Fußball: Vor dem Escher Derby Jeunesse gegen Fola am kommenden Sonntag: Spiele, die man nicht verlieren darf

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ob in Mailand – AC gegen Inter –, in Madrid – Real gegen Atletico – oder in Glasgow – Celtic gegen Rangers: Derbys sind weltweit das A und O im Fußball. Jedes sonstige Saisonspiel darf verloren gehen, aber nur nicht die Duelle gegen den Erzrivalen. Lex Bruch

Ob in Mailand – AC gegen Inter –, in Madrid – Real gegen Atletico – oder in Glasgow – Celtic gegen Rangers: Derbys sind weltweit das A und O im Fußball. Jedes sonstige Saisonspiel darf verloren gehen, aber nur nicht die Duelle gegen den Erzrivalen.

Lex Bruch

Die Stadien sind zum Bersten voll, die Anhänger förmlich vom Derby-Fieber gepackt und sie lassen ihren Emotionen mindestens zweimal pro Jahr freien Lauf. Derbys sind Tradition und Faszination zugleich, mancherorts herrscht oftmals Ausnahmezustand. Ganze Städte sind „elektrisiert“, wenn derartige Derbys sämtliche „Fußballnarren“ einer ganzen Region, ja sogar eines ganzen Landes in zwei Fangemeinden spalten.
Und in Luxemburg? Klar, auch das Großherzogtum hat sein(e) Derby(s). In Esch ist es das ewig junge Duell zwischen der „Doyenne“ des Luxemburger Fußballs, Fola Esch, und Rekordmeister Jeunesse Esch.
Diese Duelle sorgten – mit etlichen Pausen aufgrund verschiedener Divisionszugehörigkeit – jeweils zumindest eine ganze Woche lang für den Hauptgesprächsstoff in der Minettemetropole und stellten etwaige sonstige Aktualität buchstäblich in den Schatten.
Schwarzweiß gegen Rotweiß, die Schlachtenbummler beider Farben zogen einst in Scharen Richtung „Grenz“ oder hinauf zum „Gaalgebierg“. Das Escher Derby verkörperte über Jahrzehnte hinweg auch gesellschaftspolitische Gegensätze, die mit zunehmendem Wohlstand im Laufe der Zeit allerdings abflauten.

9. Dezember 1906: Fola

Während man vor allem in England – dem Mutterland des Fußballs – bereits seit Dekaden in namhaften Klubs dem runden Leder eifrig nachjagte, wurde der erste Luxemburger Fußballverein erst anno 1906 aus der Taufe gehoben. Wegbereiter und Initiator war der Englisch-Professor John Roeder, der während seiner Studien auf der Insel den Fußball als gesunden Volkssport entdeckte und viele seiner Schüler für diese neue Sportart zu begeistern wusste. Am 9. Dezember 1906 wurde John Roeder zum ersten Präsidenten des neu gegründeten Vereins Fola – Kurzform von „FOotball and LAwn Tennis Club“ – gewählt und als erste Spielfläche diente ab 1907 ein freier Platz vor dem Clair-Chêne. Später wechselte man zur Spielstätte an der Luxemburger Straße (wo der heutige Cactus steht), um ab dem 10. Mai 1935 ins Stade Municipal Emile Mayrisch überzusiedeln.
Über die Farben des Fola-Dresses gab es anfangs keinen mehrheitlichen Konsens. Schließlich einigte man sich auf die bis heute noch modischen rot-weiß-gestreiften Jerseys. Kragen und Revers waren farblich deutlich betont und somit verlieh der Verein sich von selbst den Beinamen „Manschettenklub“. Neben Schülern und Studenten schöpfte die „Doyenne“ ihre Mitglieder – ob aktiv oder passiv – vornehmlich aus der Geschäftswelt, den Freiberuflern und aus dem Gemeinderat.
Fola feierte ihren ersten offiziellen Auftritt am 17. März 1907 vor etwa tausend Schaulustigen gegen Metis Metz, wobei die Franzosen sich mit 6:2 behaupteten. Obwohl 1906 gegründet, entschloss sich die damalige Vereinsführung erst für die Saison 1914/15 zur Beteiligung an der Meisterschaft.

