BoxenDer Mythos lebt: Muhammad Ali wäre am Montag 80 geworden

Boxen / Der Mythos lebt: Muhammad Ali wäre am Montag 80 geworden
Muhammad Ali war mehr als nur ein dreimaliger Schwergewichts-Weltmeister. Er war und ist ein Mythos, der die Zeit überdauert. Foto: DPA

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Kein Sportler vor und nach ihm hat so polarisiert und die Menschen bewegt wie Muhammad Ali. Am Montag würde die verstorbene Box-Legende 80 Jahre alt werden.

Ihr Vater trägt Hana Ali auf seinen starken Armen durch die Menschenmenge, die grenzenlose Zuneigung verwirrt das Mädchen. „Ich spüre die Vibrationen des Applauses in meiner Brust“, sagt Hana Ali über diese Kindheitserinnerung: „Ich sehe meinen Vater an und denke: Wer ist er?“ Er ist Muhammad Ali, „der Größte“ aller Zeiten.

Der Jahrhundertsportler würde am Montag seinen 80. Geburtstag feiern, hätte ihn die Parkinson-Krankheit nicht im Juni 2016 aus dem Leben gerissen. Zu seinen Ehren zeigt Arte derzeit eine herausragende Dokumentation über das Leben der Box-Legende. Sie beleuchtet den Aufstieg vom Klassenclown zum Weltstar und den Wandel vom vermeintlichen Vaterlandsverräter zum Staatshelden. Ali war mehr als nur ein dreimaliger Schwergewichts-Weltmeister. Er war und ist ein Mythos, der die Zeit überdauert.

Alles beginnt mit einem gestohlenen Fahrrad in Louisville. Cassius Marcellus Clay Jr., wie Alis Geburtsname lautet, zeigt den Diebstahl beim Polizisten Joe Martin an. „Ich werde den Dieb umbringen“, tönt der Teenager. Martin, der auch eine Boxschule betreibt, antwortet: „Weißt du denn, wie man kämpft?“ Clay weiß es nicht, aber er lernt schnell. Und er ist schnell. Mit Füßen, Händen, Oberkörper – und dem Mund. „Ich werde eines Tages der Größte aller Zeiten“, kündigt er als 40-Kilo-Hänfling nach dem ersten Amateurkampf an. Seine Olympia-Goldmedaille 1960 in Rom ebnet ihm den Weg ins Profiboxen, wo er mit seinem unkonventionellen Stil für Furore sorgt. Das Getänzel im Ring, die vollmundigen Vorhersagen der K.o.-Runden, die derben Beleidigungen – Clay ist anders. Und Clay ist besser.

„Rumble in the Jungle“

Im Februar 1964 stößt er Sonny Liston vom WM-Thron. „Ich werde die Welt auf den Kopf stellen“, sagt der neue Champion. Er steht nun öffentlich zu seinem muslimischen Glauben, den er zuvor in Moscheen der fragwürdigen Nation of Islam heimlich praktiziert hatte. Er legt den „Sklavennamen“ Cassius Clay ab und will fortan Muhammad Ali genannt werden. Herausforderer Ernie Terrell weigert sich – und kassiert dafür barbarische Prügel. „Wie heiße ich?!“, brüllt ihm Ali nach jedem Schlaghagel entgegen.

Junge schwarze Menschen beten ihn als Idol an, anderen macht Ali Angst. Seine Haltung im schwelenden Rassen-Konflikt der USA radikalisiert sich. Als er sich weigert, in den Vietnam-Krieg zu ziehen, ist Ali endgültig für viele ein Schurke. Wegen Wehrdienstverweigerung erhält er eine fünfjährige Haftstrafe, die erst später aufgehoben wird. Bei seiner Rückkehr in den Boxring ist er ein anderer Fighter. Ali tänzelt nicht mehr. Beim Titelkampf gegen Joe Frazier im März 1971 kassiert Ali seine erste Niederlage, wenig später gegen Ken Norton eine zweite. Eine „Strafe Gottes“ für seine Sünden, meint der notorisch untreue Ali. Er fokussiert sich wieder auf den Sport, gewinnt die Rückkämpfe gegen Norton und Frazier und stellt sich im Oktober 1974 George Foreman.

Zerbrechlichkeit durch Parkinson

Im „Rumble in the Jungle“ in Zaire trickst Ali den Favoriten unter dem Jubel der Afrikaner („Ali, bomaye“ – Ali, töte ihn) mit einer Kontertaktik aus. Auch in den USA schlägt ihm plötzlich viel Sympathie entgegen, US-Präsident Gerald Ford lobt den einst Geächteten als „Mann mit Prinzipien“.

Es ist der perfekte Zeitpunkt zum Rücktritt. Aber Ali, der windige Promoter wie Don King anzieht, hört nicht auf. Im „Thrilla in Manila“ liefert er sich mit seinem Erzfeind Frazier eine brutale Ringschlacht. Danach ist Ali nur noch ein Schatten seiner selbst. Er nuschelt immer mehr, das Zittern wird stärker. Mutter Odessa Clay fleht: „Ich will ihn nicht mehr kämpfen sehen.“ Aber Ali kann nicht anders.

Er revanchiert sich zwar bei Leon Spinks und wird zum dritten Mal Weltmeister, aber es folgen bemitleidenswerte Niederlagen gegen Larry Holmes und Trevor Berbick. Danach weiß auch Ali: „Die Zeit hat mich eingeholt.“

Nach seinem Rücktritt diagnostizieren die Ärzte bei ihm Parkinson. Er wird demütig und zeigt sich versöhnlich. Die Herzen der Menschen gewinnt er endgültig bei Olympia 1996 in Atlanta, als er mit zitternden Händen das Feuer entzündet und drei Milliarden Zuschauern seine Zerbrechlichkeit offenbart. Zwanzig Jahre später stirbt Ali – aber sein Mythos lebt weiter. (SID)