KolumneGroßherzog Jean: Eine letzte Hommage 

Kolumne / Großherzog Jean: Eine letzte Hommage 
Großherzog Jean (5.1.1921 - 23.4.2019) bei den Olympischen Spielen von Lillehammer 1994 Foto: Archiv sportspress.lu

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20 Jahre ist’s her. Im Dezember 1999 überreichte Ihr Kolumnist als Präsident der damaligen ALPS („Association luxembourgeoise de la presse sportive“) im alten Festsaal des Mondorfer Casino 2000 Großherzog Jean einen Obelisk („Edition limitée“), der aus Anlass des Millenniums vom französischen Künstler Serge Mansou geschaffen wurde. Eingraviert in das Werk ist der Satz „ALPS à S.A.R. le Grand-Duc Jean – Ambassadeur du sport“.

Die ALPS wurde im Oktober 2007 in sportspress.lu umbenannt. Am Donnerstag kommt es (erneut in Mondorf) im Rahmen der Wahl der „Sportler des Jahres“ zu einer weiteren Hommage an das frühere Staatsoberhaupt, das Luxemburg auf der internationalen Sportbühne herausragend vertreten hat.

Als Großherzog Jean am 6. Februar 1998 in Nagano im Internationalen Olympischen Komitee durch seinen Sohn Henri ersetzt wurde, durfte er auf eine lange Zeit im Dienste der olympischen Bewegung zurückblicken. Der damalige „Doyen” des IOC hatte bis zu diesem Zeitpunkt Höhen und Tiefen der olympischen Bewegung durchlebt.

Nach Maurice Pescatore, dem Gründer des „Comité olympique luxembourgeois”, der unser Land von 1910 bis 1926 im höchsten Sportgremium der Welt vertrat, war der damalige Erbgroßherzog erst der zweite Luxemburger, der ins IOC gewählt wurde. Das war am 4. September 1946, als der Krieg noch keine zwei Jahre beendet war und der Sport für ein besseres Verständnis unter den Völkern sorgen sollte.

Vom Krieg geprägt

Der Großherzog selbst bezeichnete die Kriegswirren als eine der Hauptursachen für seinen Einzug ins IOC. Wörtlich sagte er am 31. Oktober 1996, als er von den einheimischen und den internationalen  Sportverantwortlichen im Stadttheater von Luxemburg für seine 50-jährige Zugehörigkeit im IOC geehrt und gefeiert wurde: „Je suis entré au CIO essentiellement pour deux raisons. Profondément marqué par le conflit qui avait ensanglanté le monde de 1939 à 1945, j’avais la conviction qu’il fallait agir pour éviter le retour de tels événements. Le sport, et le mouvement olympique en particulier, m’apparaissait comme pouvant suffisamment contribuer à bâtir un monde pacifique et meilleur. Par ailleurs, je considérais, et continue de considérer, que le sport, notamment dans sa plus haute expression, l’Olympisme, grandit l’homme, car il est porteur de valeurs éducatives et morales fondamentales. Durant mes 50 années d’appartenance à
l’autorité suprême du mouvement olympique, j’ai été un témoin privilégié de son évolution”.

1946, als der Großherzog erstmals im IOC tagte, zählte dieses Gremium 17 Mitglieder. 50 Jahre später waren es 113, heute gar 140 (96 stimmberechtigte reguläre Mitglieder, 41 Ehrenmitglieder, 2 Mitglieder ehrenhalber und 1 Ehrenpräsident). Allein diese Zahlen liefern den Beweis, in welchem Maße die olympische Bewegung gewachsen ist. Gesprochen wurde damals nur Französisch und Englisch, wobei eines der Mitglieder bei Bedarf die Rolle des Übersetzers übernahm. Erst der Baden-Badener Kongress von 1981 war der Beginn der Erneuerung. Von diesem Zeitpunkt an machte sich das IOC zum unumstrittenen Wortführer im Weltsport.

Barthels Gold als Höhepunkt

In den Jahren der IOC-Mitgliedschaft des Großherzogs änderte sich der Sport gewaltig. Wie hätte es auch anders sein können in einer Gesellschaft, die ständig im Umbruch ist und nach Höherem strebt. Als dienstältestem Mitglied des IOC oblag es dem Großherzog, bei Kongressen und Tagungen das Schlusswort zu sprechen. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln, sondern schnitt auch Themen an, die den Luxemburger Sport im Rahmen der olympischen Bewegung betrafen. In Birmingham, 1991, sagte er beispielsweise Folgendes: „De nombreux CNO éprouvent de réelles inquiétudes face à la mise en place d’une limitation de plus en plus rigoureuse de la participation individuelle aux Jeux olympiques et face au  éveloppement du système des quotas et des épreuves de qualification. Les Jeux olympiques, qu’il ne faut pas confondre avec des Championnats du monde, doivent être ouverts aux athlètes de tous les pays en voie de développement et de plus petite dimension.”

