EURO 2021„Magischer“ Gosens: Deutschlands neuer Fußball-Liebling

EURO 2021 / „Magischer“ Gosens: Deutschlands neuer Fußball-Liebling
Deutschlands Robin Gosens spielte sich gegen Portugal in die Herzen der Fans Foto: Christof Stache/AFP

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Robin Gosens war vor der EM der wohl unbekannteste deutsche Nationalspieler. Gegen Portugal spielt und quatscht er sich in die Herzen der Fans.

An seinem „magischen“ Abend drehte Robin Gosens sogar „Radio“ Thomas Müller eiskalt den Saft ab. Die freche Frotzelei des Münchners konterte der „Star of the Match“ mit einem für ihn typischen Spruch. Dass Gosens nach „nur“ 60 überragenden Minuten vom Platz musste, habe ihn nicht überrascht, „er spielt ja in Italien“, witzelte Müller. „Besser gute 60 als schlechte 90“, entgegnete Gosens und ergänzte lachend: „Ich glaube, damit ist das Thema durch.“

Für das Thema Gosens gilt das freilich nicht. Über keinen anderen deutschen Nationalspieler wurde nach dem begeisternden 4:2 (2:1) gegen Titelverteidiger Portugal so viel geredet, von keinem anderen so sehr geschwärmt wie von ihm. Vor der EM war der 26-Jährige, der bei Atalanta Bergamo etwas unter dem Radar spielt, wohl der unbekannteste DFB-Akteur. In München kämpfte, grätschte, schoss und vor allem quatschte er sich mit seiner erfrischend-mitreißenden Art in die Herzen von Millionen Fans.

Gosens studiert Psychologie. Das klingt ein wenig abgehoben, täuscht aber: Gosens ist ein Typ von nebenan. Wenn er was richtig gut findet, wie den Sieg über die Portugiesen um Cristiano Ronaldo, der ihm einst mit einem kühlen „No“ den Trikottausch verwehrt hatte, sagt er „affengeil“. Tore nennt er „Hütten“, was ihm nicht passt, geht ihm „auf die Eier“. Und bei seinem Tor zum 4:1 (60.), schwärmte er nicht ganz jugendfrei, „ist mir mehr als nur einer abgegangen“. Das kommt an.

„Robin ist ein Typ wie sein Spiel“, würdigte Joachim Löw seinen Besten: „Immer klare Kante. Er wirft immer alles in die Waagschale.“ Wie bei seinem aberkannten Kung-Fu-Tor (5.). Wie bei seiner aufopferungsvollen Grätsche, die seine Adduktorenprobleme wieder aufflammen ließ und die Auswechslung erzwang. Wie bei seinen beiden direkten Torvorlagen. Und erst recht wie bei seinem „unglaublichen“ Kopfballtreffer.

„Dieser Tag wird für immer in Erinnerung bleiben, das ist einer der Abende, die ich nie im Leben vergessen werde“, schwärmte Gosens. In einem seiner zahllosen Interviews sagte er zum Reporter: „Du kannst mich gerne zwicken, auch dann glaube ich es nicht.“ Und als er von der UEFA zum „Star“ des Spiels gekürt wurde, meinte er mit Blick auf die Trophäe: „Soll ich das Ding jetzt mitnehmen oder nicht?“

Er sollte – zu Recht: Drei direkte Torbeteiligungen bei einer EM hatte zuletzt Bastian Schweinsteiger 2008, ebenfalls gegen Portugal. Und so rührte Gosens seine Eltern Martina und Holger sowie Schwester Chantal auf der Tribüne zu Tränen, sein Handy „explodierte“ ob all der Glückwünsche. Die erste Antwort bekam seine Verlobte Rabea, bei Instagram schrieb Gosens: „Träumen lohnt sich“ – es ist der Titel seiner Biografie.

Sie zeichnet den ungewöhnlichsten Weg eines DFB-Spielers nach. Gosens, der auch die niederländische Staatsbürgerschaft besitzt, besuchte kein Leistungszentrum. Als er mit 17 von Vitesse Arnheim entdeckt wurde, hatte er noch Restalkohol von einem Disco-Besuch im Blut. Bei Borussia Dortmund fiel er im Probetraining durch („der totale Reinfall“) – aber er ist ja auch Schalke-Fan. Ein Wechsel zu S04 scheiterte 2019 an Atalanta. Als Löw ihn im vergangenen August erstmals nominierte, hielt er dessen Anruf für einen Scherz.

Geht es nach dem Bundestrainer, kann der Gosens vom Samstag sogar noch besser sein. „Das Spiel des Lebens“, glaubt Löw, „hat er vielleicht noch vor sich.“ (SID)