Fußball / Nach Robert Enkes Freitod: Trauer und Bestürzung

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Trauer, Verzweiflung, Fassungslosigkeit und die immer wiederkehrende Frage nach dem „Warum“.

24 Stunden nach dem schrecklichen Freitod des deutschen Nationalkeepers Robert Enke formierten sich in Hannover Tausende Fans mit Tränen in den Augen zu einem Trauermarsch für Robert Enke, der in seinen Grundfesten erschütterte Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagte das Länderspiel am Samstag gegen Chile ab, und Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte ihr tiefes Mitgefühl mit einem persönlichen Brief an die mutige Witwe Teresa Enke. Ihr bemerkenswerter Auftritt nur 19 Stunden nach dem Selbstmord ihres Mannes trieb nicht nur DFB-Präsident Theo Zwanziger die Tränen in die Augen. „Ich möchte meinen höchsten Respekt und meine höchste Wertschätzung für die liebenswerte Frau Enke zum Ausdruck bringen. Es muss übermenschliche Kraft gekostet haben, noch nicht einmal 24 Stunden nach dem schrecklichen Tod ihres Mannes an die Öffentlichkeit zu treten. Ich denke, sie wollte eine Botschaft übermitteln“, sagte Zwanziger.
Die trotz zittriger Stimme unheimlich stark wirkende Teresa Enke berichtete in einer bewegenden Pressekonferenz gemeinsam mit Arzt Dr. Valentin Markser vor rund 200 Medienvertretern detailliert über die schweren Depressionen ihres Mannes in den vergangenen fünf Jahren. Hinweise, die auf den tragischen Selbstmord hätten hindeuten können, habe es aber keine gegeben. „Ich habe stets versucht, ihm Perspektive und Hoffnung zu geben. Ich habe geglaubt, mit Liebe können wir das durchstehen. Ich war auch in den letzten Trainingseinheiten stets bei ihm“, sagte Teresa Enke. Daneben habe der Fußball ihrem Mann immer wieder Kraft gegeben: „Der Fußball war sein Lebenselixier.“
Den Schritt in die Öffentlichkeit habe Enke aus Angst vor möglichen Konsequenzen gescheut. „Er fürchtete, man könnte uns unsere Adoptivtochter Leila wegnehmen, wenn bekannt würde, dass er depressive Phasen hat“, sagte Teresa Enke. Das Paar hatte im Mai ein Kind adoptiert, nachdem die leibliche Tochter Lara 2006 im Alter von zwei Jahren aufgrund eines angeborenen Herzfehlers verstorben war.
Am Tag nach Enkes tragischem Tod beschrieb der Arzt Markser den Krankheitsverlauf des Torwarts. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hatte Enke in den vergangenen Jahren immer wieder betreut. Das sportliche Umfeld des Keepers hatte dagegen bis zuletzt keine Ahnung von der Krankheit. „Er war 2003 während seiner Zeit in Barcelona erstmals bei mir in Behandlung. Vor sechs Wochen kam er zu mir, weil er spätestens seit dem Sommer wieder in eine Krise geraten war, die eine Trainingsunterbrechung nach sich zog“, erklärte Markser.
In seinem Abschiedsbrief habe sich Enke dafür entschuldigt, dass er sein Umfeld und seine Ärzte über seinen wahren Seelenzustand bewusst getäuscht habe, um den Selbstmord unbemerkt vorzubereiten. Einen stationären Aufenthalt zur Behandlung seiner Krankheit habe Enke stets abgelehnt, erklärte Markser: „Noch am Tag seines Todes hat er einen entsprechenden Termin abgesagt.“
Mit einer Trauerandacht gedachten gestern Abend Fans und Vertreter des deutschen Fußballs Robert Enke. Zu einer bewegenden Szene in der rund halbstündigen Andacht kam es, als Robert Enkes Witwe Teresa sekundenlang in den Armen von Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack verweilte. Eine ruhige Atmosphäre in der mit rund 1.000 Menschen überfüllten Kirche bildete den würdigen Rahmen für die beiden
Trauernden. 

Stichwort: Depressionen 

Depressionen zählen zu den häufigsten Gründen für Berufsunfähigkeit in Europa.
Die Störung verläuft dabei in der Regel in mehr oder weniger ausgeprägten Schüben. Betroffene müssen im Schnitt mit vier depressiven Phasen im Leben rechnen, die sowohl schleichend als auch ganz plötzlich beginnen können. Manisch-Depressive, bei denen sich übermäßig gehobene Stimmung und tiefe Niedergeschlagenheit abwechseln, erleben mehr und kürzere Phasen. Deren Abstände schrumpfen zudem, je länger die Störung anhält.
Die Ursachen der Depressionen sind vielfältig und bleiben bei vielen Patienten unbekannt. Auslöser kann ein Schicksalsschlag sein. Es gibt aber auch Depressionen, die von einem ungelösten, frühkindlichen Konflikt herrühren. Als „Erschöpfungsdepression“ gilt das Leiden, wenn die Depression von anhaltender psychischer Überlastung herrührt. Bei der „endogenen Depression“ vermuten die Mediziner eine erbliche Komponente. Auch organische Krankheiten können Depressionen auslösen. Insbesondere können Störungen des Botenstoffwechsels im Gehirn zu Depressionen führen.
Der Depressive hat anhaltende gedrückte und traurige Stimmung, wobei die Symptome am Morgen oft schlimmer sind als abends. Die Patienten ziehen sich zurück und verlieren das Interesse an gesellschaftlichen Kontakten und an vielen anderen Dingen des Lebens. Oft kommen Angst und unbegründete Schuldgefühle hinzu sowie das Gefühl völliger Wertlosigkeit.
Depressionen sind die Hauptursache für Selbstmorde.
Mit modernen Psychopharmaka und Psychotherapie kann den Erkrankten oft geholfen werden.