Dass sie selbst einmal bei den Spielen der kleinen Staaten Teil der luxemburgischen Delegation sein würden, damit hatten Sandra und Yannick Lieners selbst wohl am wenigsten gerechnet. Dass sie dann auch noch gemeinsam mit nach Andorra reisen würden, damit erst recht nicht. Umso größer ist nun die Freude beim erfahrenen Geschwister-Duo. „Ich habe das natürlich immer verfolgt und gehofft, dass ich das vielleicht doch einmal selbst miterleben könnte. Doch die JPEE waren für mich persönlich eigentlich weit weg, da Triathlon ja nicht im Programm steht und meine Saison sonst komplett darauf ausgerichtet war“, erklärt Yannick, dessen Laufzeiten dann auch stets zu weit unter der Norm für eine Qualifikation lagen. „Mit 35 Jahren bin ich schließlich in die Leichtathletik gewechselt und dann hat es tatsächlich geklappt, was schon irgendwie verrückt ist. Ich feiere JPEE-Premiere und Athleten aus meiner damaligen Zeit sind jetzt schon im Staff tätig.“ Dabei hat sich der inzwischen 37-Jährige noch die Frage gestellt, ob sich der ganze Aufwand lohnen, ob er überhaupt noch ein gewisses Niveau erreichen würde. „Die Qualifikation für die JPEE ist da auf jeden Fall eine Belohnung für das harte Lauftraining in den vergangenen beiden Jahren.“
In Andorra werden wir auf jeden Fall eine Person in den Tribünen haben, die besonders laut sein wird
Dass die Geschwister das Niveau erreichen konnten, auf dem sie derzeit laufen, das verdanken sie dem Trainer ihres Vereins CA Beles, Rachid Habbaz, auf den Sandra direkt zu sprechen kommt, als sie auf ihre JPEE-Premiere angesprochen wird. „Seit ich mit ihm trainiere, habe ich so große Fortschritte gemacht. Dies ist das erste Jahr, in dem diese Zusammenarbeit ihre Früchte trägt und ich meine ersten großen internationalen Rennen bestritten habe.“ So erst im April bei der Straßenlauf-EM im belgischen Louvain/Leuven. Etwas, dem Bruder Yannick nur zustimmen kann. „Bei uns beiden war das in letzter Zeit schon eine Leistungsexplosion. Seit ich mit Rachid trainiere, haben sich all meine Bestzeiten, von 1.000 Metern bis zum Semimarathon, verbessert. Auch meine Bahnzeiten.“
Ein Trainer, der den Geschwistern geholfen hat, die eigenen Grenzen, die sie sich in ihren Köpfen gesetzt hatten, aufzubrechen. „Als Triathlet bin ich die zehn Kilometer in 31:40 Minuten gelaufen. Ich dachte immer, dass bei mir 31 wirklich das Maximum sei. Rachid hat diese Grenzen verschoben, sodass ich nach sechs Monaten mit ihm schon 30:50 gelaufen bin. Jetzt, mit 37 Jahren, ist mein Ziel sogar, unter 30 Minuten zu kommen“, gibt Yannick auch direkt ein konkretes Beispiel. – „Als er meinte, dass ich eine 35er-Zeit laufen kann, dachte ich nur, dass er übertreiben würde. Er sieht einfach Sachen, an die man selbst nicht mehr glaubt. Jetzt liege ich bei 34:11 und bin in diesem Jahr in Luxemburg die schnellsten Zeiten über fünf und zehn Kilometer gelaufen“, kann auch Sandra dem nur beipflichten.
Neuer Trainer, große Sprünge
Die JPEE sind für die 34-Jährige, die während der Woche in Andorra ihren 35. Geburtstag feiern wird, nach ihrer ersten EM somit ein nächstes Highlight. „Das ist natürlich noch einmal etwas anderes, weil einfach so viele Sportarten dabei sind. Das gemeinsam als Geschwister erleben zu können, ist wirklich schön.“ Vor allem da beide, wie ihr Bruder erklärt, doch irgendwie aus dem Nichts gekommen sind. „Vor zwei Jahren hatte uns wohl niemand auf der Rechnung und jetzt sind wir Teil vom Team Lëtzebuerg. Das ist schon eine motivierende Geschichte, dass man im Herbst einer Sportlerkarriere noch so gut werden kann.“ Gerade für Yannick, bei dem 2014 Leukämie diagnostiziert wurde, der aus seiner Krankheit, gegen die er bis heute in Behandlung ist, aber nie ein Geheimnis gemacht hat, alles andere als selbstverständlich.
