Oliver Kahn, der Erfolgsmensch

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Nichts, das am Donnerstag auf der Bühne der LuxExpo geschah, passierte aus Zufall: Oliver Kahn war bereits zu seiner Zeit beim FC Bayern München ein bedingungsloser Erfolgsmensch, ein Beispiel an Willenskraft und Disziplin. Der dreifache Welttorhüter, den man als ein kaugummikauendes, mürrisches und brüllendes Kraftpaket in Erinnerung hat, überzeugte bei seiner Konferenz über die Philosophie der Hochleistungsteams durch Fachwissen, präzise Argumentation und eine perfekt dosierte Portion Humor.

Die Sportjournalisten hatten es zu seiner aktiven Zeit nicht einfach mit King Kahn, der deutschen Version eines Titans: „Alles, was Kahn sagt, lässt sich auf einem Blatt komprimieren: ‚Druck‘, ‚Herausforderung‘, ‚Perfektion‘. Oliver-Kahn-Wörter.“ (Zeit/April 2006). Im gleichen Jahr hatte sein Manager sogar nach einem Exklusiv-Interview verboten, die Antwort auf die allererste der gestellten Fragen zu drucken: ob er seinen Kaffeeautomaten ausgeschaltet habe.

Das Verhältnis zwischen der Presse und dem damaligen Kapitän der DFB-Elf war angespannt und hochexplosiv. Genauso kompliziert wie diese Hassliebe, die wohl auch so mancher Fußballfan jahrelang mit sich herumgeschleppt hat. Es gab bei diesem Keeper einfach kein Zwischending. Kahn war sich immer bewusst, was er mit seinen (manchmal wenigen) Worten und Taten anrichten könnte: „Eier, wir brauchen Eier“ gehört genauso zu seiner Vergangenheit wie das Antäuschen des Vampirbisses bei Heiko Herrlich oder der Kung-Fu-Kick gegen Stéphane Chapuisat 1999.

Ohne seinen Ehrgeiz und sein Durchsetzungsvermögen hätte es der Torhüter wohl nie bis an die Spitze geschafft. Dazu gehörten beim Adrenalinmenschen im himmelblauen Trikot auch die Ausraster, die heute noch zu den beliebtesten Youtube-Videos gehören. „Ich musste mehr arbeiten als andere, um der Beste zu sein. Aber es wäre mir zu langweilig gewesen, mehr Talent zu haben“, heißt es in der Biografie „Oliver Kahn – ein Porträt der Nummer 1“. Doch auch dies war ein Charakterzug des Oliver Rolf Kahn.

„Laut war ich früher“

Damals – also zwischen 1987 und 2008 – war er ein Ausnahmesportler, ein „High-Performer“. Heute reist er als TV-Experte für das ZDF um die Welt und ist zwischendurch Gastredner bei ausgewählten Events. „Laut war ich früher – heute motiviere ich mein Team mit leiseren Tönen …“, ist auf seinem Twitter-Account zu lesen. 2010 schrieb er das Jugendbuch „Du packst es! Wie du schaffst, was du willst“.

Die einschlägigen Titel und Motivationsparolen brachte er auch am Donnerstag in Luxemburg an den Mann (und die Frauen, die doch in deutlicher Unterzahl vertreten waren). Wie er es vom Ersatzkeeper des Karlsruher SC zum Champions-League-Erfolg gebracht hat, erklärte er binnen 45 Minuten. Auf die Minute genau – denn er stoppte auch beim letzten Atemzug seines Diskurs die breite Armbanduhr. Kahn ist eben auch mit 48 noch immer ein „High-Performer“.

„Selbst wenn er nur im Gras liegt, scheint er irgendetwas Wichtiges, Vorentscheidendes zu tun“, schrieb der Spiegel in diesem Sinne schon vor der WM 2002. Dem Publikum, das wohl im Alltag recht wenig mit Bundesliga-Parolen oder Strafraumsituationen zu tun hat, interessierte trotzdem, wie er es zur Ikone geschafft hat. „Ich selbst wollte einfach nur der beste Torwart der Welt werden“, war seine nüchterne Erklärung.

Kahn ist auch nur ein Mensch

Statt sich nach dem sportlichen Ruhestand ins gemachte Nest beim FC Bayern zu setzen, ging es für den „Titan“ darum, neue Wege zu finden, sich neu zu beweisen und die Komfortzone wieder und wieder zu verlassen. Er schloss ein Masterstudium in „Business Administration“ ab, gründete Firmen und engagierte sich sozial. „Es reicht nicht, sich auf seine Stärken zu verlassen. Die werden irgendwann nur noch von beschränktem Nutzen sein. In einem neuen Umfeld können sie sogar hinderlich sein“, so Kahn. „Ich war ja schon als Experte im Fernsehen und musste mir blöde Fragen gefallen lassen. Da kann man dann nicht mit gestrecktem Bein über den Moderatorentisch fliegen“, scherzte er. „Man muss anders reagieren und sich immer weiterentwickeln“, fuhr er fort.

Während er früher zu Machtdemonstrationen neigte, waren es am Donnerstag seine Ausdrucksform, sein Erscheinungsbild und der fehlerlose Parcours durch die eigenen Erfahrungswerte, welche die Massen ins Staunen versetzten. Fragte man sich als Fernsehzuschauer vor zehn oder fünfzehn Jahren, wie Kahn es stets schaffte, dieses Bild von einem Kraftpaket aufrechtzuerhalten, so erklärte er: „Ich habe mich 14 Jahre nur damit beschäftigt, wie ich den eigenen und den äußeren Ansprüchen gerecht werden konnte. Man will immer nur gewinnen, es ist das höchste Ziel und mit viel Arbeit verbunden. Aber in 80 Prozent der Spiele warst du einfach nur froh, wenn es vorbei war.“

Oliver Kahn ist also auch nur ein Mensch – ein ganz normaler mit sehr hohen Ansprüchen, die er nie aus den Augen verliert. Wie normal er tatsächlich ist, erlebten zwei junge Fans vor dem Event, als sie den „Titan“ auf der Toilette trafen: „Das glaubt uns wohl niemand, wenn wir erzählen, wo wir ihm zum ersten Mal begegnet sind“, kicherten sie. Autogramme gab es dort trotzdem nicht.