Jeff Strasser: „Man muss Geduld haben“

Jeff Strasser: „Man muss Geduld haben“

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Am Sonntag empfangen der 1. FC Kaiserslautern und Trainer Jeff Strasser am 15. Spieltag der 2. Bundesliga die Arminia Bielefeld und deren Coach Jeff Saibene. Beim ersten luxemburgische Trainerduell im Profifußball muss die Elf vom Betzenberg punkten. Im Tageblatt-Interview spricht der 98-fache Nationalspieler über Herausforderungen, Ziele und den Abstiegskampf.

Tageblatt: Hunderte Luxemburger haben sich Tickets besorgt, um sich das Spiel gegen Arminia Bielefeld anzusehen. Was löst das in Ihnen aus?
Jeff Strasser: Es ist ein ganz besonderes Spiel, weil erstmals zwei Trainer aus Luxemburg in der 2. Bundesliga aufeinandertreffen, die sich zudem persönlich gut kennen und zusammen für die Nationalmannschaft gespielt haben. Auf der anderen Seite ist es ein ganz normales Spiel gegen Bielefeld, in dem wir punkten müssen.

Nach vier Spielen ohne Sieg gelang den „Roten Teufeln“ vergangenen Montag in Dresden wieder ein Erfolg. Ein Befreiungsschlag?
Es war auf jeden Fall ein sehr wichtiger Sieg. Dass wir es geschafft haben, in den letzten fünf Minuten die Partie noch zu drehen, spricht für die Mentalität der Mannschaft. Dieses Erfolgserlebnis soll uns einen positiven Antrieb für die nächsten Spiele geben. Anfangen wollen wir gegen Bielefeld. Bis zur Winterpause stehen noch drei Heimspiele an. In diesen müssen wir punkten, um den Anschluss zu den Nicht-Abstiegsplätzen bis Ende des Jahres wiederherzustellen. Ich habe ein klares Punkte-Ziel vor Augen, aber das teile ich dem Team nicht mit, weil ich keinen unnötigen Druck erzeugen will.

Ihre Bilanz lautet: acht Punkte aus sechs Zweitligaspielen. Ist das zufriedenstellend?
Ich habe letztens eine Simulation gesehen. Hätte Kaiserslautern von Beginn der Saison an diesen Punkteschnitt gehabt, würde am Ende der Saison Platz sechs herausspringen. Leider müssen wir aber einen Rückstand auf die Konkurrenz aufholen und das geht nicht innerhalb kürzester Zeit. Man muss Geduld haben und die sogenannten Sechs-Punkte-Spiele wie am Montag gegen Dresden gewinnen.

Ihr Debüt gelang mit einem Sieg und einem Unentschieden, danach ging es bergab. Haben Sie mit diesen Rückschlägen gerechnet?
Diese muss man immer einkalkulieren. Wenn wir den Klassenerhalt erreichen wollen, dann müssen wir die Zahl der Rückschläge jedoch verringern. Im Moment müssen wir von der positiven Stimmung und dem steigenden Selbstvertrauen profitieren und diese in die nächsten Spiele mitnehmen.

Meine Kinder und meine Frau verdienen einen Riesenrespekt für diese Geduld. Sie unterstützen mich sehr und es ist ein schönes Gefühl, wenn man den Rückhalt seiner nächststehenden Menschen hat.

War das Selbstvertrauen in den letzten Wochen nicht teilweise wieder abhanden gekommen?
Phasenweise ja. Aber durch das Erfolgserlebnis in Dresden ist es wieder da.

Jahrelang haben Sie in Luxemburg um den Titel mitgespielt. Mit Kaiserslautern stecken Sie jetzt im Abstiegsstrudel. Was hat sich dadurch geändert?
Es ist eine ganz andere Konstellation. Ich bin hier angekommen und musste erst den Kader analysieren. In vielen Gesprächen habe ich versucht, die Spieler und ihre Mentalität kennenzulernen sowie herauszufinden, was sie belastet. Danach musste ein System aufgebaut werden, in dem die Defensive verstärkt wurde und das der Mannschaft Stabilität und Sicherheit verleiht. Heute kassieren wir deutlich weniger Gegentore als noch zu Saisonbeginn.

