RadsportGeoghegan Hart, Pogacar, Van Aert: Zehn für das nächste Jahrzehnt

Radsport / Geoghegan Hart, Pogacar, Van Aert: Zehn für das nächste Jahrzehnt
Die beiden Slowenen Primoz Roglic (links) und Tadej Pogacar (rechts) waren die beiden Hauptdarsteller der diesjährigen Tour de France Archivbild: David Stockman/dpa

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Unerwartete Rundfahrt-Sieger, ein belgisch-niederländisches Duell bei den Klassikern: Das Corona-Jahr brachte im Radsport eine Wachablösung. Dies sind die zehn Fahrer, welche die nächste Dekade prägen dürften.

Tao Geoghegan Hart (25/GB):
Der große Sir Bradley Wiggins nennt den frisch gebackenen Giro-Sieger einen „Geezer“, einen echten Typen also. Und das ist der kantige Brite mit dem zu zwei Dritteln irisch-gälischen Namen wirklich: Ein pfiffiger, netter Kerl, bodenständig und abenteuerlustig – als Teenager durchschwamm Geoghegan (sprich: Gey-Gen) Hart mit einer Staffel den Ärmelkanal. Auch wenn der Giro-Triumph völlig aus heiterem Himmel kam: Nach Wiggins, Froome und Thomas dürfte das Sky/Ineos-Team wieder ein britisches Aushängeschild gefunden haben.
Tadej Pogacar (22/SLO):
Über das Phänomen Pogacar ist sehr viel geschrieben worden, erklären konnte dieses aber noch niemand so richtig. Mit noch 21 Jahren wurde der Slowene zum jüngsten Tour-de-France-Sieger seit 1904, fuhr beim Bergzeitfahren seinen favorisierten Landsmann Primoz Roglic mit Wattwerten vom anderen Stern förmlich aus den Schuhen. „Pogi“ kann das Maß aller Dinge bei den großen Rundfahrten werden, Druck und Erwartungen können vor allem in seinem Heimatland aber auch zermürben – Sloweniens Skisprung-Held Primoz Peterka und sein langer Kampf mit Depressionen sind ein warnendes Beispiel.
Egan Bernal (23/COL):
Ein warnendes Beispiel für Pogacar könnte auch Bernal sein. Dieser war kaum älter, als er 2019 die Tour gewann, ihm wurde ebenfalls die Alleinherrschaft für das kommende Jahrzehnt angetragen – doch der kolumbianische Volksheld erlebte ein Jahr zum Vergessen. Sollte Bernal 2021 in alter Form wiederkommen, dürfte das Duell mit Pogacar ein Straßenfeger werden.
Marc Hirschi (22/CH):
„Wir erleben hier live, wie eine Legende entsteht. Einer wie Bernard Hinault, der über Jahre die Tour prägen kann“, sagte Jens Voigt am Eurosport-Mikrofon, als Hirschi bei der Tour de France zum Sieg in Sarran flog. Vor der Tour hatte das Sunweb-Juwel noch kein einziges Profi-Rennen gewonnen, beim wichtigsten Rennen der Welt holte Hirschi die Etappenplätze 1, 2 und 3, jeweils nach Attacken, nach der Tour gewann er die Flèche Wallonne, wurde Zweiter bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, WM-Dritter. Hirschis Power im Angriff ist in höchstem Maße erstaunlich.
Wout Van Aert (26/B)
Schon jetzt ist der dreimalige Cross-Weltmeister für viele Experten der momentan beste Radfahrer der Welt. Van Aerts Vielseitigkeit ist atemberaubend: Niemand sonst kann mit 78 kg auf 1,87 m Körpergröße am Berg so arbeiten wie er, im Sprint hält er mit den Allerbesten mit, in den schwereren Klassikern kann den Sieger von Mailand-Sanremo und Strade Bianche kaum jemand stoppen – der Jumbo-Visma-Profi, der sich erst spät auf Straßenrennen konzentrierte, ist eine Maschine. Eine sehr ehrgeizige: Dass er bei drei Herbst-Highlights – Zeitfahren und Straßenrennen der WM sowie Flandern-Rundfahrt – jeweils Zweiter wurde, wurmte ihn ungemein.
Mathieu Van der Poel (25/NL)
Van der Poel ist quasi die niederländische Van-Aert-Ausgabe: ein brutal starker Cross-Fahrer (dreimaliger und amtierender Weltmeister), der nun in ähnlicher Mannigfaltigkeit wie der Belgier die Straßenwelt aufmischt. Weil Van der Poel derzeit für Zweitdivisionär Alpecin Fenix fährt, ist ihm aktuell der Zugang zu den Grands Tours versperrt – stattdessen tobte sich Van der Poel bei den Eintagesrennen aus: Zuletzt gewann er – wie sein Vater Adrie 34 Jahre zuvor – die Flandern-Rundfahrt, in einem epischen Zweikampf mit Van Aert. Dieses Duell wird in den kommenden Jahren zu einem großartigen Dauerbrenner werden.
Lennard Kämna (24/D):
Trotz seiner jungen Jahre hat Kämna schon reichlich Erfahrung, fuhr bei der Tour im vierten Profijahr seine dritte große Rundfahrt – und wurde zum einzigen deutschen Etappensieger, mit einem grandiosen Alleingang nach Villard-de-Lans. Nicht nur wegen seiner mit 65 kg bei 1,81 m idealen Statur: Kämna ist die große deutsche Berg- und Rundfahrt-Hoffnung der kommenden Jahre.
Remco Evenepoel (20/B):
Den Belgiern gilt der blutjunge Alleskönner als der neue Eddy Merckx. Mit 20 hat Evenepoel bereits 14 Profisiege auf dem Konto, mit 19 gewann er die ruhmreiche Clasica Ciclista San Sebastian. Wenn alles gut geht, wird Quick-Step-Profi Evenepoel eine Riesenkarriere erleben, doch zuletzt ging nicht alles gut: Nach einem fürchterlichen Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt muss der Kannibale in spe erst mal einen Beckenbruch auskurieren.
João Almeida (22/POR):
Irgendwo muss Patrick Lefevere eine Werkstatt haben, wo sich der exzentrische Quick-Step-Boss diese ganzen Talente zusammenschraubt. Sein Wunderkind Evenepoel fiel den Herbst über aus, also warf der belgische Rennstall beim Giro den jungen Portugiesen Almeida in seine erste große Rundfahrt. Ergebnis: 15 Etappen im Rosa Trikot, Gesamtplatz vier am Ende. Es bleibt dabei: Lefevere kauft keine Stars, er macht sie.
Alexander Wlasow (24/RUS):
Als legitimer Nachfolger von Alexander Winokurow zu gelten, muss nicht unbedingt etwas Gutes bedeuten. Der junge Russe, dem das Potenzial seines umstrittenen kasachischen Teamchefs nachgesagt wird, gehört zumindest zu den großen Entdeckungen seit dem Corona-Restart, gewann den Giro dell’Emilia und die Mont Ventoux Challenge. Der Mann mit dem offensichtlichen Riesenpotenzial brennt vor Ehrgeiz: Den Giro musste er mit Magenproblemen aufgeben, noch während die Italien-Rundfahrt andauerte, stand Wlasow bei der Vuelta an der Startlinie. (SID)