Freitag14. November 2025

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Tageblatt-SerieDie Blindentennisspieler Liz Conzemius und Nicolas Berodt im Fokus 

Tageblatt-Serie / Die Blindentennisspieler Liz Conzemius und Nicolas Berodt im Fokus 
Ein starkes Team: Trainerin Charlotte Rodier und ihre beiden Schützlinge Liz Conzemius und Nicolas Berodt (v.l.n.r.) Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Es ist ein noch junger Sport in Luxemburg, doch binnen gerade einmal vier Jahren hat es Liz Conzemius bis zum Weltmeistertitel geschafft. Bei der Tennis Spora haben sie und ihr Trainingspartner Nicolas Berodt ein sportliches Zuhause gefunden.

Serie: Para-Sportler im Fokus

Das Tageblatt hat eine regelmäßige Serie um den Para-Sport ins Leben gerufen. Seit April 2024 bieten wir hier Platz für Athleten und Vereine aus diesem besonderen Sportbereich. Nach Sportkletterer Joé Schmit im Januar und Schwimmerin Sandra Schwinninger im Februar stehen dieses Mal die beiden Tennisspieler Liz Conzemius und Nicolas Berodt im Mittelpunkt. 

In der Tennishalle des TC Spora im Bambësch an einem Dienstagmittag: Alle Trainingsplätze sind besetzt. Auf Platz eins üben eine junge Frau und ihr Trainingspartner mit ihrem Coach. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht ein unübliches Geräusch, ein Rasseln, das bei jedem Ballwechsel zu hören ist. 

So wie auf dem Tennisfeld fallen die beiden jungen Leute auch im Alltag nicht sehr auf. Obwohl sie stark in ihrer Sicht beeinträchtigt sind, finden Liz Conzemius und Nicolas Berodt auch ohne Blindenstock ihren Weg. „Ich habe den Stock zwar immer in meinem Rucksack, benutze ihn allerdings nur bei Dunkelheit“, sagt Conzemius. Die in Bartringen lebende Athletin hat eine frühgeborene Retinopathie und einen normalen Schulparcours hinter sich. Erst 2007 kam es zu einer ersten Ablösung der Netzhaut. Seit 2018 hat sich ihre Sehkraft rapide verschlechtert, sodass sie auch ihren Führerschein abgeben musste. Über eine Ausschreibung im „Blannenheem“ kam sie vor vier Jahren zum Tennis. „Mit meiner Sehkraft von fünf bis zehn Prozent sehe ich nur meine Fingerspitzen und demnach nicht den Gegner auf der anderen Seite. Den Ball erahne ich erst, wenn er in meiner Spielhälfte ist. Dann heißt es schnell reagieren. Zuerst geht es aufs Gehör und dann auf die Sicht. Dank der Rassel im Ball hören wir, ob er schnell oder langsam in der Luft ist, danach auf dem Boden, wo wir uns hinbewegen müssen.“

Fast gleichzeitig mit Liz Conzemius fand der 32-jährige Nicolas Berodt zu Tennis Spora. Allerdings war sein Weg ein ganz anderer. „Ich habe sehr lange nach einer Sportart gesucht, die mir Spaß macht. Der Ball weckte immer mein Interesse. Auch Rückschlagspiele wie Badminton. Aber mit einer Sehbehinderung ist das gerade ein Problem. Eine Einladung eines Hilfsvereins in Köln, zu einem Workshop zum Blindentennis, kam da zum richtigen Zeitpunkt. Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Berodts Sehnerv ist durch einen Gendefekt betroffen und seine Krankheit erst mit seinem 20. Lebensjahr ausgebrochen. Im Gegensatz zu Conzemius sieht er nicht in der Peripherie und hat keine Tiefenwahrnehmung. So fällt es ihm schwer, Distanzen abschätzen. Helligkeit und Dunkelheit bereiten ihm auch Probleme. 

Liz Conzemius hat es binnen gerade einmal vier Jahren zum Weltmeistertitel geschafft
Liz Conzemius hat es binnen gerade einmal vier Jahren zum Weltmeistertitel geschafft Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Paralympics noch kein Thema

Wie wird Blinden- und Sehbehindertentennis gespielt?

Blinden- und Sehbehindertentennis ist dem Tennis der Sehenden sehr ähnlich. Die Schläge sind im Grunde genau gleich, die Zählweise auch. Der gravierende Unterschied: Man spielt nach Gehör und Sensorik, nicht nach Sicht. Durch einen rasselnden Ball können Sehbehinderte die Position des Balls bestimmen und sich somit orientieren. Der Ball besteht aus Schaumstoff und hat im Inneren eine Plastikkugel, in der durch Metallstäbe das Rasseln erzeugt wird. Es gelten die offiziellen ITF-Regeln, mit einigen Anpassungen. Jedem Aufschlag muss ein Dialog („Ready“ – „Yes“) vorangehen. Je nach Sehrest gibt es unterschiedliche Klassifizierungen. Danach definiert sich die Platzgröße sowie die Anzahl, wie oft der Ball aufspringen darf, und auch ob eine Augenbinde getragen werden muss.  