13. August 1907: Jeunesse

Aufmerksamer und begeisterter Zaungast dieser Partie war Jemp Weber. Regelrecht fasziniert vom Spiel mit der Lederkugel, kam ihm die Idee, ebenfalls einen Verein zu gründen.
Webers leidenschaftliches Vorhaben wurde in die Tat umgesetzt und am 13. August 1907, knapp acht Monate nach der Fola-Gründung, wurde in der Hieler Straße im Café Franck Stadtrivale Jeunesse – die erste Bezeichnung lautete: „Football and Lawntennis Club Jeunesse de la Frontière“ – ins Leben gerufen.
Bezüglich der Vereinsfarben entschied man sich für jene von Juventus Turin, also Schwarz-Weiß, indes Nic Scheiwen zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde. Fola galt jahrzehntelang – für manchen auch heute noch – als der Verein des Mittelstands, der feinen und etwas nobleren Gesellschaft und sah ab 1935 – im Laufe der Jahre zusehends neidischer – vom „Gaalgebierg“ auf das sich im Tal befindende „Stade de la Frontière“ des immer erfolgreicher werdenden Lokalrivalen hinab.
Fast alle damaligen Jeunesse-Spieler stammten aus den Arbeitervierteln „an der Hiel“, den Hüttengesellschaften von der Escher Grenz und den anliegenden Kolonien. Die einstigen sozialen Gegebenheiten begünstigten die Entstehung und das Aufblühen des luxemburgisch-italienischen Grenzer Fußballvereins. Denn nicht wenige italienische Arbeiter wurden zu echten Jeunesse-Stützen, ob als Spieler, Vereinsdirigent oder im sonstigen Umfeld. In der Pionierzeit konnte von einem regelrechten Spielfeld im heutigen Sinne keine Rede sein, als Spielfläche dienten zunächst die Wiesen der Anhöhen des „Katzenberg“ oder „Kazebockel“, denn erst im Mai 1920 wurde das „Stade de la Frontière“ eingeweiht. Fola benutzt noch bis zum heutigen Tage als Untermieter der Escher Gemeinde das Stade Emile Mayrisch; die „Grenz“ war bis in die 1960er Jahre teilweise Vereinseigentum von Jeunesse.
Das erste offizielle Spiel am 18. Januar 1908 gegen Chiers Rodange ging verloren. 1909/10 nahm Jeunesse erstmals an der Meisterschaft teil, doch die Grenzer erlebten anfangs mehr Tiefen als Höhen.

Escher Fußball-Chronik

Am 21. Februar 1915 – also in Kriegszeiten – fand das erste von bislang 92 Escher Meisterschafts-Derbys statt, man trennte sich 2:2. 1916 wurde Jeunesse von einer heftigen Krise heimgesucht, der gesamte Vorstand trat zurück, blieb fast sieben Monate ohne Führung und die Bianconeri stiegen ab.
Festtagsstimmung dagegen im Lager der Rotweißen, denn Fola kam 1917/18 erstmals zu Meisterehren. Auf Regen folgte Sonnenschein, Jeunesse erlebte bessere Tage nach Ende des Ersten Weltkriegs.
Am 16. Juli 1920 wurde der Verein in „Association sportive La Jeunesse d’Esch“ umgetauft. Als im gleichen Jahr nicht nur die letzten Arbeiten am neuen Spielfeld beendet wurden, errangen die Grenzer in der Saison 1920/21 endlich auch ihren heiß ersehnten ersten Meistertitel. Ein Jahr später blieb der Meistertitel zwar in Escher Besitz, wanderte aber zu den Rotweißen, die 1922/23 Pokalsieger wurden und in der Saison 1923/24 für die Sternstunde schlechthin ihrer Vereinsgeschichte sorgten. Die Fola feierte nämlich das bislang einzige Doublé ihres 102-jährigen Bestehens.

