Luxemburgs Gegner SerbienDragan Stojković bringt Serbien trotz Führungskrise auf Touren

Luxemburgs Gegner Serbien / Dragan Stojković bringt Serbien trotz Führungskrise auf Touren
Die Luxemburger müssen sich auf harte Duelle mit den Serben gefasst machen Foto: Editpress/Gerry Schmit

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Vor fast 22 Monaten, am 17. November 2019 beim 2:2 gegen die Ukraine in der EM-Qualifikation, spielte die Nationalmannschaft Serbiens im Rajko-Mitić-Stadion das letzte Mal ein Match mit Publikum. Nun ist es wieder so weit. Obwohl die Covid-Zahlen in Serbien in den letzten Tagen wieder deutlich angestiegen sind, gibt es für das Spiel gegen Luxemburg die Erlaubnis für eine Auslastung von 50 Prozent des Fassungsvermögens (55.000) des Belgrader „Marakana“. Theoretisch könnten demnach Tadić, Mitrović und Co. mit dem lautstarken Rückhalt von mehr als 27.000 Fans rechnen. Ob es so sein wird, ist jedoch fraglich.

Die traurige Realität für die „Orlovi“ (Die Adler – der Spitzname des Nationalteams) ist, dass sich das Interesse für die Nationalmannschaft in den letzten Jahren in Grenzen hält. So kamen zum eingangs erwähnten Spiel gegen die Ukraine, als Serbien noch eine kleine theoretische Chance hatte, sich für die EURO 2020 direkt zu qualifizieren, nur 4.500 Zuschauer. Über solch eine triste Kulisse und halbherzige Unterstützung sind die Spieler verständlicherweise nicht glücklich, aber Stellungnahmen dazu gibt es von ihnen freilich keine. Man will nicht den gleichen Fehler machen wie vor mehreren Jahren Aleksandar Kolarov, der zu diesem Thema kein Blatt vor dem Mund nahm, als er sagte: „Ich bin schon lange dabei, aber wir hatten nie eine maximale Unterstützung“ – woraufhin er und seine Mitspieler in den sozialen Medien dann erst recht mit Kritik und Spott bombardiert wurden.

Nicht einmal, als man sich als Gruppensieger für die WM in Russland qualifiziert hatte, wollte Euphorie aufkommen. Nach einem 1:0-Sieg gegen Georgien waren, damals im Herbst 2017, die Jubelszenen auf den Belgrader Straßen so überschaubar, dass der Fußballverband kurzerhand die vorher eingeplante Open-Top-Bus-Tour absagte, denn es wäre ja peinlich gewesen, die Mannschaft auf einen Bus zu setzen, der dann durch leere Straßen fährt.

Die Gründe für das schwache Interesse sind nicht nur die enttäuschenden Leistungen und Resultate in den letzten Jahren, sondern auch die Unzufriedenheit mit dem Zustand im serbischen Fussballbund (FSS). Vor allem wegen des Einflusses des aktuellen Regimes, der Partei SNS, die das Land praktisch im Alleingang regiert und es sich nicht nehmen ließ, auch im Fußball eine führende Rolle zu spielen. FSS-Präsident Slaviša Kokeza, ein ehemaliger enger Verbündeter von Staatschef Aleksandar Vučić, war im März dieses Jahres gezwungen, sein Amt niederzulegen, nachdem der Verdacht aufgekommen war, er hätte Verbindungen zu kriminellen Gruppen.

Nach einem peinlichen Machtkampf um seine Nachfolge gelang es schließlich, diese Krise mit einer zwischenzeitlichen Lösung zu beenden. Bis zu den Wahlen, die bis Ende des Jahres durchgeführt werden sollen, ist Nenad Bjeković (73), ein ehemaliger Spieler und später erfolgreicher Funktionär bei Partizan Belgrad, als Vizepräsident an der FSS-Spitze, während sein Kontrahent Marko Pantelić (ex-Stürmer bei Roter Stern, Hertha BSC Berlin und Ajax) sich zurückgezogen hat.

