„Die ganze Dynamik ist verschwunden“

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Nach drei bitteren Niederlagen in der Rückrunde und einem enttäuschenden siebten Tabellenplatz stellte Fernando Gutierrez am Sonntag sein Traineramt beim amtierenden Meister Jeunesse Esch zur Verfügung.

Erst Ende September 2010 war der
gebürtige Argentinier mit großen
Ambitionen im Gepäck zur „Grenz“ gekommen.

Nach dem letztjährigen Meistertitel waren die Erwartungen sowohl an die Mannschaft als auch an den neuen Trainer wohl etwas zu hoch. Fernando Gutierrez zog nach dem 0:2 gegen Abstiegskandidat Wiltz die Reißleine. „Nach drei Niederlagen in Folge war die Zeit gekommen, die Konsequenzen zu ziehen“, so Gutierrez am Montag gegenüber dem Tageblatt. Für den „Gaucho“ standen in den drei letzten Spielen gleich zwei Heimniederlagen sowie die 2:3-Pleite im Escher Derby bei Erzrivale Fola zu Buche.

Die Entscheidung, Jeunesse zu verlassen, fällte Gutierrez im Einverständnis mit dem Vorstand: „Wir waren uns alle einig, dass sich etwas ändern muss. Zwar hat der Verein etliche Punkte in der Hinrunde geholt, allerdings verlief die Rückrunde bislang einfach zu enttäuschend.“

Ziele klar verfehlt

Gutierrez begann seine Arbeit mit viel Schwung und einer gewissen Euphorie: „Ziel war es von Anfang an, ’europäisch‘ zu spielen. Ich finde, dass wir dazu auch die Mittel hatten.“

Der ambitionierte Trainer, der einen gepflegten Kick in Esch praktizieren wollte, hat sowohl sein Ziel als auch das des Klubs demnach nicht erreicht. Mit einem eigentlich noch stärkeren Spielerkader als jener aus der Meistersaison 2009/10 waren die Erwartungen allgemein sehr hoch gewesen.

Zu hoch? Es scheint so, ist Gutierrez nach Jacques Muller doch bereits der zweite Coach, den der Rekordmeister diese Saison verschlissen hat. All dies hatte sich nach dem durchaus gelungenen Auftritt Mitte letzten Jahres im Europapokal gegen die Schweden aus Solna so nicht angedeutet. Fernando Gutierrez hat da so seine Ansichten: „Man muss realistisch bleiben. Jeunesse hatte einfach sehr viel Glück in der letzten Meisterschaftssaison. Im Moment fehlen dem Verein einfach überragende individuelle Qualitäten. Die Gruppe ist nicht besser als andere Klubs aus der BGL Ligue. Wir waren ein Verein wie alle anderen auch. Die Dynamik von 2010 ist ganz einfach verschwunden.“

Einen weiteren Punkt seines Scheiterns sieht Gutierrez „in der chaotischen Vorbereitung während der Winterpause. Verletzungen, Krankheiten, Nationalmannschaft. Es ist nicht das Gleiche, eine sechswöchige Vorbereitungsphase zu haben wie eine von zwei Wochen … Aber ich will und werde mich nicht hinter irgendwelchen Entschuldigungen verstecken“, nimmt Gutierrez auch eine Teilschuld auf sich.

Auf der Suche nach Erklärungen für die enttäuschenden Resultate – nicht nur auf der „Grenz“ –, hat der Ex-Trainer einen anderen Faktor ausgemacht: „Die Leidenschaft und der bedingungslose Einsatz der Spieler im Vergleich zur letzten Saison haben sich geändert. Der Meistertitel letztes Jahr war außergewöhnlich. Anschließend hat sie die Realität wieder eingeholt.“ Auf Platz sieben ist Jeunesse derzeit weit entfernt vom angepeilten „europäischen Platz“. Innerhalb weniger Monate müssen in der „Hiel“ wieder kleinere Brötchen gebacken werden.

Größere Baustellen

Was den eigenen Fans, die ihrem Unmut seit geraumer Zeit freien Lauf lassen, nicht sonderlich gefällt. Höhepunkt war der Streik am Sonntag gegen Wiltz. Ihre Unzufriedenheit teilten sie dem Vorstand auf einem Banner unmissverständlich mit (siehe „T“ von Montag). Die Fans prangern neben dem derzeitigen Misserfolg ihres Teams zudem die mangelhafte Jugendarbeit sowie das Fehlen einer Damen-Mannschaft an. Der Rekordmeister plagt sich demnach mit etlichen größeren Baustellen herum.

Zurück aber zu Fernando Gutierrez, der seine Zukunft relativ gelassen angeht. Der engagierte Argentinier, der vorher schon Sandweiler, Beggen und RM Hamm Benfica trainierte, will sich nun etwas zurückziehen, um die ganzen Geschehnisse der letzten Tage und Wochen zu verdauen: „Man startet immer voller Zuversicht. Leider ist es aber im Fußball so, dass nur die Resultate entscheiden. Man muss abwarten, was geschieht. Jetzt brauche ich zunächst etwas Abstand von dem Ganzen.“

Ausruhen kann und darf sich Jeunesse dagegen jetzt nicht, soll diese Saison wenigstens einen halbwegs versöhnlichen Abschluss finden.