Große Worte, keine Taten

Große Worte, keine Taten
(dpa)

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Im ersten Moment klang es vielversprechend, was Lance Armstrong zu Jahresbeginn einem Millionen-Publikum sagte: In einem TV-Interview versprach er nach einem Doping-Teilgeständnis Wiedergutmachung - passiert ist nichts.

Es ist ruhig geworden um Lance Armstrong. Der tief gefallene, ehemalige Radstar hat sich rargemacht. Keine provokanten Tweets, keine flapsigen Kommentare. Ein Foto eines merklich fülliger gewordenen Armstrong unlängst am South Beach von Miami war das Einzige, was seit Wochen von ihm in der Öffentlichkeit zu sehen war.

Doch die Stille trügt. Der Texaner rüstet sich für seinen nächsten Kampf. Und – typisch Armstrong – statt des Kompromisses wählt er erneut die Konfrontation. Diesmal hat er es nicht auf Dopingjäger wie den unnachgiebigen Jeff Novitzky oder den nimmermüden Travis Tygart von der nationalen Anti-Doping-Agentur USADA abgesehen, sondern auf Kläger, die sein Geld wollen.

Klagewelle

Bei seinem Doping-Geständnis im Januar bei Oprah Winfrey hatte der Radprofi sein jahrelanges Schweigen gebrochen. Der 41-Jährige hatte die Einnahme verbotener Mittel zugegeben und ohne Zögern eingeräumt, bei seinen sieben Tour-Siegen illegale Substanzen genommen zu haben. Die Anwälte hatten für taktische Ausgewogenheit seiner Worte gesorgt. Er sagte nicht alles, aber einiges.

Seine TV-Aussagen genügten der US-Regierung und zwei Versicherungsfirmen, Klage wegen Betruges einzureichen. Aber die Liste von Klägern ist länger und die Forderungen gefährden seine Existenz. Armstrongs finanzieller Schaden in laufenden und anstehenden Prozessen könnte sich laut „USA Today“ auf 135 Millionen Dollar summieren. Für die Schlachten mit der Justiz hat er die namhaftesten Anwälte in San Francisco, Los Angeles, Washington, Texas und London in Stellung gebracht.

Versprechungen

Der erneute Kampfeswille hat seine Popularität auf ein Rekordtief sinken lassen. Eine Umfrage des Unternehmens „The Q Scores Company“ ergab, dass 65 Prozent der Öffentlichkeit den Namen Armstrong negativ sehen. „Die Enthüllungen bei Oprah Winfrey haben ihm nicht geholfen“, sagt Henry Schafer, Vizepräsident der Firma für Datenerhebungen.

Armstrong hatte bei seiner TV-Beichte versprochen, für den Rest seines Lebens alles zu versuchen, Vertrauen zurückzugewinnen, Abbitte zu leisten – kurzum, ein besserer Mensch zu werden. Dabei hatte er Oprah Winfrey vor einem Millionen-Publikum tief in die Augen geschaut. „Seine Worte klangen damals aufrichtig, aber als es darum ging, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen, hat er komplett versagt“, betonte Michael Gordon, Chef einer New Yorker Werbefirma.

„I’m sorry“

Mit seinem Doping-Geständnis wollte er die Altlasten abwerfen, einen Schlussstrich ziehen. Aber die Rechnung ging nicht auf. Durch seine scheinheiligen Erklärungsversuche, die fadenscheinigen Begründungen und vor allem die verweigerte Zusammenarbeit mit Anti-Doping-Gremien haftet ihm mehr als vier Monate später immer noch der Makel der Unglaubwürdigkeit an.

Der erste Weg nach der TV-Beichte hatte ihn zu seiner 1997 gegründeten Krebsstiftung geführt, wo sich Armstrong unter Tränen bei vielen entschuldigte, die jahrelang seinen Lügen geglaubt hatten. Ehemalige Team-Mitglieder und deren Familien, die er mehr als ein Jahrzehnt lang denunziert, gedemütigt und bedroht hatte, warten dagegen bis heute auf ein ernst gemeintes „I’m sorry.“ So zum Beispiel Betsy Andreu, Ehefrau seines Ex-Kollegen Frankie Andreu und einst gute Freundin.

„Alarmglocken“

Bei ihr hatte sich Armstrong am Tag vor dem TV-Interview telefonisch gemeldet, ein vereinbartes Treffen im April jedoch kurz vorher abgesagt. „Sie hatte gebettelt, dass er sie für fünf Minuten treffen möge – das klang komisch und da gingen sofort alle Alarmglocken an“, sagte ein Armstrong-Vertrauter. Andreu widerspricht dieser Version: „Ich wollte ihm lediglich in die Augen sehen und er sollte mir in die Augen schauen. Ein Zeichen von Menschlichkeit. Ich denke, dass war er mir einfach schuldig.“