Fußball„Kumpanei“ mit der Justiz: Stolpert Infantino über seine „Vergesslichkeit“? 

Fußball / „Kumpanei“ mit der Justiz: Stolpert Infantino über seine „Vergesslichkeit“? 
Ein geheimes Treffen könnte für den FIFA-Präsidenten böse Folgen haben Foto: Sebastian Gollnow/dpa

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Im Schweizer Justizskandal kehrt keine Ruhe ein. In einem Gerichtsurteil wurde Bundesanwalt Michael Lauber der Lüge bezichtigt – und damit indirekt auch Gianni Infantino. Für den FIFA-Präsidenten könnte dies ernste Konsequenzen haben.

Denkwürdig war dieses geheime Treffen vor drei Jahren im Berner Nobelhotel „Schweizerhof“ allemal. Und doch wollen es sämtliche Beteiligten, darunter FIFA-Präsident Gianni Infantino und Bundesanwalt Michael Lauber, vergessen haben – wohl aus gutem Grund, denn koscher dürfte diese dubiose Zusammenkunft gewiss nicht gewesen sein, hat sie in der Schweiz doch einen regelrechten Justizskandal ausgelöst. Lauber wurde das Treffen schon zum Verhängnis. Und auch für Infantino könnte es schwerwiegende Folgen haben.

„Es ist erkennbar, dass zwischen der Schweizer Bundesanwaltschaft und Infantino eine Kumpanei herrschte und herrscht, die weit über das verträgliche Maß hinausgeht und den Schweizer Rechtsstaat ad absurdum führt“, sagte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger am Sonntag dem Sport-Informations-Dienst (SID).  Der 75-Jährige ist direkter Betroffener dieser „Kumpanei“ – Zwanziger war einer von vier Angeklagten im „Sommermärchen-Prozess“ um die WM 2006, den Laubers Bundesanwaltschaft mit dem Weltverband FIFA und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Privatkläger führte. Die Vorwürfe verjährten im April. Die Affäre um Lauber und Infantino ist aber noch lange nicht ausgestanden.

Lauber hatte am Freitag seinen Rücktritt angeboten, nachdem das Schweizer Bundesverwaltungsgericht befunden hatte, dass er in Bezug auf jenes ominöse Treffen in Bern am 17. Juni 2017 „vorsätzlich die Unwahrheit sagte“ und das Treffen mit Infantino und mindestens zwei weiteren Personen, an das sich keiner der Beteiligten mehr erinnern will, „bewusst verschwieg“. Durch Recherchen u.a. der Süddeutschen Zeitung und auch der Schweizer Justizaufsicht ließ sich diese Zusammenkunft aber eindeutig belegen. Zuvor hatte es bereits zwei ebenfalls nicht protokollierte Treffen zwischen dem Chefermittler in zahlreichen Fußball-Verfahren und Infantino gegeben, welche diese immerhin zugaben.

„Erinnerungslücke abwegig“

Laut dem Urteil vom Freitag habe Lauber aber durch das vergessene dritte Treffen eine „schwere Verletzung seiner Amts- und Treuepflicht“ begangen. „Eine solche Erinnerungslücke bei mehreren Teilnehmern ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung als abwegig anzusehen“, es lasse daher „auf eine entsprechende Absprache schließen“, teilte das Bundesverwaltungsgericht mit – und bezichtigte damit auch Infantino indirekt der Lüge. Und das könnte für den mächtigen Schweizer noch heikel werden.

Denn seit Anfang Juli prüft der außerordentliche Staatsanwalt Stefan Keller Strafanzeigen unter anderem gegen Lauber und Infantino, es stehen Vorwürfe der Amtsgeheimnisverletzung und der Begünstigung sowie der Anstiftung dazu im Raum. Dabei geht es auch um eine mögliche Einflussnahme in einem Verfahren aus dem April 2016 gegen die Europäische Fußball-Union (UEFA) bezüglich eines zweifelhaften TV-Vertrags, den der damalige UEFA-Funktionär Infantino unterschrieben hatte. Ermittelt wurde aber nur gegen „Unbekannt“.

Kommt Sonderermittler Keller nun zu dem Schluss, ein Verfahren gegen Infantino einzuleiten, droht diesem gar eine Suspendierung durch das FIFA-Ethikkomitee – so hatte das Gremium auch 2015 bei Infantinos Vorgänger Joseph S. Blatter und Ex-UEFA-Chef Michel Platini reagiert, nachdem ein Strafverfahren gegen Blatter wegen einer FIFA-Zahlung an Platini eingeleitet worden war.

Die Luft für Infantino wird dünner. Ein Strafverfahren wäre „ein schwerer Schlag“, sagte Zwanziger und forderte den FIFA-Boss auf, selbst die Konsequenzen zu ziehen. „Die Rolle von Infantino ist in einer Weise fragwürdig, dass er längst aus eigenem Antrieb die richtigen Schritte eingeleitet haben müsste“, meinte Zwanziger: „Lauber hat zu lange gebraucht, um die Konsequenzen aus seinem Verhalten zu ziehen. Infantino sollte klug sein und nicht so lange brauchen.“