/ Die WM – ein Segen für das von Sanktionen angeschlagene Russland?
Die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft stellt den Gastgeber Russland ins Rampenlicht. Doch wenn der WM-Trubel vorbei ist, wird die russische Wirtschaft nur sehr wenig davon profitieren, meint Moody’s Investors Service.
„Wir erwarten, dass bis zu einer Million Fans während der WM nach Moskau kommen werden“, schätzt der Leiter für Hotelmanagement der Moskauer Abteilung für Sport und Tourismus Aleksej Tichnenko. Der Wechselkurs zum Rubel steht auch gerade günstig für Besucher aus den USA und Westeuropa – gute Voraussetzungen also, dass die Dollar und Euro, die die Fans in Russland lassen werden, die russische Wirtschaft ankurbeln werden. Ist die WM also ein Segen für Russlands Wirtschaft?
Moody’s Investors Service ist dieser Frage nachgegangen und zum Schluss gekommen, dass „die WM nur sehr wenige Auswirkungen auf Russland hat“. Die Meisterschaft würde dafür bei Weitem nicht lange genug dauern. Dennoch wird die WM nicht ganz ohne Auswirkungen bleiben. Es sind ja nicht nur die Fußballfans, die Geld ausgeben werden. Die russische Bauwirtschaft konnte sich über WM-bezogene Aufträge in einer Höhe von 680 Milliarden Rubel (knapp 10 Milliarden Euro) freuen.
Neue Stadien
Der russische Zentralstaat hat den Energieanbietern sechs Milliarden Rubel (rund 81 Millionen Euro) zugeteilt, um das Stromnetz zu modernisieren. Stromausfälle während der WM würden dem Land nicht gut stehen. Um solche zu verhindern, wurden in Kaliningrad vor der WM zwei neue Gaskraftwerke gebaut. „Diese stellen die Stromversorgung während der WM sicher“, so Moody’s. Sie verbessern aber auch die Versorgungssicherheit der russischen Enklave nach dem Großevent. Der Strom-Transit über Polen wird in Zukunft also weniger werden. In elf russischen Städten wurden neue Stadien gebaut oder bestehende erweitert. Zwölf Flughäfen wurden erneuert und die Stadt Rostow am Don bekam – extra für die WM – einen komplett neuen. Zusätzlich wurde in die Modernisierung von 31 Bahnhöfen, in Straßen und Energienetze investiert.
Elf Milliarden Rubel (150 Millionen Euro) kamen dem Ausbau der Telekommunikations-Infrastruktur zugute. Während der Olympischen Winterspiele in Sotschi konnten sich die russischen Telekom-Betreiber über 300.000 temporäre Kunden freuen, die 660 Terabytes an Daten konsumierten. Der ausgehende Datenverkehr hatte sich um das Sechsfache gesteigert, die Einnahmen von MegaFon, dem Telekommunikationspartner der Olympischen Spiele, machten einen Sprung von über zehn Prozent.
MegaFon ist auch der offizielle Partner der Fußball-WM und erwartet sich für dieses Jahr einen ähnlichen Einnahmezuwachs. Doch im Gegensatz zu den Winterspielen in Sotschi hätten die Einwohner diesmal weniger von den Investitionen, meint Moody’s. Damals sei das mobile Internet in Gegenden gebracht worden, in denen es bis dahin nicht angeboten worden war. Für die Fußball-WM sei die Netz-Kapazität bloß ausgebaut worden.
Auf den ersten Blick mögen die Investitionssummen hoch erscheinen; wenn man sie aber der Summe gegenüberstellt, die ohnehin investiert wurde, sieht die Situation ganz anders aus: „Die Ausgaben, die im Zusammenhang mit der WM stehen, machen nur ein Prozent der gesamten Investitionen aus“, schreibt das Ratingunternehmen.
Hotels und Transport
Zu den größten Nutznießern gehört der Hotelbetrieb. Erwartet wird eine höhere Belegungsrate. Da die Kapazitäten in Moskau und Sankt Petersburg nicht ausgebaut wurden, „kann sich der Sektor über eine höhere Nachfrage freuen“, so Moody’s. „Ohne spätere Überkapazitäten.“
Aleksej Tichnenko hat auch darauf hingewiesen, dass die Moskauer Behörden eine Regulierung der Preise für die Unterkunft in Moskauer Hotels eingeführt haben, um einer Überteuerung während der Weltmeisterschaft entgegenzuwirken.
Das Gleiche gilt für den Transportsektor. Auch hier habe die Regierung Restriktionen eingeführt, die verhindern sollen, dass die Fußballfans beim Transport abgezockt werden, schreibt Moody’s.
Die staatliche Eisenbahngesellschaft soll während der Spiele 728 Züge an den Staat vermieten, der sie dann für Gratisverkehr zur Verfügung stellt. Auch viele Flughäfen wurden ausgebaut, um des Ansturms Herr zu werden. „Diese Investitionen werden auch der langfristigen Entwicklung des Luftverkehrs zugutekommen“, so Moody’s.
Alles in allem erwartet die Ratingagentur, „dass die WM keinen großen Einfluss auf die Gesamtwirtschaft hat“. Der Tourismussektor würde zwar einen kurzfristigen Boom erleben, mit dem Ende der WM sei aber auch dieser vorbei. Die Spiele seien einfach zu kurz, um einen nennenswerten Einfluss auf die 1.300-Milliarden-Dollar-Wirtschaft Russlands zu haben.
Die Analysten konnten dann auch keinen Einfluss auf das russische BIP feststellen. Das „Brutto-Regional-Produkt“ der Gegenden, in denen die Spiele stattfinden, könnte aber um maximal drei Prozent steigen. Dies geht jedoch auch auf Kosten der kommenden Generationen. Einige Regionen finanzierten die WM-Ausgaben durch das Aufnehmen von Schulden.
Wer sind die Gewinner der WM?
Der Weltmeister steht zwar noch nicht fest, laut Moody’s soll es aber schon Gewinner geben. Neben den Hotelbetreibern und Fluggesellschaften sei dies auch der Einzelhandel. „Die Zunahme der Einnahmen des Einzelhandels wird auf dem angespannten Markt für kurzzeitige Entspannung sorgen“, so Moody’s.
Wegen ausbleibender Konsumausgaben und der niedrigen Inflation sei der Markt für Nahrungsmittel unter Druck. Die zusätzlichen Einnahmen könnten für die dringende Verbesserung des Angebotes genutzt werden. Die Supermarktkette, die sich über die größten Zuwächse freuen kann, ist keine russische, sondern die französische Auchan. Deren Geschäfte liegen in den Städten, in denen die Spiele stattfinden, so Moody’s.
Die Sponsoren (Coca-Cola, Adidas, Qatar Airways, Hyundai, Kia, McDonald’s und Budweiser) gehören ebenfalls zu den Gewinnern. „Die Medienpräsenz während den Spielen wird den Markenwert der Sponsoren stärken, auch wenn sich dies nur schwer in Zahlen ausdrücken lässt“, meint Moody’s.
Ein unerwarteter Gewinner könnte Airbnb sein. Ohne eigenes Zutun könnte sich die Bekanntschaft dieser Unterkunft-Plattform verbessern – dies hilft der Firma auch wenn der Weltmeister längst schon feststeht.
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