KletternInterview mit dem Sportwissenschaftler Medernach über die Sicherheit des Sports

Klettern / Interview mit dem Sportwissenschaftler Medernach über die Sicherheit des Sports
In Luxemburg wird das Klettern immer populärer – die nötige Sicherheit muss aber stets gegeben sein Foto: Chrëscht Beneké/Tageblatt

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Seit einigen Jahren boomt der Klettersport – auch hierzulande. Sogar im Schulsport ist das Klettern mittlerweile fester Bestandteil der Ausbildung. Damit der Spaß an der Sportart nicht getrübt wird, lud die „École nationale de l’éducation physique et des sports“ (Eneps) am vergangenen Samstag zu ihrem Symposium „Safety First: Sicherheitsaspekte im Klettersport“ ein. Dort referierten der promovierte Sportwissenschaftler Jerry Medernach und sein Kollege Roland Kraska von der Deutschen Sporthochschule Köln zu sicherheitsrelevanten Aspekten vor allem beim Hallenklettern.

Tageblatt: Herr Medernach, ist Klettern eine Risikosportart?

Jerry Medernach: Natürlich birgt das Klettern im Vergleich zu anderen Sportarten gewisse Risiken. Es ist unschwer nachzuvollziehen, dass etwa ein ungesicherter Sturz aus 15 Metern schwerwiegende Folgen mit sich bringen kann. Dennoch wäre es grundlegend falsch, das Sportklettern, sowohl draußen am Fels als auch in der Halle, als Risikosportart einzustufen. Tatsächlich zeigen die Zahlen der letzten Dekade, dass wir hierzulande fast keine Unfälle zu verzeichnen haben – trotz der rasanten Zunahme der Zahl an Kletterern. Im Gegenteil: Zahlen aus dem Ausland zeigen sogar, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls im Sportklettern und Bouldern erheblich geringer ist als im Vergleich zu anderen Sportarten, sodass beide Kletterdisziplinen als relativ sicher einzustufen sind.

Wenn der Klettersport nicht gefährlich ist, warum dann dieses Symposium?

Zunächst einmal ist eine rein statistische Betrachtungsweise einfach unzutreffend, da selbst ein einziger gravierender Unfall zweifellos einer zu viel wäre. Dass wir hierzulande in summa von schwerwiegenden Unfällen bislang verschont wurden, lässt sich überwiegend auf bisherige präventive Sicherheitsmaßnahmen zurückführen. Diesbezüglich muss einem bewusst sein, dass die Mehrheit der Unfälle im Sportklettern und Bouldern auf den Faktor Mensch zurückzuführen sind, wie etwa einen Bedienungsfehler beim Sichern. Dies bedeutet, dass wir fast alle schwerwiegenden Unfälle durch entsprechendes Risikomanagement vermeiden können. Und deshalb sind entsprechende Aus- und Fortbildungen wie dieses Symposium von hohem Stellenwert, damit der Klettersport auch künftig als sichere Sportart einzustufen ist.

Welche Gefahren gibt es im Klettersport?

Grundsätzlich müssen wir zwischen den Gefahren an künstlichen Anlagen und dem Klettern draußen am Felsen differenzieren. Das Symposium thematisierte lediglich potenzielle Risiken im Indoorklettern, da hierzulande das Klettern, vor allem im Schulsport, aber auch im Anfängerbereich, bislang mehrheitlich in der Halle ausgeübt wird. Des Weiteren müssen wir auch zwischen dem Sportklettern und dem Bouldern unterscheiden. Grundsätzlich sind Unfälle im Sportklettern aufgrund der Höhe schwerwiegender, demgegenüber verzeichnen wir im Bouldern aufgrund der vielen Absprünge im Allgemeinen aber mehr leichte bis mittlere Verletzungen. Entsprechendes Risikomanagement beinhaltet für beide Disziplinen vier Faktoren: erstens eine adäquate Infrastruktur, also eine an die Zielgruppe angepasste Kletter- oder Boulderwand. Hier wird leider im Vorfeld häufig an der falschen Stelle versucht, Geld zu sparen. Zum Thema Infrastruktur gehört auch die regelmäßige Wartung der Kletterwand und des entsprechenden Materials. Punkt zwei im Risikomanagement betrifft den sicheren Routenbau, also dass Klettergriffe adäquat an der Kletterwand befestigt werden und durch die Konzeption von Aufgaben nicht nur Lernprozesse initiiert werden, sondern auch Gefahren bestmöglich ausgeschlossen werden können. Ein dritter Punkt betrifft das Sportklettern und beinhaltet den Partnercheck. Damit sind im Grunde genommen nur vier Punkte gemeint, die vor dem Klettern stets kontrolliert werden müssen. Hierzu zählen das Seil, das Sicherungsgerät, der Klettergurt und der Befestigungsknoten. Und abschließend ist auch die Methodik entscheidend, also wie ich das Klettern und Bouldern sowohl im Schul- als auch im Vereinssport unterrichte.

Welche Ausbildung empfehlen Sie und wo können Sportler diese absolvieren?

Grundsätzlich sollten Kursleiter eine Mindestgrundausbildung vorzeigen können. Solche Grundkurse werden etwa vom Verband in Zusammenarbeit mit der Eneps angeboten. Im Allgemeinen sind wir hierzulande aber relativ gut aufgestellt, da sowohl die Eneps als auch beispielsweise das „Institut de formation de l’éducation nationale“ (IFEN) seit einigen Jahren bereits entsprechende Aus- und Fortbildungen anbieten. Und wir konnten in den letzten Jahren auch zunehmend feststellen, dass bereits solche Grundausbildungen von einigen Tagen sehr gut greifen. Entscheidend ist auch ein entsprechender Austausch unter den verschiedenen Akteuren des Klettersports. Daher war es uns auch wichtig, dass das Skript zum Symposium für alle Interessenten zugänglich ist (www.klettern.lu).

Jerry Medernach (rechts) ist an der Deutschen Sporthochschule tätig
Jerry Medernach (rechts) ist an der Deutschen Sporthochschule tätig Foto: Jerry Medernach