Mittwoch12. November 2025

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„Gegner: Teamkollege“

„Gegner: Teamkollege“

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Die diesjährige International Motorshow auf dem Kirchberg vor knapp anderthalb Wochen hatte hohen Besuch in Sachen Rallyesport.

Jeannot Guth, der Präsident des offiziellen Walter-Röhrl-Fan-Clubs – Jang Koutenko, der bekannte Luxemburger Motorsportkünstler – und die Veranstalter von Pole Position hatten es fertig gebracht, das zweifache Rallye-Weltmeisterteam Walter Röhrl/Christian Geistdörfer nach Luxemburg zu bringen.

Walter Röhrl Steckbrief

o Geboren am 7. März 1947 in Regensburg (D)

o Rallye-Erfolge:
1974: Europameister (Opel Ascona), 1975: 1. WM-Lauf-Sieg in Griechenland (Opel Ascona), 1980: 1. Sieg bei der Rallye Monte Carlo und 1. WM-Titel im Fiat 131, 1982: 2. WM-Titel (Opel Ascona/wieder mit Beifahrer Christian Geistdörfer)
1983: Platz 2 in der WM-Gesamtwertung
14 WM-Lauf-Siege, darunter viermal die Monte mit vier unterschiedlichen Autos ((Fiat ’80, Opel ’82, Lancia ’83 und Audi ’84)
Letzte Rallye-Saison: 1987

o 1988 – 1992: Testfahrer bei Audi. 1990/91 fuhr er 10 DTM-Rennen (1 Sieg). Ab 1988 fuhr Röhrl Rundstreckenrennen für Audi und Porsche.

o Auszeichnungen: 2000 in Frankreich als Rallyefahrer des Millenniums geehrt. In Italien unter 100 Motorsportexperten zum besten Rallyefahrer aller Zeiten gewählt.

o Aktuell: Repräsentant und Testfahrer für Porsche

o Internet:
www.roehrl-walter.de

Christian Geistdörfer Steckbrief

o Geboren am 1. Februar 1953 in München (D)

o 1975 bis 1990 im Rallyesport mit unterschiedlichen Fahrern als Co-Pilot tätig.
Zweimaliger Weltmeister mit Walter Röhrl (1980 und ’82)

o Nach der Motorsport-Karriere arbeitet Geistdörfer bei IMG (International Management Group). 1989 hatte er bereits die Prodrive Marketing GmbH gegründet.
Seit 2006 entwickelt er neue Rennstrecken und engagiert sich in begleitenden Infrastrukturinvestitionen.

o Internet:
www.christiangeistdoerfer.de

Obschon Röhrl/Geistdörfer jetzt schon seit gut 20 Jahren nicht mehr im Rallyesport aktiv sind, gelten sie dennoch immer für viele als die Rallye-Idole schlechthin. Wenn im französischen Raum Loeb/Elena die Rallye-Stars sind, so haben im deutschsprachigen Raum das Gespann Röhrl/Geistdörfer dieses Prädikat immer noch.

Die sympathischen Anfang Sechziger standen ihren zahlreichen Fans auf dem Kirchberg stundenlang für Autogramme und dem Tageblatt für ein Exklusiv-Interview zur Verfügung. Vor allem den Herren Guth und Koutenko war der wunderbare Stand in der Eingangshalle zu verdanken. Sie hatten fünf Röhrl-Autos nach Luxemburg gebracht: von den Opel über den Audi bis zu den Porsche 911, mit denen Röhrl heute noch an klassischen Rallyes teilnimmt. Jang Koutenko hatte die Wände mit original Röhrl/Geistdörfer-Bildern bestückt.

Tageblatt: Christian, Walter, was machen Sie beide heute noch im Bereich Motorsport?

Walter Röhrl schaut zu Christian Geistdörfer rüber und meint: „Der Christian macht heute viel mehr als ich im Bereich Motorsport. Ich verfolge natürlich die Autorennen im Fernseher und in der Presse. Selber bin ich dieses Jahr zum Beispiel lediglich zwei historische Rennveranstaltungen gefahren. Es bereitet mir jedes Mal enormen Spaß, wieder mit einem der alten Autos zu fahren.“

Christian Geistdörfer: „Was Walter sagt, stimmt nicht so ganz. Ich habe den Motorsport, den ich immer noch sehr liebe und der lange mein Beruf war, ins Sportmarketing hinein weiterentwickelt. Heute mache ich Konzepte für Motorsportveranstaltungen. Ich war sieben Jahre lang für eine bayrische Biermarke tätig. Dann habe ich auch bei Jordan, die dann Midland, Spyker und später Force India wurden, meine Formel-1-Aktivitäten intensiviert. Ich habe aber auch noch immer großen Spaß daran, bei Oldtimer-Rallyes als Beifahrer mit dabei zu sein. Ich sitze aber auch manchmal selbst am Steuer. Diese Rallyes fahre ich rein aus Spaß, ohne jegliche Siegesambitionen.“

„T“: Walter, worin besteht Ihre Aktivität als aktueller Porsche-Werksfahrer?

