Auch die EU beschäftigt sich mit dem Skandal. Die FIFA-Ethikspitze will sich treffen und könnte auch über Franz Beckenbauer sprechen.
Der für sein mildes Urteil scharf kritisierte Ethikrichter Hans-Joachim Eckert will bei seinem anberaumten Spitzentreffen mit dem verärgerten Chefermittler Michael Garcia über die Rolle sogenannter „Einzelpersonen“ im skandalösen WM-Vergabeprozess sprechen – wohl auch über Beckenbauer und dessen frühere Kollegen in der FIFA-Exekutive. Dass die bereits von Eckert erwähnten möglichen neuen Ermittlungen laufen, wurde weder von der FIFA noch von deren Ethikkommission bestätigt.
Nach der Veröffentlichung des Eckert-Berichts werden unterdessen täglich neue Details bekannt, die ein verheerendes Licht auf die FIFA werfen. Phaedra Almajid, Ex-Mitarbeiterin von Katars Bewerbungskomitee und wichtige Garcia-Informantin, gab einen Einblick in die brisante Affäre. Sie sei von ihrem ehemaligen Arbeitgeber in Katar unter Druck gesetzt worden, ihre Aussagen zu widerrufen. „Wenn es um die FIFA geht, muss man darauf vorbereitet sein, gekreuzigt zu werden, nicht einmal oder zweimal, sondern wieder und immer wieder“, erklärte sie der Mail on Sunday. Man müsse darauf vorbereitet sein, „niemandem vertrauen zu können“ und „von denen betrogen zu werden, die dir versprochen haben, dich zu beschützen“.
Neutrales Komitee
Almajid wurde nach eigener Darstellung von den Katarern wegen gebrochener Schweigepflicht, die sie als Angestellte der Bewerbung vertraglich zusichern musste, eine Schadensersatzklage in Höhe von einer Million Dollar angedroht. Ein hochrangiger Funktionär aus Katar habe ihr angeboten, auf die Klage zu verzichten, sollte sie eidesstattlich einräumen, ihre Korruptionsvorwürfe seien eine Erfindung gewesen. „Ich war völlig allein bei meinem Versuch, mich gegen die Katarer zu wehren“, erklärte Almajid. „Ich musste das Wohlergehen meiner Kinder schützen und habe unterschrieben.“
Zusammen mit Bonita Mersiades, die als Ex-Chefin für öffentliche Angelegenheiten von Australiens Kandidatur für die WM 2022 Garcia ebenfalls wichtige Informationen zukommen ließ, wurde sie nun ins Parlament in London eingeladen und soll dort vor einem neutralen Komitee im Unterhaus aussagen. Beide Frauen fühlten sich – obwohl namentlich nicht genannt – im Bericht von Eckert als unglaubwürdig dargestellt.
Im Visier
Franz Beckenbauer, der schon im WM-Sommer in den Fokus des FIFA-Skandals geriet und einst mit der Aussage für Wirbel sorgte, er habe „noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen, weder in Ketten gefesselt oder auch mit irgendwelcher Büßerkappe am Kopf“, ist hingegen auch wieder ins Visier geraten. Durch seine anfängliche Weigerung, die Garcia-Fragen zu beantworten, wurde er mit einer provisorischen 90-Tage-Sperre belegt. Im Eckert-Bericht wird der „Kaiser“ namentlich nicht erwähnt, aber unter Punkt 5.2. heißt es: „Letztlich kooperierte ein Funktionär mit der Untersuchungskammer nur, nachdem Ermittlungen zu ethischen Verfehlungen für die Kooperationsverweigerung eingeleitet wurden“.
Keine Erwähnung finden im Eckert-Bericht die von der britischen Zeitung Sunday Times im Sommer erhobenen Anschuldigungen über angebliche geschäftliche Verquickungen Beckenbauers mit seinem sportpolitischen Mandat.
Nach der WM-Vergabe im Dezember 2010 an Russland erhielt er einen Werbevertrag aus der russischen Gasindustrie. Nach Katar reiste er als Geschäftsberater einer Hamburger Firma. Kontakte zum dortigen Emir bestanden durch die Fußball-Aktivitäten seit Langem. Beckenbauer hat Reisen nach Katar nie bestritten, sämtliche Vorwürfe von Korruption aber immer heftig zurückgewiesen.
De Maart
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