Nada al-Tuwaidschri hat sich die grüne saudische Flagge über die Schultern gehängt und grüne Dattelpalmen ins Gesicht gemalt. Ihr Kinn schmückt eine grüne Linie im Stil der Beduinen. Die 27-Jährige steht im Moskauer Luschniki-Stadion, wo WM-Gastgeber Russland gerade gegen Saudi-Arabien das Turnier eröffnet.
„Im Großen und Ganzen ist es ein weiterer Schritt zur Gleichberechtigung, nach Russland zu kommen und die Nationalmannschaft zu unterstützen“, sagt Al-Tuwaidschri, die aus der saudischen Hauptstadt Riad stammt und sich in Großbritannien zur Medienexpertin ausbilden ließ. Seit sie zwölf ist, begeistert sie sich für Fußball.
Wie Nada al-Tuwaidschri sind am Donnerstag zahlreiche saudische Frauen in Jeans, Kopftüchern und Schleiern zum Auftaktspiel ins Stadion geströmt – die Gesichter grün bemalt, die Flaggen griffbereit. Sie zeigen das neue Saudi-Arabien, in dem sie nach Jahrzehnten der bitteren Ungleichheit zu neuen Rechten kommen, seit der junge Kronprinz Mohammed ehrgeizige Reformen auf den Weg gebracht hat.
Gleichheit zwischen Männern und Frauen
Einige der repressivsten Gesetze gegen Frauen wurden dieses Jahr gestrichen in dem konservativen Königreich. Im Januar durften Frauen zum ersten Mal ins Fußballstadion, wenn sie die Spiele auch vom „Familienbereich“ aus beobachten mussten, der von den männlichen Fans abgetrennt war. Die saudischen Behörden hoben außerdem das weltweit einzige Fahrverbot für Frauen auf. Vom 24. Juni an dürfen Frauen selbst hinters Steuer und müssen nicht mehr teure Fahrer anheuern, Taxi fahren oder männliche Verwandte um eine Mitfahrgelegenheit bitten.
Doch bei allen Reformen ist das Königreich noch weit von einer offenen Gesellschaft entfernt. Der 32 Jahre alte Thronfolger Mohammed treibt zwar Neuerungen voran, die das Image Saudi-Arabiens in der Weltöffentlichkeit verbessern. Gleichzeitig greift er aber hart gegen Frauenrechtlerinnen durch, die sich seit Jahren für mehr Freiheiten einsetzen.
Fußballfan Nada al-Tuwaidschri ist dennoch optimistisch: „Am Ende werden wir die Gleichheit zwischen Männern und Frauen erreichen. Fragen Sie irgendwen nach seiner oder ihrer Meinung über Saudi-Arabien, und die Antwort wird positiv sein.“
Ein Fan unter vielen
Die 27-Jährige ist nicht allein ins Moskauer Stadion gekommen. Bei ihr ist ein Mann, den sie als ihren Bruder vorstellt. Al-Tuwaidschri fügt hinzu, dass es kein Problem für sie gewesen wäre, allein zu kommen – etwas, das vor einem Jahr noch nicht viele saudische Frauen getan hätten. Hier, an einem Sommertag in der russischen Hauptstadt, taucht die junge Frau ein in die fröhliche Stimmung vor dem Stadion, kauft WM-Souvenirs und tummelt sich zwischen Frauen, Männern und Kindern aus der ganzen Welt.
Andere saudische Frauen tragen Poster des Kronprinzen bei sich. Prinz Mohammed ist während des 5:0-Siegs der Gastgeber ebenfalls im Stadion und sitzt neben FIFA-Präsident Gianni Infantino und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Dass die Frauen Saudi-Arabiens nicht nur in ihrem eigenen Land Fußballspiele im Stadion sehen können, sondern viele von ihnen auch erstmals im Ausland, ist gewissermaßen ein Triumph des Sports, der Menschen zusammenbringt. Saudische Frauen, die lange als schüchtern oder unnahbar abgestempelt wurden, treffen hier in einer weltoffenen und unbeschwerten Atmosphäre auf andere Fans und lassen sich mit Menschen fotografieren, die sie gar nicht kennen.
Rim al-Muteiri ist mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Moskau gereist, dank eines Ausflugs, den das höchste Sportkomitee des Königreiches bezahlt. Die 25 Jahre alte Beamtin in fließendem Gewand und Hidschab sagt, sie mache sich nicht viel aus Fußball. „Aber ich bin wegen unserer Nationalmannschaft hergekommen“, sagt sie. „Dass saudische Frauen hier sind, darauf sollten unser Königreich und das Team stolz sein.“
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können