Jeff Saibene„Es fühlt sich an, als wäre ich schon drei Jahre hier“

Jeff Saibene / „Es fühlt sich an, als wäre ich schon drei Jahre hier“
Kaiserslautern ist immer für einen Aufreger gut Foto: imago images/Eibner

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Jeff Saibene ist seit Oktober Trainer des deutschen Drittligisten 1. FC Kaiserslautern. Aus der Krise hat der Luxemburger die Pfälzer noch nicht geführt. Der 52-Jährige offenbart im Tageblatt-Interview, dass ihn die externen Unruheherde stören, und wünscht sich mehr Emotionen von seinen Spielern.

Tageblatt: Herr Saibene, was wünscht man sich als Trainer des 1. FC Kaiserslautern für das neue Jahr?

Jeff Saibene: Beruflich wünsche ich mir Stabilität und Ruhe im Verein. Dies kommt mit dem Erfolg. Priorität genießt aber in dieser schweren Zeit die Gesundheit der Menschen.

Seit Jahren geht es in der Pfalz nur noch bergab. Was macht Ihnen Hoffnung, dass irgendwann der Umschwung kommen wird?

Es ist sicher kein Zufall, dass es beim FCK seit Jahren nicht mehr gut läuft. Es ist ein Verein, der polarisiert, in dem zu viele Menschen mitreden wollen. Es ist extrem, was von externen Leuten nach innen getragen wird. Das kostet sehr viel Energie. In fünf Jahren waren hier elf Trainer. Das sind zwei pro Saison. Das ist absoluter Wahnsinn. So bekommt man nie Ruhe und Stabilität in den Verein. Wenn man immer nur kurzfristig denkt und immer neue Trainer verpflichtet, kann sich der Erfolg nicht einstellen. Und das liegt mit Sicherheit nicht am Sportchef oder am Geschäftsführer. Die Unruhe wird vor allem von außen hereingetragen. Ich bin seit drei Monaten hier und es fühlt sich wie drei Jahre an – so viel ist seitdem passiert.

In Luxemburg hatte der FCK schon immer einen besonderen Stellenwert. Haben Sie auch aus nostalgischen Gründen diesen Job angenommen?

Ich habe mir als kleiner Bub Spiele am Betzenberg angesehen. Hätte ich damals einem erzählt, dass ich irgendwann Trainer beim FCK werden würde, hätte man mich ausgelacht. Nostalgie und die Begeisterung für den Verein haben mit Sicherheit eine Rolle gespielt bei meiner Entscheidung. Auf der anderen Seite weiß ich, wie schwer es ist, einen Job zu bekommen. Es gibt so viele arbeitslose Trainer auf dem Markt. Wäre Kaiserslautern allerdings kein Traditionsverein, hätte ich das Angebot nicht angenommen. Es ist eine super Sache, hier zu sein.

Arminia Bielefeld, FC Ingolstadt und nun Abstiegskampf in der dritten Liga mit dem FCK. Können Sie zufrieden mit dem Verlauf Ihrer Trainerlaufbahn in Deutschland sein?

Ich denke schon. Bielefeld, Ingolstadt, Kaiserslautern: Das sind Vereine, die etwas ausstrahlen, die die Menschen begeistern und die europa- ja weltweit bekannt sind. Und genau deshalb kann ich stolz auf meinen bisherigen Karriereverlauf sein. Viele Trainer träumen davon, solche Mannschaften zu betreuen.

Mussten Sie bei Ihrer Ankunft auf dem Betzenberg Ihre persönliche Fußballphilosophie über Bord werfen?

Am Anfang wollte ich genau so spielen wie in Bielefeld. Dieses Konzept musste ich jedoch schnell überdenken. Für die aktuelle Mannschaft ist das 4-4-2-System eher ungeeignet. Das liegt aber nicht an der Qualität der Spieler, sonder an ihrer Art und Weise. Derzeit bin ich noch flexibel und habe mich noch nicht auf ein taktisches Schema festgelegt.

Ihre sportliche Bilanz fällt eher bescheiden aus. Der FCK steht derzeit im Tabellenkeller. Hatten Sie zwischendurch mal Angst um Ihren Job?

