Fußball / Blick auf die Insel: Schreckgespenster

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Trotzreaktionen abstiegsgefährdeter Teams und Ernüchterung in Liverpool kennzeichneten das letzte Wochenende in England. Nebenbei holte sich Manchester United den Carling Cup und sieht am Horizont das Schreckgespenst Mourinho über Old Trafford aufziehen. Marc Schonckert

Trotzreaktionen abstiegsgefährdeter Teams und Ernüchterung in Liverpool kennzeichneten das letzte Wochenende in England. Nebenbei holte sich Manchester United den Carling Cup und sieht am Horizont das Schreckgespenst Mourinho über Old Trafford aufziehen.

Marc Schonckert

Mit dem Erfolgserlebnis eines Sieges in Madrid kam eine müde und dann auch noch glücklose Liverpooler Mannschaft nach Middlesbrough, wo man sich mit aller Macht gegen den Abstieg wehrte. Das ist verständlich, denn niemand möchte freiwillig seinen Platz in der Premier League räumen – außer West Bromwich Albion vielleicht –, und das musste jetzt auch Liverpool erfahren.
Abstieg, das bedeutet Prestige- und vor allem Gehaltsverlust, es ist gleichbedeutend mit sozialem Abstieg und Verzicht zahlreicher Privilegien im englischen Alltag, und davor haben die meisten Profis mindestens so viel Angst wie vor der Suche nach einer Privatschule für ihre Kinder. Die Nachbarn parken ungeniert vor der Garageneinfahrt und die Frau oder Freundin wird angemacht, wenn sie frühmorgens beim Bäcker Schlange steht, was sie früher nie machen musste.

„Blick auf die Insel“ heißt die neue Tageblatt-Rubrik von Premier-League-Kenner Marc Schonckert, die wöchentlich die Geschehnisse rund um den englischen Fußball beleuchtet. 

ENGLAND

28. Spieltag, heute:
FC Portsmouth – FC Chelsea
West Bromwich – FC Arsenal
FC Liverpool – AFC Sunderland

Morgen:
Stoke City – Bolton Wanderers
Wigan Athletic – West Ham
Manchester City – Aston Villa
Newcastle – Manchester United
Tottenham – Middlesbrough
Blackburn Rovers – FC Everton
FC Fulham – Hull City

Dann heißt es hämisch: „Na, dann ist es jetzt wohl vorbei mit Urlaub in Jumeirah Beach oder Barbados, was?“ – „Na ja, Hauptsache Spanien, nicht wahr, und Palma soll ja sehr preiswert sein.“ – „Dann spielt Ihr Mann jetzt gegen Plymouth oder Doncaster, was? Ich habe gehört, auch Coventry oder Swansea sollen sehr hübsche Städte sein. Ich wollte mal nach Coventry, aber dann kam der Falkland-Krieg und mein Mann und ich blieben brav zu Hause.“
Solche Aussagen kriegt man bei West Bromwich Albion in Birmingham nicht zu hören, denn hier gehört der Abstieg zum zweijährlichen Ritual. Die Spieler sind zurzeit voll im Soll, steuern hartnäckig auf Abstiegskurs und freuen sich auf den Aufstieg im darauffolgenden Jahr. „Was für eine Jahreszahl haben wir gerade?“ – „Wir sind 2009.“ – „Das ist eine Abstiegszahl. Gerade Jahreszahlen stehen für Aufstieg.“ So ist das bei West Brom, wo einst ein Bryan Robson spielte und ein Ron Atkinson Manager war.

Mourinhos Geist

Ein Schreckgespenst lauert auch über Old Trafford. Es heißt José Mourinho, und wenn der Name fällt, freuen sich Wenger, Benitez und jetzt wohl auch Hiddink, denn das bedeutet, dass sie zumindest für die kommenden Tage dem Schussfeld der psychologischen Kriegsführung von United-Manager Ferguson entrücken. Denn der erinnert sich an vergeigte Heimspiele gegen Real Madrid oder Porto in der Champions League vor einigen Jahren, die Presse begleitet ihn dabei und zeichnet genüsslich das Schreckgespenst eines Tores von Inter beim Rückspiel am 11. März, die vergebliche Mühe eines verzweifelten Sturmlaufs von United und das Unheil eines weiteren Gegentores.
Sir Alex gibt es nicht zu, aber er malt sich jetzt schon in Gedanken das Grinsen von Mourinho aus, jenem Mourinho, der einst in Barcelona unter Bobby Robson sein Handwerk lernte und später bei Chelsea so agierte, als hätte er sein taktisches Geschick bei Capello und die Feinheiten der psychologischen Kriegsführung bei Ferguson selbst erlernt.
Zu allem Überfluss wird United-Kapitän Rio Ferdinand zitiert, der Mourinho als einen fähigen Ferguson-Nachfolger ansieht. Er soll bloß aufpassen, dass Ferguson nicht gleich nach einem Nachfolger für ihn selbst sucht. Spieler wie Jaap Stam wurden schon wegen viel harmloserer Aussagen von Sir Alex abgeschoben.

Ungeliebter Cup

Eine erste nationale Trophäe hat Manchester United gewonnen, den Carling Cup. Dieser Liga-Pokal, ausschließlich den Vereinen der drei oberen Ligen vorbehalten, ist ein Pokal, über den sich alle Manager ärgern, weil er eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon überfüllten Spielkalender darstellt. Andererseits setzen die meisten Top-Vereine ihre Nachwuchsspieler in diesem Wettbewerb ein. Deswegen fanden sich in der Vergangenheit Vereine wie Leicester, Middlesbrough, Oxford, Birmingham City, Luton Town oder gar die Tranmere Rovers im Finale wieder. Die mussten dann ihren Spielern erst einmal beibringen, wie man eine Krawatte bindet, wie man der Herzogin von Kent vornehm die Hand reicht und warum man beim Abspielen der Hymne nicht in der Nase bohren darf.