Jeunesse – Fola im Zeitraffer

Für die Schwarz-Weißen folgten dagegen wieder etliche magere Jahre. Jene endeten 1930 sogar erneut mit dem Sturz in die Zweitklassigkeit für drei Spielzeiten, indes Fola sich im gleichen Jahr den vierten und bisher letzten Meistertitel schnappte. Drei Jahre kein Derby-Fieber, erst 1933/34 spielten beide Farben wieder gemeinsam in der höchsten Klasse, wobei es Fola dann zum ersten Mal erwischte. Die „Doyenne“ musste eine Stufe tiefer ran, schaffte aber auf Anhieb die Rückkehr zur Elite.
1934/35, ein Jahr nach dem Wiederaufstieg, feierte Jeunesse erstmals den Gewinn der Coupe de Luxembourg. Im Jahr des 30-jährigen Bestehens stellte sich dann der bis dahin größte Erfolg ein: 1936/37 gelang Jeunesse erstmals das Doublé. Nachdem das Flutlicht endlich ausgebessert worden war, fand in jenem Jahr auch erstmals eine „Nocturne“ auf der Grenz statt. 1939 folgte der zweite Fola-Abstieg, ein Jahr später vermochte Jeunesse zum dritten Mal die Klasse nicht zu halten.

Auf und ab

Anschließend warf der Zweite Weltkrieg seine Schatten sowohl auf den Spielbetrieb als auch auf das Interesse am Spiel mit dem runden Leder, das zusehends abflaute. Das Nazi-Regime führte, wie das bereits im Ersten Weltkrieg der Fall war, wieder die Bezirksmeisterschaften ein und taufte Jeunesse kurzerhand in „Schwarz-Weiß 07 Esch/Alzig“ um, während Fola in „Rote Erde Esch/Alzig“ umbenannt wurde.
Unmittelbar nach Kriegsende herrschte eine tolle Stimmung in der „Jeunesse-Familie“, denn bereits 1945/46 gelang den Schwarz-Weißen der sofortige Wiederaufstieg. Überhaupt eine bemerkenswerte Spielzeit, konnte im gleichen Jahr doch auch der dritte Pokalsieg gefeiert werden.
1947/48 dagegen verlief überhaupt nicht nach Plan, es ging für ein Jahr wieder eine Etage runter, um nach einem erfolgreichen Umbruch 1948/49 gleich wieder erstklassig zu werden und bis zum heutigen Tage zu bleiben. Fola wurde 1949/50 zum dritten Mal zurückgestuft. Ein Jahr später doppelte Escher Freude, Jeunesse wurde Meister und Fola rückte als Erster gleich wieder in die oberste Klasse auf.

1. Jeunesse, 2. Fola

So das Bild am Ende der Saison 1953/54. Hätte Fola beide Derbys (2:2 und 4:1 für Jeunesse) gewonnen, wäre der Titel mit einem Punkt Vorsprung auf den „Gaalgebierg“ gewandert. In den meisten direkten Vergleichen hatte ab nun Jeunesse die Nase vorn; die Rot-Weißen mussten die Vorherrschaft in Esch nun wohl oder übel an den Ortsrivalen abtreten. Mit dem dritten Pokalsieg 1954/55 trug sich Fola zum letzten Mal in eine der Ehrentafeln des Luxemburger Fußballs ein.
1957/58 wurden die neuen Divisionsbezeichnungen Nationaldivision und Ehrenpromotion eingeführt und im gleichen Jahr konnte Fola dem Abstieg abermals nicht entrinnen. Mittlerweile diktierte Jeunesse mit drei weiteren Meistertiteln in Serie das Szenario hierzulande und verschaffte sich über die Grenzen hinaus ebenfalls hohes Ansehen durch fantastische und denkwürdige Leistungen im Europapokal. Einen würdigeren Sport-Botschafter hätte man sich für Luxemburg nicht wünschen können. Fola hatte in den Derbys nun fast gar nichts mehr zu bestellen, kassierte nämlich binnen vier Spielzeiten sieben Niederlagen gegen den Stadtrivalen.

