Doping„Ein juristisch gutes Urteil“: Marc Theisen analysiert das CAS-Urteil im Fall Russland 

Doping / „Ein juristisch gutes Urteil“: Marc Theisen analysiert das CAS-Urteil im Fall Russland 
Russland wird bei Olympia 2021 und 2022 nur durch neutrale Athleten vertreten sein Foto: AFP/Kirill Kudryavtsev

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Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat entschieden: Russland wird wegen des Dopingskandals für zwei Jahre gesperrt. Der Sportnation bleibt von weltweiten Großereignissen ausgeschlossen. Für Marc Theisen ist es vom juristischen Standpunkt ein gutes Urteil. Es zeige aber auch die Schwächen der Welt-Anti-Doping-Agentur.

Marc Theisen hatte die 186 Seiten des Urteils zwar noch nicht ganz im Detail durchgelesen, als das Tageblatt ihn kontaktierte, dennoch konnte er eine erste Einschätzung geben. „Vom juristischen Standpunkt ist es ein gutes Urteil, weil es elementare Rechtsprinzipien wahrt“, so Theisen, der in dem Prozess die europäischen Olympischen Komitees vertrat.

Marc Theisen
Marc Theisen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Es war ein Prozess von sporthistorischem Charakter. Russland wird in den kommenden zwei Jahren von den großen Bühnen des Weltsports ausgeschlossen. Der Internationale Sportgerichtshof CAS halbierte gestern in einer wegweisenden Entscheidung die im Dezember 2019 durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ausgesprochene Sperre von vier Jahren.

Dennoch darf Russland als Nation nicht an den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio 2021 (Sommer) und Peking 2022 (Winter) teilnehmen. Zudem ist der Sport-Großmacht bis zum 16. Dezember 2022 auch kein Start unter russischer Flagge und mit russischer Hymne bei Weltmeisterschaften wie der Fußball-WM 2022 in Katar erlaubt, deren Finale allerdings zwei Tage nach Ablauf der Sanktionen angesetzt ist.

Dem Prozess war der wohl größte Dopingskandal der Geschichte vorausgegangen. Eine ARD-Dokumentation deckte bereits Ende 2014 das Staatsdoping in Russland auf. Generell bestätigte der CAS aber die Anschuldigungen gegen Russland. Dem Land war vorgeworfen worden, alleine 15.000 Dateien aus dem Kontrolllabor gelöscht und mindestens 145 Athleten dadurch geschützt zu haben. Ziel sei es gewesen, das Ausmaß des Skandals zu vertuschen und individuelle Strafen gegen einzelne Sportler zu verhindern. Experten gehen davon aus, dass insgesamt rund 1.000 Athleten in das Dopingsystem involviert waren.

Im Sinne der sauberen Athleten

Für Theisen ist es ein Urteil, das im Sinne der sauberen Sportler ist. „Man kann darüber streiten, ob die Sperre zwei oder vier Jahre hätte betragen sollen. Vier Jahre sind aber eine lange Zeit und damit hätte man viele unschuldige Sportler bestraft.“

Russische Sportler werden nicht per se verbannt. Sie dürfen unter bestimmten Bedingungen als „neutrale Athleten“ an den großen Wettbewerben teilnehmen. So darf zwar die russische Flagge nicht gezeigt und die russische Hymne nicht gespielt werden, allerdings gibt es Zugeständnisse. Der Name „Russland“ darf auf der Ausrüstung erscheinen, wenn auch nur mit dem Zusatz „neutraler Athlet“. Zudem darf beispielsweise die Teamkleidung die Nationalfarben Russlands enthalten.

Hausaufgaben für die WADA

Theisen bevorzugt es, einen schuldigen Sportler davonkommen zu lassen, statt einen unschuldigen zu bestrafen. Die Vereinigung der Europäischen Olympischen Komitees (EOC), die Theisen vor dem CAS vertrat, können mit dem Urteil leben. „Uns war es wichtig, dass zwischen schuldigen und unschuldigen Athleten unterschieden wird und es nicht einfach zu einer Kollektivstrafe kommt, die alle gleich hart trifft. Für die EOC ging es dabei natürlich auch um die European Games, bei denen Russland eine wichtige Rolle spielt und an denen sie auch weiterhin teilnehmen dürfen.

Theisen, der viele CAS-Urteile analysiert hat, liest in diesem Fall keine politische Einflussnahme heraus. „Es gab Urteile, in denen das anders war. Wo man herauslesen konnte, dass eine politische Motivation mitspielte.“
Eine weitere Schlussfolgerung aus dem Urteil sieht Theisen bei der WADA. „Der Prozess hat klar aufgezeigt, dass die WADA nicht über die nötigen Mittel verfügt, um effizient gegen staatlich organisiertes Doping vorzugehen.“ Man müsse unbedingt eine Grundlage schaffen, um sich mehr Mittel zu geben. Der Russland-Skandal habe zwar bereits zu Veränderungen geführt, aber das reiche nicht aus. Potenzial sieht Theisen vor allem beim Welt-Anti-Doping-Code, dem internationalen Regelwerk der Dopingbekämpfung. Dieser wird im kommenden Jahr zwar aktualisiert, „was zu begrüßen ist, aber wirklich an die Grundfesten geht diese Aktualisierung nicht“, so Theisen, der, wenn er seine Stunden zusammenzählt, wohl zwei volle Monate Arbeit in die Vorbereitung dieses Prozesses steckte.