Obwohl das Projekt Sehbinderten- oder Blindentennis erst seit vier Jahren besteht, bleiben die Erfolge nicht aus. So kann Liz Conzemius bereits auf ein ordentliches Palmarès zurückblicken. 2023 bestritt sie ihr erstes Turnier in Deutschland und erreichte in Birmingham bei der WM gleich den Silberrang. „Dies kam recht unerwartet. Letztes Jahr konnte ich dann den Weltmeistertitel in Italien gewinnen.“

Somit steht logischerweise die Titelverteidigung an, doch der Spielort wurde noch nicht festgelegt. Die Turnierplanung ist etwas kompliziert. Die Para-Sportart ist am besten in England und in Australien aufgestellt. Reisen zu dem fünften Kontinent sind momentan aus finanziellen Gründen jedoch unmöglich, denn die beiden Tennisspieler müssen noch für den größten Teil der Unkosten selbst aufkommen. Ihre Gegner stehen da schon weitaus besser da und werden von Trainern und Physiotherapeuten betreut.

Conzemius und Berodt reisten bislang alleine zu ihren Turnieren, mussten sich mit ihrem Handicap durchschlagen und das ganze Rundherum neben dem eigentlichen Sport meistern. „Manches ist verbesserungsfähig“, sagt Conzemius. „Angefangen bei der Sponsorensuche. Man weiß nicht, worum es sich beim Blindentennis handelt. Immerhin unterstützen unsere Augenärzte uns.“ Die beiden Tennisspieler haben sich schnell in ihrem Sport gesteigert, dies zeugt auch von einer enormen Motivation. So wurden aus einer wöchentlichen Trainingseinheit schnell drei Übungsstunden, gepaart mit zwei Einheiten im Kraftbereich. „Wir sind extrem kompetitiv und geben immer Vollgas“, unterstreicht Berodt.

Mit meiner Sehkraft von fünf bis zehn Prozent sehe ich nur meine Fingerspitzen und demnach nicht den Gegner auf der anderen Seite

Liz Conzemius

Die Paralympics sind momentan allerdings noch kein Thema, und dies eher aus organisatorischen Gründen. „Von einer Aufnahme ins paralympische Programm sind wir noch weit entfernt, denn die Klassifizierungen sind nicht in jedem Land gleich. Hier gibt es noch riesige Unterschiede. So wurde Nicolas in Birmingham kurzerhand von der Klasse B2 in B3 eingestuft. Auf diese Situation war er nicht vorbereitet, immerhin darf der Ball dann einmal weniger aufspringen. Aber die Bewegung geht in vielen Ländern weiter. Brisbane 2032 ist da schon eher wahrscheinlich, besonders da die Australier Vorreiter sind“, erklärt die amtierende Weltmeisterin und gibt einen guten Rat an Gleichgesinnte: „Auch als Behinderte soll man alles ausprobieren, wozu man Lust hat. Denn es ist viel mehr machbar, als man gemeinhin annimmt. Trotz Handicap kann man Sachen finden, die funktionieren und in denen man gut ist.“

Und Nicolas Berodt fügt hinzu, dass die körperliche Fitness für Personen mit einer Beeinträchtigung noch wichtiger ist. „Mental gibt es enorm viel Selbstvertrauen. Dies ist eine Supermotivation. Man kann zeigen, dass man auch mit einem Handicap einen Sport betreiben kann, den andere einem nicht zutrauen.“

Tennis pour tous

Die Initiative geht auf Charlotte Rodier, die aktuelle Trainerin von Conzemius und Berodt, zurück, die sich bei der „Fédération française de sport adapté“ (FFSA) und in Roland-Garros weitergebildet hat. „Es ist immer noch Tennis, aber es sind viele Anpassungen im Training nötig. Man muss beständig Lösungen finden. Am Anfang hat es etwas Geduld gebraucht, um die Technik zu erlernen, aber jetzt bewegen wir uns auf dem taktischen Niveau. Meine beiden Schüler sind sehr motiviert, um an Wettbewerben teilzunehmen. Da die Gelegenheiten noch Mangelware sind, möchten wir in Zukunft ein internationales Turnier in Luxemburg ausrichten. Ziel des Vereins ist es, diese Art von Tennis hierzulande bekannter zu machen.“ Rodier, die 2008 an Postion 496 der WTA-Rangliste geführt wurde, ist bei der Spora sowohl für das Frauenteam als auch für den Bereich „Tennis pour tous“, der neben dem Blindentennis auch die Sparten Rollstuhltennis sowie Tennis für Personen mit intellektueller Beeinträchtigung beinhaltet, zuständig. Derzeit werden zwölf Tennisspieler in diesem Kader betreut. Finanziell im Boot sind sowohl Tennis Spora als auch „Œuvre nationale“, Stadt Luxemburg und das LPC.