Fola: 40 (!) Jahre warten

Von 1963/64 bis 1967/68 wetteiferte Fola in der Ehrenpromotion, doch dies war beileibe nicht die längste Frist ohne Escher Derby im Oberhaus.
Am 17. November 1968 – also sage und schreibe vor fast 40 Jahren – triumphierte Fola übrigens zum letzten Mal in der Punkterunde über die Schwarz-Weißen. Die beiden Treffer zum 2:1-Erfolg erzielten Bernard und Ferreira, indes J.-P. Hoffmann für Jeunesse ins Schwarze traf. Doch auch dieser Erfolg konnte Fola nicht vor dem sechsten Abstieg bewahren und erst im dritten Anlauf glückte die erneute Rückkehr ins Oberhaus.
Jeunesse war inzwischen unumstritten die Nummer eins im Revier. Aus dem Grenzer Verein war im Laufe der Zeit ein Escher Verein geworden. Jener wurde in den folgenden Jahren zusehends ein Verein der gesamten Minette-Gegend. Es wurde zwar inzwischen in der Großregion rekrutiert, aber nach wie vor im Milieu der Industriearbeiter, und dies bis ungefähr Mitte der siebziger Jahre.

Pokalfinale 1972/73

Die Saison 1972/73 stand voll und ganz im Zeichen der beiden Escher Klubs. Nach dem Aufstieg in die Nationaldivision belegte Fola in der Punkterunde den bemerkenswerten vierten Rang. Die Rot-Weißen unterlagen Jeunesse jeweils denkbar knapp mit 1:2. Nachdem der 12. Meistertitel unter Dach und Fach war, lechzten die Schwarz-Weißen ebenfalls nach dem dritten Doublé. Und im Pokalfinale kam es zum absoluten Knüller, nämlich zum Derby gegen Fola. Erst nach Verlängerung setzte sich Jeunesse vor 5.500 Zuschauern dank dreier Treffer von Jempi Hoffmann durch. Abgesehen von einem 0:0 im Abstiegsjahr Nummer sieben besaß Fola in den drei folgenden Spielzeiten sozusagen nie den Hauch einer Chance. Die Grenzer wurden von 1972/73 bis 1976/77 zum Serienmeister und außer zwei Treffen im Pokalwettbewerb (3:1 und 4:0 für Jeunesse) war das Thema Derby für eine ganze Weile vom Tisch. Denn Folas „Verbannung“ in der Ehrenpromotion dauerte 13 Jahre, von 1976 bis 1989. In dieser Zeitspanne kam Jeunesse übrigens noch fünf weitere Male zu Titelehren.

Zweite Fola-Durststrecke

Nachdem der erste Play-off-Austragungsmodus bereits zwei Jahre zuvor in Kraft getreten war, standen sich die Escher Rivalen in der Spielzeit 1989/90 gleich viermal gegenüber: Jeunesse behielt zweimal mit 1:0 die Oberhand und zweimal trennte man sich mit einem Remis. 1990/91 folgte der achte Abstieg der Rot-Weißen und in beiden Derbys behielt Jeunesse jeweils die Nase vorn. Nach nur einer Saison meldete sich Fola wieder zurück.
Jeunesse hatte zwar seit einigen Jahren die Vormachtstellung in der Meisterschaft an Union bzw. Beggen abtreten müssen, doch die „Escher Stadtmeisterschaft“ wurde nach wie vor eine klare Beute der Schwarz-Weißen.
In der Spielzeit 1993/94 standen sich beide Teams zum letzten Mal in der Punkterunde gegenüber. Auf der Grenz kam Fola zu einem achtbaren 0:0, musste sich im Rückspiel allerdings mit 0:1 beugen und mit dem neunten Abstieg begann zugleich der längste Leidensweg.
Der Aufstieg in der letzten Saison beendete eine Durststrecke von 14 Jahren ohne Meisterschafts-Derby Jeunesse – Fola. In jener Periode verbuchte Jeunesse ihrerseits immerhin noch sechs Meistertitel, fünf davon sogar in Folge, nämlich von 1994/95 bis 1998/99.
Das Palmarès deckt die Machtverhältnisse in Esch deutlich auf, Jeunesse wurde 27x Meister und 12x Pokalsieger. Fola trug ihren Namen viermal in die Meister- und dreimal in die Pokalsieger-Ehrentafel ein.

Bis Samstag wird das Tageblatt Sie täglich auf das Escher Derby einstimmen