Sie treffen am Sonntag zum ersten Mal in Ihrer Karriere auf Jeff Saibene. Haben Sie seinen Stil bereits durchschaut?
Arminia Bielefeld spielt konstant in einem 4-4-2-System. Seine Mannschaft steht sehr kompakt und arbeitet gut gegen den Ball. Sie haben ein schnelles Umschaltspiel und üben oft Pressing aus. Dadurch entstehen aber auch Löcher, die wir für uns ausnutzen wollen.

Wie Ihr ehemaliger Teamkollege sind Sie auch im Abstiegskampf als Trainer eingestiegen. Kann man sich am Werdegang von Jeff Saibene inspirieren?
Er hat die Arminia in einer sehr bedrohlichen Lage gerettet und danach etwas aufgebaut. Aus dieser Sicht ist das sicherlich vorbildhaft und man sollte sich immer von anderen Menschen inspirieren lassen. Schlussendlich muss ich aber meine eigenen Entscheidungen in einem anderen Verein treffen.

Ihr neuer Lebensmittelpunkt ist jetzt in der Pfalz. Wie gelingt der Spagat zwischen dem Trainerjob und den Pflichten eines Vaters und Ehemanns?
Ich habe derzeit sehr wenig Zeit für meine Familie. Während der Trainings- und Spieltage bin ich in Kaiserslautern. Entweder auf dem Platz oder im Büro, um mir die Videoanalysen anzuschauen. Abends geht es dann ins Hotel. An den freien Tagen versuche ich, meine Familie in Luxemburg zu besuchen. Meine Kinder und meine Frau verdienen einen Riesenrespekt für diese Geduld. Sie unterstützen mich sehr und es ist ein schönes Gefühl, wenn man den Rückhalt seiner nächststehenden Menschen hat.

Sie sind Perfektionist und Vereinsmensch zugleich. Verspüren Sie eigentlich noch immer den Willen, sich um alles zu kümmern, wie zu Fola-Zeiten?
Ich musste auch lernen, zu delegieren. Das ist ein laufender Prozess. Irgendwann muss man einsehen, dass man nicht alles machen kann. In Kaiserslautern gibt es ein gut funktionierendes Trainerteam, in dem man die Stärken jedes Einzelnen ausnutzen muss.

Während Jahren war bei der Fola Cyril Serredszum der Mann an Ihrer Seite. Wie ist die Zusammenarbeit mit Alexander Bugera?
Menschlich passt das sehr gut. Er und ich lernen uns jeden Tag besser kennen. Wir sind beide noch relativ jung und zudem engagiert und motiviert. Wir befinden uns in einer dauerhaften Selbstanalyse. Die Zusammenarbeit mit Alexander Bugera würde ich als sehr interessant bezeichnen.

Sie kennen den Betzenberg seit Jahren. Ist die Angst der Menschen momentan spürbar?
Die Menschen stehen zu 100 Prozent hinter dem Verein, aber es sind nicht die einfachsten Zeiten. Ich versuche, mich vor allem auf meine Arbeit zu konzentrieren und nicht auf das, was um mich herum geschieht. Wenn der Erfolg wiederkommt, dann wird auch das Umfeld stark mitziehen.

Es geht nicht um die Nationalität, sondern um die Qualität. Wenn die stimmt, dann ist auch ein Wechsel eines Luxemburgers an den Betzenberg möglich.

Nationaltrainer Luc Holtz war kurzzeitig beim FC Metz im Gespräch. Hatte der Sprung ins Profigeschäft immer Priorität oder können Sie sich auch den Job des Auswahltrainers vorstellen?
Diese Frage stellt sich im Moment nicht. Luc Holtz verrichtet als Nationaltrainer sehr interessante und gute Arbeit.

In Luxemburg denkt man, dass ein luxemburgischer Trainer einem luxemburgischen Spieler Türen öffnen kann. Wie sehen Sie das?
Vor einiger Zeit hätte keiner gedacht, dass sich irgendwann einmal zwei luxemburgische Trainer in der 2. Bundesliga gegenüberstehen würden. Es geht nicht um die Nationalität, sondern um die Qualität. Wenn die stimmt, dann ist auch ein Wechsel eines Luxemburgers an den Betzenberg möglich. Eine solche Verpflichtung birgt jedoch Gefahren. Es gibt viele gute deutsche Spiele und wenn ein Luxemburger kommt, muss die Qualität stimmen und es muss passen. Derzeit sind wir vor allem auf der Suche nach erfahrenen Spielern, die uns im Abstiegskampf weiterhelfen können.

Hier geht’s zum Interview mit Jeff Saibene.