/ Erneutes Duell Gilbert-Rodriguez?
„On prend les mêmes sauf Cunego, Sagan et Evans, on élimine Voeckler et on y rajoute quelques Colombiens“. So oder ähnlich könnte in französischer Fassung die Schlagzeile zur 76. Auflage der Flèche Wallonne lauten, die heute zwischen Charleroi und Huy ausgetragen wird.
In der Tat sind bei der ersten Revanche zum Amstel Gold Race (die zweite – Liège-Bastogne-Liège – folgt am Sonntag) mehrere prominente Fahrer abwesend. Das Europcar-Team von Thomas Voeckler wurde erst gar nicht eingeladen. An dessen Stelle darf die kolumbianische Mannschaft Coldeportes die „Flèche“ mitfahren. Bei Lampre ist Damiano Cunego nicht dabei. Der „kleine Prinz aus Verona“ bereitet die „Doyenne“ in der Trentino-Rundfahrt vor. Liquigas ersetzte gestern Nachmittag Peter Sagan durch den jungen hoffnungsvollen Moreno Moser, und im BMC-Team fehlt der erkrankte Tour-de-France-Sieger von 2011, Cadel Evans (siehe „T“ von gestern).BMC-Manager John Lelangue: „Wir haben dennoch ein gutes Aufgebot rund um Vorjahressieger Philippe Gilbert und Greg Van Avermaet. Evans’ Hauptziel ist und bleibt (wie übrigens auch für Andy Schleck) die Tour de France.“
Alle gegen Gilbert
Für BMC ändert sich nicht viel, umso mehr da das Team weiß, wo es bei der „Flèche“ langgeht. Als der spätere Sieger Philippe Gilbert letztes Jahr rund 300 m vor dem Ziel in der „Mur de Huy“ zum Angriff ansetzte, hielten fast alle diesen Vorstoß nicht nur für verfrüht, sondern auch für verrückt. „Mais qu’est-ce qu’il fait donc?“, schrie RTBF-Kommentator Rodrigo Beenkens ins Mikrofon: „Est-il devenu fou?“
In der Tat schien Gilbert eine Art Sakrileg zu begehen, etwas Verbotenes, das man auf diese Art in der berüchtigten Mauer nicht tun darf. Bis vor zwölf Monaten war es so, dass die Favoriten, die oben aufs Podium steigen wollten, gefälligst zu warten hatten, bis sie zum entscheidenden Angriff ansetzen durften.
Durch Gilberts unverhoffte Attacke wurden die schärfsten Konkurrenten nicht nur überrascht, sondern ihnen ging bei der Verfolgung regelrecht die Luft aus. Als Erster versuchte Joaquin Rodriguez, das Blatt doch noch zu wenden. Nach 200 km in der ungewohnten April-Hitze fehlte ihm allerdings die Spritzigkeit, um dem Belgier gefährlich zu werden. Dieser konnte genau so überlegen und triumphierend ins Ziel fahren wie weiland Kim Kirchen bei seinem Erfolg von 2008.
Neben Gilbert müsste der Topfavorit heute erneut Rodriguez heißen. Der kleine Spanier, der am 12. Mai 33 Jahre alt wird, ist ein Spezialist der Ardennen-Klassiker und beendete alle drei Rennen (L-B-L 2008, Flèche 2010, Amstel 2011) schon auf dem 2. Platz. Zu einem Sieg aber hat es bislang nicht gereicht.
Am Sonntag beim Amstel lieferte Rodriguez allerdings eine total verpatzte Generalprobe ab. (24. auf 0:22). Zwei Ränge vor ihm überquerte Alejandro Valverde den Strich. Auch er sinnt heute auf Revanche.
Frank Schleck RNT-Leader
Und die Luxemburger? Frank Schleck (RadioShack-Nissan) startet als Team-Leader, sein Bruder Andy dagegen ist vor allem darauf aus, seine Form im Hinblick auf L-B-L zu steigern. Laurent Didier steht den beiden als Helfer zur Seite, während Ben Gastauer (Ag2r) für Rinaldo Nocentini und Christophe Péraud arbeiten muss.
Bei der „Flèche“ war Frank Schleck letztes Jahr mit einem 7. Platz unser bester Vertreter. Er machte es damit genau so gut wie 2007 (ebenfalls 7.), kam aber nicht an seine bisher beste Leistung aus dem Jahr 2006 (Rang 4) heran. Andy Schleck (Platz 44 auf 0:49) ging vor 12 Monaten in der entscheidenden Phase nicht mehr voll aus sich heraus.
Der Jüngere der Gebrüder Schleck aber stand vor drei Jahren in Huy auf dem Treppchen. Andy, der nur vom später gesperrten Davide Rebellin geschlagen wurde, verhielt sich äußerst klug im Anstieg und geriet nicht in Panik, als David Lelay (F) dem Sieg entgegenzufahren schien. Ein Jahr später (2010) klassierte sich Andy (9. Rang) ein zweites Mal in den Top 10.
Die „Mur de Huy“ ist verdammt lang. Der letzte von drei „Mauer“-Anstiegen wird diesmal unter anderen Bedingungen in Angriff genommen. Also nicht mehr wie bisher mit der „Côte d’Ereffe“ als vorletzte Schwierigkeit, sondern mit der „Côte de Villers-le-Bouillet. Vom Scheitel dieses „Bergs“ bis ins Ziel oben auf der „Mauer“ verbleiben nur mehr 8,5 km. Kurz zuvor müssen die Konkurrenten noch über die „Côte d’Amay“, so dass auf den letzten 15 km gleich drei Anstiege anstehen. Die „Mur de Huy“ selbst hat eine Länge von 1,3 km und eine durchschnittliche Steigung von 9,3 Prozent.
Immer wieder hofft man, dass nicht wie meistens bei der „Flèche“ 50 Fahrer unten in Huy in den Schlussanstieg drängeln. Wer das Risiko nicht scheut und das Feld schon früher sprengt, kann vielleicht alle Trümpfe in die Hand bekommen, um den Favoriten ein Schnippchen zu schlagen.
Kim Andersen, der Sieger von 1984 und heutige RNT-Sportdirektor, weiß, wie man es macht!
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