W.R.: „Die Hauptaktivität besteht darin, den Kontakt zu den Journalisten zu haben, vor allem bei den Präsentationen neuer Autos. Bei dieser Gelegenheit stelle ich die Autos vor und zeige der Presse, was ein moderner Sportwagen alles kann. Inzwischen sind die Straßen-Porsche so schnell geworden, dass ein Journalist das Potenzial eines solchen Autos nicht mehr selbst ausloten kann. Dann bin ich auch noch bei der Entwicklung tätig. Ich übernehme sporadisch Kontrollfunktionen, wo ich sage, was mir am Auto gefällt und was eher nicht.“

Fanklub

„T“: Die Präsenz bei der International Motor Show (die vom 10. bis 12. Dezember stattfand) haben wir wohl Ihrem Fanklub zu verdanken?

W.R.: „Ja, das stimmt. Wir sind auf Einladung von Jeannot Guth und seinen Freunden vom Fan-Club in Luxemburg, und ich muss sagen, dass sie tolle Arbeit geleistet haben. Wir sind beide sehr stolz auf das Engagement der Mitglieder dieses neuen und einzigen offiziellen Fan-Clubs. Wir sind aber auch von der Veranstaltung angenehm überrascht. Pole Position hat eine wunderbare Automobilausstellung auf die Beine gestellt. Und auch Jang Koutenko hat mit all diesen wunderbaren Original-Bildern den Stand künstlerisch sehr attraktiv gestaltet. Clubpräsident Jeannot Guth war bei all meinen Auftritten vor Ort, bei der Eifel Classic, in San Marino. Er war sogar bei uns zu Hause. Er hat mir immer wieder von seinen Plänen einen Röhrl-Fan-Club zu gründen, erzählt. Dies hat mich eher verlegen gemacht. Als Jeannot wirklich nicht lockerließ und uns bat, doch bei der heutigen Veranstaltung dabei zu sein, konnten wir natürlich nicht ablehnen (beide grinsen verschmitzt, d. Red.). Wir sind verwundert, wie gut uns die Leute hier noch kennen, denn unsere aktive Rallyezeit ist ja schon eine lange Ewigkeit vorbei.“

„T“: Walter, Christian, wie viel Zeit verbringen sie heute noch als „altes Paar“?

Beide schauen sich gegenseitig an und behaupten: „Viel, das wäre übertrieben, aber immer wieder mehr! Christian war mit seinen Formel-1-Aktivitäten viel unterwegs, doch in den letzten zwei Jahren hat es sich doch etliche Male ergeben, dass wir bei historischen Veranstaltungen wieder zusammen gefahren sind. Es ist für uns selbst schöner, wenn man historische Events auch zusammen mit seinem ‚alten Partner‘ bestreiten kann. Aber auch die Veranstalter sind begeistert, wenn wir als altes Team gemeinsam in einem Auto sitzen.“

Die „Monte“

„T“: Sie haben zwischen 1980 und 1983 viermal die Rallye Monte Carlo gewonnen, in einem Fiat 131 Abarth, in einem Opel Ascona 400, in einem Lancia 037 und schließlich im berühmten Audi Quattro. Welches war der schönste, und welches der schwierigste Sieg?

W.R.: „Man sagt ja allgemein, dass das erste Mal das schönste ist: das trifft in einer gewissen Hinsicht auch auf unsere Monte-Carlo-Siege zu. Mit unserem ersten Sieg 1980 auf dem weiß-blauen Fiat Abarth 131 Mirafiori hatte ich mein damaliges Lebensziel erreicht. Vom Wert der Leistung her gesehen, war der letzte der vier Siege – 1984 im Audi Quattro – der beste. Es war mein erstes Rennen in einem vierradgetriebenen Auto mit Turbomotor. Vor allem galt es, meinen Teamkollegen Stig Blomquist zu schlagen. Da er bereits seit drei Jahren bei Audi war, verfügte er über eine große Quattro-Erfahrung. Dazu galt er allgemein als der Schnellste, sowohl in einem Allrad wie im Schnee. Die 84er Monte – mit sehr viel Schnee – war sehr schwierig, aber es war ein tolles Gefühl beim ersten Rennen auf dem Quattro zu gewinnen.
C.G.: „Mir bleibt nichts hinzuzufügen, ich kann das, was Walter soeben gesagt hat, nur genauso bestätigen!“