Besonders am Herzen lag dem Großherzog natürlich die luxemburgische Beteiligung an den Olympischen Spielen, wobei der Höhepunkt zweifellos 1952 in Helsinki war, als er dem Sieger des 1.500-Meter-Laufes, Josy Barthel, die Goldmedaille um den Hals hängen durfte. In den folgenden Jahren hat er mit den Luxemburger Sportlern gehofft und gebangt, hat Freuden und Enttäuschungen mit ihnen geteilt, war sozusagen bei allen
Wettkämpfen präsent und hat es nie an Unterstützung fehlen lassen. Seine Besuche im Olympischen Dorf und die Stunden, die er und Großherzogin Joséphine-Charlotte mit den luxemburgischen Sportlern verbrachten, gehörten zu einer Tradition, die später vom großherzoglichen Paar Henri und Maria Teresa fortgesetzt wurde.
Von den vielen Olympischen Sommer- und Winterspielen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stattfanden, verpasste Großherzog Jean nur drei: die Spiele von 2000 in Sydney, die in seine Abdankung fallen sollten, die Spiele von 1964 in Tokio, die etwa zeitgleich mit seiner Thronbesteigung stattfanden, sowie die in vielen Ländern umstrittenen und von diversen Staaten boykottierten Spiele von Moskau 1980.

Nicht auf einer Wellenlänge

Damals sprach die Regierung sich offen gegen eine Teilnahme Luxemburgs aus. Das „Comité olympique et sportif luxembourgeois” aber ließ sich nicht reinreden und schickte den Bogenschützen André („Spatz”) Braun, den Geher Lucien Faber und den Kleinkaliberschützen Roland Jacoby nach Moskau. Diese Spiele spalteten auch die Luxemburger Presse, denn nur Tageblatt, Le Républicain Lorrain* und Zeitung vum
Lëtzebuerger Vollék
berichteten live aus Moskau. Luxemburger Wort und „Radio Lëtzebuerg“ passten, sie waren der Regierung hörig.

Nach den Olympischen Winterspielen von Grenoble (1968) sollte Großherzog Jean die Präsidentschaft der Untersuchungskommission der Winterspiele des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) übernehmen. Seit seiner Jugend war der spätere Landesvater ein ausgezeichneter Skifahrer. Daran änderte auch das Missgeschick nichts, das er 1952 in Lech (Arlberg) erlitt, als er sich ein Bein brach. Mit zunehmendem Alter
wechselte der Großherzog die Wintersportdisziplin. Er sagte dem alpinen Ski ade und begeisterte sich zusehends für den Langlauf. Diese Sportart wurde bis ins hohe Alter auch von Großherzogin Joséphine-Charlotte praktiziert.

Doch zurück zur Wintersportkommission des IOC, auf deren Präsidentschaft Großherzog Jean verzichtete. Für das Amt des Vorsitzenden setzte er sich vielmehr für den Holländer Herman van Karnebeek ein, der dann auch gewählt wurde. Auf Vorschlag des Großherzogs versammelte sich die Kommission auf Schloss Colmar-Berg, wobei der damalige „Aide de camp”, Major Germain Frantz, die Sekretärsfunktion ausübte.
Später (1973-1976) übernahm Großherzog Jean doch noch den Vorsitz einer IOC-Kommission, und zwar derjenigen, die sich mit den Regeln befasste.

1993, anlässlich des 100. Gründungsjahres des IOC, dankte das COSL dem Staatsoberhaupt für sein langjähriges Engagement zugunsten des olympischen Geistes. Großherzog Jean wurde mit der Trophäe ausgezeichnet, die in allen dem IOC angeschlossenen Ländern eine Persönlichkeit belohnte, die sich mit Nachdruck für den olympischen Gedanken einsetzte.

Prinzenpokale

Die großherzogliche Familie hatte seit jeher viel mit dem Sport zu tun. So war der Vater von Großherzog Jean, Prinz Felix, Ehrenpräsident des Nationalen Olympischen Komitees, das damals noch COL hieß. Der Prinz von Luxemburg (so sein offizieller Titel) stiftete der FLF die „Coupe de Luxembourg” für  Seniorenmannschaften, während die Fußball-Junioren bis in die 60er Jahre hinein zu Ehren des damaligen Thronfolgers die „Coupe Prince Jean” austrugen.

Erst als Großherzog Jean die Nachfolge seiner Mutter Charlotte angetreten hatte, wurde die „Coupe Prince Jean” von den FLF-Gremien in „Coupe du Prince” umbenannt. Eine „Coupe du Prince” lässt auch der Leichtathletikverband austragen. Dieser Pokal wurde genau wie die „Coupe du Grand-Duc“ vom Herrscherhaus gestiftet.

Schließlich war der Großherzog in seiner Eigenschaft als Luxemburger Vertreter im IOC von Amts wegen Mitglied des COSL-Verwaltungsrats. Gelegentlich wohnte er Sitzungen bei, hielt sich ständig informiert und war meistens auch anwesend, wenn die Olympia-Selektion vorgestellt wurde. Ein Rendezvous wollte das großherzogliche Paar auf keinen Fall verpassen: das traditionelle Stelldichein der alten Olympioniken, zu dem regelmäßig geladen wurde.

Am 6. Februar 1998 trat der damalige Erbgroßherzog Henri im IOC in die Fußstapfen seines Vaters, den er am 7. Oktober 2000 auf dem Thron ablöste. Seit diesem Tag vertritt das Landesoberhaupt die Interessen Luxemburgs auf der internationalen Sportbühne mit dem gleichen Engagement wie sein Vater. Regelmäßigen Kontakt bei den Olympischen Spielen oder den Europäischen Spielen der Kleinen Staaten pflegt auch das
erbgroßherzogliche Paar. So wird Erbgroßherzog Guillaume am Donnerstag bei der „Awards Night“ von sportspress.lu die Trophäe für seinen am 23. April 2019 verstorbenen Großvater in Empfang nehmen.