer Marcus Weiss: „Es gewinnt nicht immer die teuerste Mannschaft“

Interview / Jeunesse-Trainer Marcus Weiss: „Es gewinnt nicht immer die teuerste Mannschaft“
Marcus Weiss verspürte vor der Vertragsunterschrift auf der Escher „Grenz“ drei Dinge: Ehrlichkeit, Direktheit und Leidenschaft Foto: Luis Mangorrinha/Le Quotidien

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Die Escher Jeunesse nimmt eine Verjüngungskur vor: Der Umbruch steht bevor, mit einem Trainer, der sich nicht davor scheut, der Jugend das Vertrauen zu schenken. Im Interview erklärte der neue „Bianconeri“-Coach Marcus Weiss, worauf sich die Fans einstellen sollten. 

Tageblatt: Vor einem Monat haben Sie auf Facebook angekündigt, sich einen Trainerjob in der BGL Ligue vorstellen zu können. Wie kam der Kontakt mit der Jeunesse zustande? 

Marcus Weiss: Sportdirektor Petz Biergen hat mich angerufen. Jemand, der sich im Luxemburger Fußball auskennt, weiß, dass es etwas ganz Besonderes ist, die Jeunesse zu trainieren. Torwarttrainer Christoph Schesniak, mit dem ich u.a. bereits in Grevenmacher war, schwärmte vom Verein. Ich war schon öfters im Stadion, wenn wir mit Mertert/Wasserbillig nicht gleichzeitig im Einsatz waren. Man überlegt sich bei so einer Möglichkeit also nicht, „ob“, sondern „wie“ man das machen soll.  

Was erwartet Sie in Esch?

Noch ist das aufgrund der Corona-Krise schwer vorauszusehen. Niemand kann vorhersagen, inwiefern sich die Krise auf den Fußball auswirken wird. Verschiedene Teams geben im Moment bereits viel Geld aus, bei uns finden noch viele Gespräche mit den Spielern statt. Ein Umbruch ist geplant, der wohl ein, zwei Jahre andauern wird. 

Sie sind bekannt dafür, auf die Jugend zu setzen. Inwiefern trifft das kommende Saison auf die Jeunesse zu?

Es sind in den vergangenen Monaten bereits einige Jugendspieler zur ersten Mannschaft gestoßen. Gary Bernard, der vor wenigen Tagen vorgestellt wurde, passt in das Konzept. Er wohnt im Süden. Aldin (Dervisevic) passt ebenfalls rein, denn für einen Umbruch braucht man ebenfalls erfahrene Akteure, die unbedingt „performen“ müssen. In den nächsten Tagen sind Gespräche mit den Jugendtrainern geplant, um zu sehen, wie die Schnittstelle zwischen den verschiedenen Mannschaften funktionieren kann. Aber ich habe erst am Freitag unterschrieben, das braucht also alles noch etwas Zeit. Ich war froh, als ich hörte, dass Aldin in Gesprächen war, aber ansonsten geht es jetzt erst mal drum, sich einen Überblick zu verschaffen und danach gute Entscheidungen bei den Transfers zu treffen.

Es ist ebenfalls ein offenes Geheimnis, dass die finanziellen Mittel nicht mehr mit denen der vergangenen Jahre zu vergleichen sein werden. Wie will Jeunesse Esch wettbewerbsfähig bleiben?

Viele Vereine werden sparen müssen, nicht nur die Jeunesse, auch wenn man im Moment merkt, dass es Ausnahmen gibt. Unser Ziel wird es sein, eine Mannschaft auf den Platz zu schicken, die sich voll und ganz mit dem Klub identifiziert. Wir brauchen die gleiche Leidenschaft wie die Fans, die hinter uns stehen. Es gewinnt nicht immer die teuerste Mannschaft …

Was nimmt man sich als Trainer für die erste Saison in der BGL Ligue vor?

Ich hoffe, dass ich das Vertrauen zurückzahlen kann. Es werden noch viele Aufgaben auf mich zukommen, aber vor allem geht es darum, eine Mannschaft aus den Spielern zu machen. Für mich ist es wichtig, dass man im Laufe der Saison eine Entwicklung sieht. Bei jedem Umbruch gibt es Probleme. Egal, wo wir starten werden, ich will, dass ein positiver Trend erkennbar ist und die Mannschaft stärker wird. 

Warum haben Sie das Gefühl, dass man Ihnen die nötige Zeit für den Umbruch geben wird?

In den Gesprächen mit dem Vorstand ist mir bewusst geworden, dass dieses Ziel schon länger angedacht war. Die Jeunesse will die Zuschauer mit an Bord nehmen. Vom Profil her bin ich ein anderer Trainer als meine Vorgänger, weshalb es sich um eine bewusste Entscheidung gehandelt hat. Andererseits habe ich damals beim CS Grevenmacher selbst erlebt, wenn es schiefgeht und nicht alle am gleichen Strang ziehen. Bei einem Traditionsverein ist es immer schwer, denn die Erwartungen sind hoch. Aber wenn alle mit Überzeugung an die Sache herangehen, haben wir gute Chancen auf einen positiven Umbruch. 

Sie standen in der vergangenen Saison nicht mehr an der Seitenlinie beim Ehrenpromotionär Mertert/Wasserbillig. Was war dort Ihre Funktion?

Ich war Sportlicher Leiter. Es gab berufliche Veränderungen, weshalb ich etwas kürzer treten musste. Jetzt habe ich wieder mehr Zeit und das Angebot der Jeunesse kam zum richtigen Zeitpunkt. Mit dem Kapitän und dem Torwarttrainer stand ich bereits in Kontakt. Beide haben mich mit Informationen versorgt. Wir werden jetzt Tag für Tag schauen, wie es weitergeht. 

Passt die deutsche Mentalität zur Escher „Grenz“?

Bei meiner Runde durch das Stadion hatte ich gleich das Gefühl, dass die Jeunesse ehrlich, direkt und leidenschaftlich ist. Wenn man das mit meinen Erfahrungen aus Mertert/Wasserbillig vergleicht, also im Kleinen, ist das ähnlich. Es braucht viel Einsatz und Jungs, die ein Teil des Vereins, des Ganzen, sein wollen. 

Steckbrief

Marcus Weiss
Geboren am 15. Oktober 1986
Bisherige Stationen als Trainer: SV Konz U19 (D), Grevenmacher U19 (2014-2016), Grevenmacher (18.4.16 – 27.9.16), Mertert/Wasserbillig (2017-2019, danach Sportdirektor), Jeunesse Esch