FußballFür eine Zukunft an der Seitenlinie

Fußball / Für eine Zukunft an der Seitenlinie
Noah Reinertz (Mitte) studiert zurzeit in den USA und fährt für seine Universität in der Radmannschaft Fotos: Privat

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Es ist eher außergewöhnlich, dass junge Menschen das Vertrauen als Trainer einer Mannschaft geschenkt bekommen. Wie auch im Profi-Fußball erhalten Nachwuchsteams meist erfahrene Coaches. Anders war es beim FC Wiltz: Mit 20 Jahren durfte Noah Reinertz die U15 eigenständig leiten. Der junge Trainer verfolgte dabei klare Ziele – und hat noch einiges vor. 

Obwohl er erst 21 Jahre alt ist, redet Noah Reinertz schon wie einer, der ganz viel Erfahrung hat. „Wenn du eine Mannschaft übernimmst“, erklärt er, „dann musst du am Anfang wie der schlimmste Lehrer in der Schule sein. Schlimm ist das falsche Wort, aber du solltest definitiv Autorität mitbringen und offen sowie ehrlich kommunizieren. Du musst die negativen als auch die positiven Punkte klar und sachlich ansprechen. Man kann die Schraube in eine Richtung immer lockern. Aber sie anziehen, das ist viel schwieriger.“ Reinertz übernahm in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 die U15 des BGL-Ligue-Klubs FC Wiltz. Seine Trainertätigkeit im Norden des Landes hat er jedoch nicht aus Zufall bekommen. 

Reinertz spielte als Kind Fußball, musste sich nach einer Knieverletzung mit 15 Jahren aber umstellen. Er entdeckte den Radsport, doch weil er dem Fußball treu bleiben wollte, rutschte er in das Coaching hinein. Von da an ging es schnell: Neben seinem Studium als „Coach Sportif en Option preparation physique“ machte er als Psychomotorik-Trainer bei der KAS Eupen Erfahrungen. Später absolvierte er ein Praktikum beim belgischen Erstligisten, wo er von der U15 bis hin zur Profimannschaft, die damals von Trainer Michael Valkanis geleitet wurde, alle Mannschaften durchlief. Mit 20 Jahren machte Reinertz dann den UEFA-B-Trainerschein – in einem doch außergewöhnlich jungen Alter. „Mit der Allgemeinheit verglichen, ist das Alter bestimmt außergewöhnlich. Wenn man das mit Julian Nagelsmann vergleicht, muss ich doch noch Gas geben“, erklärt Reinertz, dessen größtes Kindheitsidol Mario Mutsch war, schmunzelnd. 

Im belgischen Espeler aufgewachsen, hatte Reinertz immer einen Bezug zum Großherzogtum. So war sein Vater Trainer der U15 des FC Wiltz. Weil er wegen einer Krankheit das Training nicht leiten konnte, übernahm der Junior – um im August dann ein festes Angebot des Vereins als Coach der U15 zu erhalten. Von August bis Dezember 2022 leitete er das Team eigenständig. „Ich habe mich dort sehr weiterentwickelt“, sagt Reinertz. „Ich habe gelernt, eine Mannschaft eigenständig zu leiten. Die Organisation, das Drumherum – dann muss man mit unterschiedlichen Charakteren umgehen. Das gehört alles dazu.“ 

Junges Alter birgt kein Risiko

Ein Problem sei sein junges Alter innerhalb des Teams und des ganzen Vereins nie gewesen. „Es ist gar nicht riskant, einen so jungen Menschen als Trainer einzustellen“, sagt Michael Schenk, Präsident des FC Wiltz. „Wenn die Qualität, die Ausbildung und das pädagogische Backup stimmen, dann besteht kein Problem. Der Trainermarkt gibt nicht viel her. Für uns ist es trotzdem immer wichtig, qualifizierte Leute im Verein zu haben.“ 

