Whistleblower im Anti-Doping-Kampf: 2019 wird der biologische Pass in Luxemburg eingeführt

Whistleblower im Anti-Doping-Kampf: 2019 wird der biologische Pass in Luxemburg eingeführt

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

2019 wird die luxemburgische Anti-Doping-Agentur den biologischen Pass einführen. Eine Maßnahme, die seit 2009 im Anti-Doping-Kampf genutzt wird und als großer Durchbruch gefeiert wurde. Die Auswertung einiger Blutparameter soll auf Doping hinweisen. Ein Allheilmittel ist der Blutpass aber nicht.

Es ist der 16. Februar 2018, kurz vor 20 Uhr im Gangneung Oval im südkoreanischen Pyeongchang. In wenigen Augenblicken beginnt das olympische 5.000-m-Rennen im Eisschnelllauf der Damen. Die 45-jährige Claudia Pechstein hat ein großes Ziel, sie will ihre zehnte olympische Medaille. Ihre erste gewann sie über die gleiche Distanz, das war 1992 in Albertville. Doch auch mit 45 ist der Siegeswille der in Ost-Berlin geborenen Athletin ungebrochen, was wohl nicht zuletzt an ihrer Dopingsperre von 2009 liegt. Pechstein hatte nicht etwa eine positive Urinprobe abgegeben, nein, bei Blutproben lag ihr Retikulozyten-Anteil über dem von der internationalen Eislaufunion festgelegten Höchstwert. Der hohe Wert an jungen roten Blutkörperchen ist ein Indiz für den Gebrauch des Dopingmittels Erythropoetin, kurz EPO.

Beispiel eines biologischen Passes: in Rot die individuell errechneten Grenzwerte der verschiedenen Blutparameter, in Blau die Werte des Athleten nach verschiedenen Blutproben. Überschreitet die blaue Linie die Grenzwerte, ist das ein Indiz für Doping.

Pechstein wurde Doping nicht direkt nachgewiesen, sie wurde dennoch aufgrund der schwankenden Blutwerte gesperrt. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, der bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Der Fall Pechstein brachte die Sportgerichtsbarkeit ins Wanken. Ihre Sperre musste sie dennoch absitzen und verpasste somit die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver. Mittlerweile haben führende Hämatologen allerdings eine vererbte Anomalie als Grund für die schwankenden Blutwerte bei Pechstein ausgemacht.

Standardisierung des Anti-Doping-Kampfes

Pechstein ist die einzige Sportlerin, die aufgrund eines einzigen isolierten Blutwertes gesperrt wurde. Denn nur wenige Monate nachdem ihre Sperre bekannt wurde, hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) am 1. Dezember 2009 Richtlinien für den indirekten Blutdoping-Nachweis veröffentlicht. Im „Athlete biological passport“ werden mehrere Werte berücksichtigt, um einen zuverlässigen Hinweis zu bekommen, ob ein Sportler gedopt hat oder nicht. Für den biologischen Pass eines Athleten, auch Blutpass genannt, benötigen Experten mindestens vier Blutproben, die sowohl nach einem Wettkampf wie auch während der Trainingsphasen („out of competition testing“) genommen werden, um ein Blutprofil zu erstellen. Spätere Abweichungen können dann auf Doping schließen lassen.

Die WADA ist momentan darum bemüht, den weltweiten Anti-Doping-Kampf zu standardisieren. So muss ab 2019 auch die luxemburgische Anti-Doping-Agentur ALAD den biologischen Pass einführen. „In einer ersten Phase werden dafür höchstens eine Handvoll Sportler infrage kommen“, sagt Dr. Anik Sax, Generalsekretärin der ALAD. Ohnehin gibt es bereits einige Sportler in Luxemburg, wie zum Beispiel die Radprofis, die über ihren internationalen Verband einen biologischen Pass haben. Einen Blutpass zu erstellen, ist weder sonderlich spektakulär noch wirklich kompliziert. „Es werden Parameter im Labor analysiert, die auch bei einer herkömmlichen Blutprobe analysiert werden“, erklärt Sax. Dazu zählen unter anderem der Hämatokrit-, der Hämoglobinwert oder eben der Prozentsatz an Retikulozyten.