Der stärkste Gegner

„T“: Sie haben Stig Blomquist erwähnt. Wer war in Ihrer Blütezeit – von Ende der Siebziger bis Mitte der Achtziger – Ihr stärkster Gegner?

W.R. (runzelt die Stirn): „Das ist schwierig zu beantworten und auch verschieden. Man kann da nicht nur einen Namen nennen. Als wir bei Fiat waren (1978 bis 1980, d. Red.) waren die Ford Escort unsere direkten Gegner. Danach kam Audi mit dem Quattro, die ab 1981 eine neue Rallye Epoche einläuteten. Von da an war es für uns sehr schwierig, mit einem zweiradgetriebenen Auto gegen die Quattros mitzuhalten und zu gewinnen. Das hat uns umso mehr motiviert (fünf Siege im Ascona 400 1982 und im Lancia 037 1983, d. Red.). Als wir 1984 dann zu Audi stießen, war die wirklich große Zeit der Quattros ja schon fast wieder vorbei, denn da kamen Peugeot (mit dem 205 GTI) und Lancia (mit dem Delta S4) mit ihren neuen vierradgetriebenen Mittelmotorautos. Von den Fahrern her gesehen, nenne ich zuerst Wardegard, Mikkola und Blomquist. Ich habe meinen finnischen Fiat Teamkollegen Marku Alen immer als sehr gut empfunden. Danach kamen die anderen Finnen: Toivonen, Salonen, Kankunnen usw. Stig Blomquist war derjenige, der mich motiviert hat zu Audi zu gehen, um ihn mit gleichem Material zu schlagen. Denn eins ist klar: Es gibt nur einen Gegner und das ist der Teamkollege. Es gab damals eine ganz große Anzahl an Gegnern, nicht wie heute, wo sich mit einem halben Dutzend der Kreis bereits schließt.“

„T“: Was können Sie uns zu den Gruppe-B-Rallye-Monster der Jahre 1985/86 sagen?

W.R.: „Aus der Sicht der Fahrer war das natürlich etwas ganz Besonderes. Die Autos waren so bärenstark und schnell, dass man schon den Kopf bei der Sache haben musste. Mit diesen Autos war es ein großer Vorteil, wenn man ein gutes fotografisches Gedächtnis hatte. Ich konnte mich immer gut erinnern, wie die Strecke ausschaut und der Christian hat mir dann die Richtung immer nur quasi bestätigen müssen. Wenn man sich gar nicht an die Streckenführung erinnerte und man sich nur auf die Information des Beifahrers verlassen musste, glaube ich nicht, dass man in der Lage war, wirklich richtig schnell zu fahren mit einem solchen 550-PS-Monster. Bei mir ist der Film immer vor den Augen abgelaufen und Christian hat mir dann, wie bereits gesagt, die richtige Richtung jeweils bestätigt. Ich persönlich habe die Gruppe-B-Autos nie wirklich für besonders gefährlich gehalten. Ich muss zugeben, der Quattro war natürlich auch etwas unempfindlicher was Feuer betraf, da der glühendheiße Turbolader mit dem Motor vorn im Auto lag und die Tanks hinten (was natürlich bei den Mittelmotor-Lancias, Peugeots und Ford nicht der Fall war, d. Red.). Somit kam es dann auch zu den schrecklichen Feuerunfällen von Toivonen(†)/Cresto (†), Marc Surer und dessen Beifahrer Armin Krämer (†).“

Mini-Rallye

„T“: Darf ich Sie bitten, einen Vergleich der Rallye-Szene von heute und zu Ihrer Zeit zu ziehen?