„Es ist schon speziell, vor allem, da diese Entwicklung bei uns jetzt wirklich gleichzeitig stattfand“, meint Sandra, die mit einem Lachen hinzufügt: „In Andorra werden wir auf jeden Fall eine Person in den Tribünen haben, die besonders laut sein wird.“ Dass sich die Lieners-Geschwister hervorragend verstehen, das wird auf jeden Fall sofort deutlich. „Wir sehen uns jede Woche, haben zwei bis drei gemeinsame Trainingseinheiten, fahren zu den gleichen Wettkämpfen und teilen uns auch schon mal ein Hotelzimmer. Wir sind gewohnt, ganz viel Zeit gemeinsam zu verbringen, wir durchleben ja auch das Gleiche, haben die gleichen Ziele. Da versteht man dann auch direkt, wie sich der andere fühlt“, so der große Bruder. „Wir können zwar beim Training nicht die gleichen Zeiten laufen, aber es hilft, dass man sich gegenseitig motivieren kann“, so die 34-Jährige über die ganz besondere Unterstützung.
Vor zwei Jahren hatte uns wohl niemand auf der Rechnung und jetzt sind wir Teil vom Team Lëtzebuerg. Das ist schon eine motivierende Geschichte, dass man im Herbst einer Sportlerkarriere noch so gut werden kann.
Dass beide Geschwister so sportlich sind, haben sie vor allem ihren Eltern zu verdanken, denn Vater René ist ebenfalls im luxemburgischen Triathlon kein Unbekannter. „Wir sind eigentlich bei Rennen groß geworden. Er war selbst ja auch Landesmeister, hat beim CA Beles von Trainer bis Vorstandsmitglied auch alles gemacht. Da sagt man sich selbst dann auch irgendwann, dass man da mitmachen möchte, vor allem weil ich schnell gemerkt habe, dass mir Ausdauersport eigentlich am besten liegt“, erklärt Yannick. „Bei uns in der Familie herrscht eine große Sportbegeisterung, unsere Mutter kommt zu jedem Wettkampf, um uns zu unterstützen“, hebt Sandra derweil hervor, die ebenfalls mit dem Triathlon angefangen hatte, doch schnell merkte, dass das Laufen ihre Lieblingsdisziplin war. „Ich habe mich aber irgendwie nicht getraut, ganz zu dieser Disziplin zu wechseln.“
Für die Eltern war dann auch schnell klar, dass sie die JPEE-Auftritte ihrer Kinder keinesfalls verpassen wollen. „Weil es dann doch etwas überraschend kam, haben sie ihre kompletten Pläne über den Haufen geworfen. Sie reisen allgemein sehr viel durch Europa, nur um zu unseren Wettkämpfen zu kommen“, zeigt sich Yannick dankbar. Ein sportlicher Familienclan, der zusammenhält.
Ein sportlicher Familienclan
Bereits am ersten Wettkampftag wird Sandra Lieners auf der Laufbahn zu sehen sein, wenn sie um 19.05 Uhr die 10.000 Meter in Angriff nehmen wird. Yannick muss hingegen bis Samstag warten, bis er seinen Einsatz hat. „Es sollte nicht das Ziel sein, bei den JPEE anzutreten, um einen vierten oder fünften Platz zu erreichen, da sollte man schon das Podium anpeilen“, so die klare Zielsetzung des 37-Jährigen. Dass nichts unmöglich ist, das hat ihnen ihr Trainer bereits längst bewiesen. Vielleicht werden die Geschwister dann auch mit einer Medaille nach Hause kommen. „Ein Booster fürs Selbstvertrauen war, dass ich gesehen habe, dass ich bei der EM die Läuferinnen, die in Malta über 10.000 Meter auf Rang eins, zwei und sechs gelandet sind, hinter mir gelassen habe. Das will nichts heißen, zeigt mir aber, dass ich mitmischen kann“, so Sandra.
Den Sport feiern, sich mit anderen Athleten austauschen können, darauf freuen sich die Lieners-Geschwister in den kommenden Tagen neben ihren Rennen am meisten. Dass sie diese Woche in Andorra genießen werden, daran dürfte dann auch kein Zweifel bestehen. Vorbilder für die jungen Athleten sind sie auf jeden Fall, denn dass auch die Ü30-Generation noch etwas erreichen kann, das haben Yannick und Sandra bereits bewiesen und somit dürften sie die besten Vorbilder für die jungen Sportler sein. Auch das sind die besonderen Geschichten, die die JPEE ausmachen.
De Maart

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