Komplizierte Auswertung

Kompliziert wird es erst bei der Auswertung. Hier werden sämtliche Blutparameter einbezogen. Damit aber nicht genug, auch andere Gegebenheiten müssen berücksichtigt werden. Hat sich ein Sportler zum Beispiel kurz vor der Blutabnahme in den Bergen aufgehalten, verändert das ebenfalls die Werte. Aus diesem Grund werden die Kandidaten für einen biologischen Pass auch in Luxemburg Sportler sein, die bereits das ADAMS (Anti-Doping Administration and Management System) der WADA benutzen. Dort müssen Sportler unter anderem ihren Aufenthaltsort angeben. Weltweit gibt es nur wenige Experten, die biologische Pässe auswerten können. Aus diesem Grund hat sich die ALAD das Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln als Partner ausgesucht.

„Wir arbeiten bereits seit Jahren mit Köln zusammen. Dort wird auch ein Großteil der Dopingproben analysiert, die wir bei den Sportlern durchführen. Für ein kleines Land wie Luxemburg hat es weder Sinn, ein Dopinglabor zu betreiben noch eigene Experten für die Auswertung von biologischen Pässen zu beschäftigen“, so Sax. Außerdem verwaltet Köln bereits den Steroid-Pass für die ALAD. Beim Steroid-Pass wird aufgrund von Urinproben ein Steroid-Profil der Sportler erstellt. Gibt es größere Abweichungen, kann auch das ein Indiz für Dopingpraktiken sein. Welche Sportler in Zukunft einen Blutpass durch die ALAD erstellt bekommen, konnte Sax noch nicht verraten. Da der biologische Pass aber vor allem Indizien auf Blutdoping (EPO, Eigenblut-Doping usw.) preisgibt, wird es sich vor allem um Ausdauersportler handeln. „Im Ausdauersport macht der biologische Pass am meisten Sinn“, sagt auch Dr. Anik Sax.

Problem Mikrodosierung

Der biologische Pass ist sicherlich ein wichtiges Werkzeug für die Dopingjäger, allerdings ist es noch lange kein Allheilmittel. So hat eine Recherche von France 2 im Jahr 2015 gezeigt, dass das Dopen mit Mikrodosierungen keine auffälligen Werte im biologischen Pass verursacht. Auch der geständige Doper und ehemalige Radprofi Michael Rasmussen glaubt, dass der Blutpass die Möglichkeiten der Betrüger zwar einschränken würde, er sie aber nicht vom Dopen abhalten würde.

Das 5.000-m-Rennen im Gangneung Oval ist beendet. Für Pechstein sprang lediglich ein enttäuschender achter Platz heraus. 2022 in Peking will sie einen weiteren Angriff auf eine zehnte olympische Medaille starten. Eine Medaille, auf die sie 2010 wohl größere Chancen gehabt hätte. In vier Jahren ist Pechstein knapp 50.

 

Kosten einer Dopingprobe

Die Hauptmission der luxemburgischen Anti-Doping-Agentur ist die Durchführung von Dopingtests. Im Jahr 2017 hat die ALAD 187 Urinproben genommen.

Doch was kostet so eine Dopingprobe überhaupt? Das ist sehr unterschiedlich, wie Dr. Anik Sax erklärt. „Nicht alle Proben werden auf sämtliche Substanzen kontrolliert. So hängt es immer davon ab, welche Tests im Labor durchgeführt werden.“ Nimmt man einen Richtwert, so kostet die Analyse einer Probe, die im Rahmen eines Wettkampfes genommen wurde, rund 270 Euro. Hinzu kommen noch die Entschädigungen (z.B. Kilometergeld) für die Kontrolleure. Bei einem Wettkampf sind in der Regel drei bis vier Kontrolleure vor Ort und der Zeitaufwand beträgt rund vier Stunden.

Mit rund 590 Euro ist die Analyse der unangemeldeten Trainingskontrollen teurer, bei denen neben Urinproben durchaus auch Blutproben genommen werden können. Für die Trainingskontrolle werden zwei Kontrolleure benötigt und in der Regel wird mit einem Zeitaufwand von zwei Stunden gerechnet. Der fachgerechte Transport der Proben bis ins Labor kostet noch einmal rund 350 Euro. Wenn das Labor dann Unregelmäßigkeiten feststellt, zum Beispiel beim Steroid-Profil eines Athleten, wird noch eine Nachuntersuchung fällig, die rund 300 Euro kostet.

Dagegen sind die Blutproben für den biologischen Pass recht günstig. Ihre Analyse kostet zwischen 40 und 80 Euro. Allerdings soll die ALAD, wenn sie eine Probe für den biologischen Pass durchführt, auch gleich eine Urinprobe des Sportlers nehmen. So ist es von der Welt-Anti-Doping-Agentur vorgeschrieben.