Für Reinertz war die Zeit in Wiltz ein weiterer Schritt in seiner Entwicklung. „Mein Traum ist es, im Sport zu arbeiten. Ob jetzt im Fußball oder im Radsport – im Endeffekt sind es die gleichen Charakterzüge, die einen jungen Sportler dazu bringen, den nächsten Schritt zu gehen oder eben nicht. Ich finde es spannend, jungen Spielern etwas auf ihrem Weg mitzugeben.“ Das Kluboberhaupt beschreibt den jungen Coach als „sehr wissbegierig und extrem detailliert. Er versucht immer, nach Höherem zu streben und sich zu verbessern. Das kam bei unserem Jugendkoordinator Marcel Bamberg sehr gut an. Wenn er Sachen besser machen konnte, haben wir ihm das gesagt und er hat im nächsten Training die nötigen Anpassungen vorgenommen.“ 

Noah Reinertz (hinterste Reihe, links) und die U15 des FC Wiltz
Noah Reinertz (hinterste Reihe, links) und die U15 des FC Wiltz

Die Entwicklung der Mannschaft in dem Halbjahr sei laut Schenk sehr positiv gewesen. „Wohl wissend, dass in dem Alter der Spaß noch im Vordergrund stehen sollte, hat sich das Team sehr gut weiterentwickelt. Das Team steht auf stabilen Füßen.“ Was die Entwicklung der Mannschaft angeht, verfolgte Reinertz einen klaren Plan: „Themen waren zum Beispiel die orientierte Ballannahme, das Passspiel mit hoher Qualität, Freilaufverhalten, Eins-gegen-eins-Situation defensiv wie auch offensiv sowie gruppentaktische Elemente. In all diesen Punkten konnten sich die Spieler individuell wie auch als Gruppe verbessern. Parallel haben wir auch an physischen Themen gearbeitet wie koordinatives Training, fußballspezifische Ausdauer, Schnelligkeit, Core Stability oder Gelenkigkeit.“ Neben all den sportlichen Fähigkeiten war es dem Trainer aber auch wichtig, dem Team eine DNA zu verpassen. „Sogenannte Prinzipien, die auf und neben dem Platz gelten. Einige Prinzipien wurden von mir vorgeschlagen und andere von der Mannschaft.“ 

Stipendium in Texas

Weil Reinertz ein Stipendium in Texas bekam, musste er sein Traineramt in Wiltz aufgeben. In den Vereinigten Staaten arbeitet er aktuell an seinem Master in Sportphysiologie und fährt für seine Universität in der Radsport-Mannschaft. „Ich lerne alles über das, was in unserem Körper passiert, wenn wir Sport treiben“, erklärt er. Zwar ist sein Studium nicht auf ein Trainer-Dasein ausgerichtet, doch Reinertz weiß: „Der Sohn von Carlo Ancelotti hat den gleichen Master-Abschluss, an dem ich gerade dran bin.“ Und er weiß auch: Davide Ancelotti ist aktuell Co-Trainer von Real Madrid. 

Wo es für Reinertz nach seinem Master-Studium, das er aller Voraussicht nach Ende 2024 abschließt, hingeht, steht noch nicht fest. „Man muss immer schauen, welche Möglichkeiten sich ergeben. Ob ich in den USA bleibe oder nach Europa zurückkehre, wird sich dann erst entscheiden.“ In Kontakt mit dem FC Wiltz steht Reinertz zumindest weiterhin. Präsident Schenk verfolgt sein Profil. „Ich denke, dass er noch seine A- und Pro-Lizenz machen wird. Ich traue ihm durchaus zu, Athletiktrainer in der ersten oder zweiten belgischen Liga aktiv zu sein.“ 

Der FC Wiltz kämpft gegen den Trainermangel an

Michael Schenk, Präsident des FC Wiltz, bemängelt, dass es zu wenig Trainer auf dem Markt gebe. Der Verein will vorsorgen und hat deswegen vier bis fünf junge Menschen aus dem Verein gefunden, die zurzeit ihre Trainerausbildung absolvieren. „Die lokale Verbundenheit spielt bei unserem Verein eine große Rolle. Wir wollen, dass vor allem unsere Trainer unsere Werte vermitteln. Heutzutage findet man kaum noch Leute, die freiwillig ihre Freizeit auf dem Sportplatz verbringen wollen. Deswegen versuchen wir, das aktiv zu ändern“, sagt Schenk.