Ich lebe von Samstag zu Samstag. Ich mache mir keine Illusionen. Wenn es vorbei ist, dann ist dies das Normalste der Welt. Um so über das Thema Entlassung sprechen zu können, muss man eine gewisse Erfahrung und Routine erreicht haben. Ich weiß ganz genau, wann es für mich brenzlig wird. Sollte daraus der Rauswurf resultieren, dann fahre ich nach Hause zu meiner Familie. Bei denen bin ich auch sehr gerne. Irgendwie muss man schon verrückt sein, um diesen Beruf auszuüben. Auf der anderen Seite ist es ein Privileg.

In der Vergangenheit haben Sie immer wieder angeprangert, dass die Spieler zu nett sind. Haben Sie mittlerweile einen Weg gefunden, ihnen diese Mentalität abzugewöhnen?

Zu Arschlöchern werde ich sie wohl nicht mehr machen (lacht). Es ist an jedem Wochenende ein Kampf, die Spieler dazu zu bewegen, mehr auf dem Platz zu reden. Oft fehlt der Biss und das Leben innerhalb der Mannschaft. Die Spieler sind teilweise zufrieden damit, dass sie Fußball spielen können. Es gibt keinen, der das Heft in die Hand nimmt und die Mannschaft führt. 

Oft fehlt der Biss und das Leben innerhalb der Mannschaft. Die Spieler sind teilweise zufrieden damit, dass sie Fußball spielen können.

Gibt es trotzdem feststellbare Veränderungen im Auftreten der Mannschaft?

Der Abschluss des Jahres 2020 mit dem 2:0-Erfolg gegen Uerdingen hat mich zuversichtlich gestimmt. Da war endlich mal Leben auf dem Platz. In den kommenden Monaten werden uns zudem einige talentierte Spieler wieder zur Verfügung stehen, die monatelang verletzt ausfielen.

Thema Finanzen: Lange war Flavio Becca als neuer Investor beim FCK vorgesehen. Letztendlich hat das nicht geklappt. Wie stehen Sie dazu?

Diese Gespräche haben vor meiner Zeit in Kaiserslautenr stattgefunden, aber es ist ein typisches Beispiel für das Theater, das im Verein herrscht. Mal ist der eine Investor da, dann wieder der andere. Viele denken, dass sie wegen des Geldes Einfluss auf die Mannschaft nehmen können – dabei haben sie kein Recht darauf.

Der ehemalige FCK-Kultstürmer Olaf Marschall wurde kürzlich zum Chefscout des Vereins ernannt. Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?

Wir kennen uns seit 15 Jahren. Er ist ein ruhiger und sachlicher Fußballkenner mit einem guten Auge. Ich hoffe darauf, dass er ein gutes Netzwerk hat.

Kann das Ziel in den verbleibenden Spielen nur lauten, den Klassenerhalt zu sichern, oder glauben Sie aufgrund der Ausgeglichenheit der 3. Bundesliga an mehr?

Wir befinden uns ja noch immer in der Vorrunde und es stehen noch sehr viele Spiele aus. Aber die Tabelle lügt nicht. Zunächst einmal müssen wir uns stabiliseren und hinten rauskommen, alles andere spielt keine Rolle.

Noch vor zwei Monaten wurde vom Aufstieg gesprochen …

Ich habe mit Sicherheit nicht vom Aufsteig gesprochen und ich glaube, unsere sportlichen Verantwortlichen auch nicht. Das wird immer durch die Medien und Außenstehende verbreitet. Auf lange Sicht muss der FCK jedoch wieder in die 2. Bundesliga aufsteigen. Bei den Fans, dem Stadion und den vielen Vereinsmitarbeitern gibt es eigentlich keinen anderen Weg. Das gilt aber auch für andere Traditionsvereine in der 3. Bundesliga wie beispielsweise 1860 München.

Noch ein Blick auf Luxemburg: Gibt es einen Moment oder einen Spieler, der Ihnen in den vergangenen Monaten imponiert hat?

Leandro Barreiro war bei Mainz 05 fast immer Stammspieler – das ist sensationell in diesem Alter. Er bringt die richtige Einstellung mit, ich mag ihn sehr. Wenn Christopher Martins gesund bleibt, kann er auch von der Bundesliga träumen. Er ist bei Young Boys bereits jetzt bei einem guten Verein. Ein super Spieler. Ich würde ihn mit Denis Zakaria (Borussia Mönchengladbach) vergleichen, und der hat ja auch den Sprung von der Schweiz in die Bundesliga geschafft.