W.R.: „Die Rallyes heute sind sicher nicht einfach, doch es ist nicht mehr der Rallyesport, den wir kannten. Es sind Mini-Rallyes und die Autos sind natürlich einfacher zu fahren und deshalb sind auch mehr Leute in der Lage, ganz schnell zu sein. Bei uns war es so, dass sich der wirklich Gute von den etwas weniger Guten viel leichter absetzen konnte. Damals bist du aufs Gas gegangen und wenn die Kraft der Turbos dann etwas zu früh gekommen ist, und du musstest wieder lupfen, dann waren sehr schnell zwei, drei Sekunden verloren, bis die Kraft erneut da war (das sogenannte Turboloch der Turbo-Anfangszeiten, d. Red.). Heute ist jede Berührung des Gaspedals eine sofortige Kraftexplosion!
C.G.: „Heute gibt es viele der Parameter, die die Guten von den Schlechten unterschieden haben nicht mehr: Nacht, Schalten, Kuppeln, usw.“

„T“: Walter, die meisten Leute kennen Ihre großen Rallye-Erfolge. Neben den Rallyes haben Sie aber auch ganz viele Rundstreckenrennen erfolgreich bestritten: TransAm und IMSA in den USA und die DTM für Audi und dann noch die Langstreckenmeisterschaft für Lancia. Was können Sie uns darüber sagen?

W.R.: „All das waren Dinge, die nie mein wirklicher Wunsch waren. Ich bin eigentlich immer von meinen Arbeitgebern dahin gehievt worden. Wenn ich es aber tat, wollte ich es auch immer perfekt machen. Schlussendlich hat es auch Spaß gemacht, den Rennfahrern zu zeigen, dass es da jemanden gibt, der alles kann – nicht nur im Wald rumfahren. Die Befriedigung, die ich beim Rallyefahren hatte, hat mir das Rennfahren auf Rundkursen nie gegeben. Es war keine richtige Leidenschaft. Ich habe es aber als eine Stufe zum Perfektionieren meines Rallyestils angesehen. Die Rundstrecke hat mir klar etwas gebracht: Rennfahren lebt ja von der Perfektion, Rallyefahren jedoch lebt von der Improvisation. Ich habe immer versucht, die Improvisation so gering wie möglich zu halten und mehr Perfektion reinzubringen und einen sauberen Strich zu fahren. Das Querfahren schaut zwar sehr toll aus, ist aber eigentlich vollkommen abartig.“

„T“: Christian, wie wichtig ist die Rolle des Beifahrers und was hat sich seit Ihrer aktiven Zeit geändert?

C.G.: „Das Berufsbild ist wohl gleich geblieben, doch es gibt ein anderes Anforderungsprofil. Zu unserer Zeit waren die Vorbereitung und die Organisation viel aufwendiger. Es kam die Logistik dazu und dann oftmals das Fahren nachts, im dichten Nebel und bei viel längeren Sonderprüfungen. All das war schon schwieriger als heute. In so einem Monster-Gruppe-B- Auto (wie der Quattro S1 von 1985/86, d. Red.) zu arbeiten, war absolut am Limit. Ganz krass war dann 1987 der Rückschritt zu den fast serienmäßigen Gruppe-A-Autos. Damals kam man sich vor wie ein Fußballer, der von der Champions League in die Regionalliga absteigt, das war schon fatal. Mit den Gruppe-A-Autos fuhr jeder die Sonderprüfungen zu 85% ‚Bodenblech‘ (Vollgas, d. Red.), bei den letzten 15% konnte sich dann die Spreu vom Weizen trennen. Ein Jahr vorher, mit den dicken Gruppe-B fuhr man in den gleichen Sonderprüfungen vielleicht zu 10% voll und für den Rest galt es, mit dem Gaspedal gefühlvoll umzugehen.“

„T“: Walter, ein Thema bleibt noch anzusprechen: Ihr Sieg beim Pikes Peak in Colorado, dem wohl berühmtesten Bergrennen der Welt. Was hat dies Ihnen bedeutet?

W.R.: „Es war eine besondere Erfahrung für mich. Ganz anders wie Rallyefahren. Es galt vom Start weg, volles Risiko zu gehen. Ich habe Pikes Peak persönlich nicht so als das ganz große Erlebnis empfunden, doch ich wundere mich immer wieder, wie gut dieser Amerika-Ausflug (mit Audi, d. Red.) in der Öffentlichkeit und vor allem beim nicht motorsportbewanderten Publikum bekannt ist. Das zeigt, welch großen Publicity-Wert dieses Rennen in sich birgt. Ich muss zugeben, ich habe es damals vor allem gemacht, weil ich wusste, dass es für den Ersten 60.000 $ Siegesprämie gab (er grinst verschmitzt, d. Red.). Ein Sieg in Pikes Peak war für Audi und deren Marke in Amerika damals natürlich unheimlich wichtig.“«»