Von solchen Turbulenzen haben die Leute – im Fan-Jargon ausgedrückt – die Schnauze voll, und sicherlich sind auch die Spieler des Nationalteams nicht glücklich darüber. Zweifelsohne spielen sie gerne für Serbien und wollen natürlich Spiele gewinnen, jedoch ist es nicht auszuschließen, dass der Frust über solche Zustände im Unterbewusstsein eine Rolle spielt, weshalb man nicht immer die volle Leistung und Motivation abrufen kann. So auch beim entscheidenden Nations-League-Play-off-Spiel für die EM 2020, als Serbien in Belgrad gegen Schottland eine miserable Leistung bot und nach einem 1:1 nach Verlängerung im Elfmeter-Schießen ausschied. Es folgte der obligate Trainerwechsel, Ljubiša Tumbaković verkündete seinen Rücktritt und wurde durch Dragan Stojković ersetzt.

Dem ehemaligen Weltklassespieler scheint es bislang gelungen zu sein, frischen Wind, Optimismus und Selbstvertrauen in die Mannschaft zu bringen. Jedenfalls verzeichnete Serbien, mit sieben Punkten aus den ersten drei Spielen, einen erfolgreichen Start in die aktuelle WM-Qualifikation. Zwar hatten die Serben beim 2:2 gegen Portugal Glück, dass es bei diesem Spiel weder Goal-Line Technology noch VAR gab, da der Ball nach Cristiano Ronaldos Schuss in der Schlussphase klar hinter der Linie war, dies jedoch vom Schiedsrichter und seinem Assistenten übersehen wurde, aber die Aufholjagd Serbiens in der zweiten Halbzeit, nach einem 0:2-Rückstand, war eindrucksvoll.

Auch beim 4:0-ieg am Mittwoch gegen Katar konnte man sehen, dass Serbien unter der Führung von Dragan Stojković immer besser in Fahrt kommt. Obwohl es keine Generalprobe für das Spiel gegen Luxemburg war, da mehrere wichtige Spieler gar nicht zum Einsatz kamen (Dušan Tadić, Aleksandar Mitrović, Filip Kostić, Sergej Milinković-Savić, Stefan Mitrović …), boten die Serben spielerisch und mit viel Laufbereitschaft eine Top-Leistung und hätten auch viel höher gewinnen können.

Nach dem Match im ungarischen Debrecen, wo Katar die Heimmannschaft war, wurde Stojković in einem TV-Interview gefragt, ob er seinen Spielern gesagt habe, sie sollten nicht allzu viel über die zwei späten Ronaldo-Tore nachdenken (bei Portugals 2:1-Sieg gegen Irland). Es gab eine für Stojkovic typische Antwort, voller Selbstvertrauen, fast an Arroganz grenzend: „Ich habe jetzt gerade davon gehört. Es interessiert mich absolut nicht. Wir werden nach Lissabon fahren, um dort zu gewinnen. Die anderen Mannschaften interessieren mich absolut nicht. Mich interessiert nur Serbien.“

Vor der Abreise zum Match gegen Katar wurde Stojković natürlich auch über die Erwartungen vor den zwei bevorstehenden WM-Qualifikationsspielen gegen Luxemburg und Irland befragt. „Es freut mich, dass wir endlich wieder mit Publikum spielen werden. Wir können es kaum erwarten, vor vollen Tribünen zu spielen bzw. vor den erlaubten 50 Prozent der Kapazität des Stadions. Wir werden definitiv unser Maximum geben, um in einer ausgezeichneten Partie gegen Luxemburg zu gewinnen und drei wichtige Zähler zu holen. So wie immer. Wir geben nie auf, weil wir immer an uns glauben.“ 

Um dem Nationalteam eine gute Atmosphäre zu gewährleisten, hat Serbiens Fußballbund für das Match gegen Luxemburg äußerst günstige Ticketpreise angeboten (von 300 bis 1.000 Dinar, umgerechnet ca. 2,50 bis 8,50 Euro), und außerdem noch eine Aktion gestartet mit Gratis-Tickets für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren aus Fußballschulen und Vereinen. Wenn die Rechnung aufgeht, könnte es am Samstag im Rajko-Mitić-Stadion eventuell doch die ersehnte lautstarke Unterstützung für das Nationalteam geben.