David Fiegen: „Ich wäre auseinandergenommen worden“

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Hiobsbotschaft für die Luxemburger Olympia-Delegation: Leichtathlet David Fiegen musste gestern seine zweite Olympiateilnahme nach Athen 2004 wegen einer nicht auskurierten Viruserkrankung absagen. Damit werden nur noch 13 anstatt 14 Sportler das Großherzogtum ab Freitag in Peking vertreten. Claude Clemens

Hiobsbotschaft für die Luxemburger Olympia-Delegation: Leichtathlet David Fiegen musste gestern seine zweite Olympiateilnahme nach Athen 2004 wegen einer nicht auskurierten Viruserkrankung absagen. Damit werden nur noch 13 anstatt 14 Sportler das Großherzogtum ab Freitag in Peking vertreten.

Claude Clemens

Der Vize-Europameister über 800 m hatte nach seinen für ihn desaströsen 1.48.55 Minuten beim Golden-League-Meeting am 6. Juni in Oslo Blutanalysen veranlasst, um dem Grund für seine „contre-performance“ auf die Spur zu kommen.
In die Saison gestartet, nach einer verletzungsbedingten Pause von einem Jahr, war Fiegen so schnell wie noch nie in seiner Karriere: mit 1.46.03 Minuten bei seinem Sieg am 24. Mai in Rehlingen. Danach gings bergab, nur wusste niemand wieso. Der Luxemburger Chef-Arzt bei Olympia, Dr. Axel Urhausen, vermutete zunächst Übertraining wegen zu viel Harnsäure im Blut (Ende Juni), Mitte Juli erstellten Fiegens persönliche Ärzte, Dr. Patrice L’Huillier und Dr. Maurice Joris, die Diagnose eines nicht ausgebrochenen Virus im Magen-Darm-Bereich. Dieser wurde behandelt, ist aber noch im Körper und lässt kein geregeltes Training zu.
Tageblatt: David, wie kam die Entscheidung zur Olympia-Absage zustande?
David Fiegen: „Trainer und Athlet, d.h. mein Vater und ich, trafen uns am Montagmorgen mit COSL-Präsident Marc Theisen und Fernand Guth (Präsident des „bureau technique“, d. Red.). Wir legten unseren sportlichen Standpunkt dar und kamen zum Schluss, dass ich in Peking nichts erreichen könnte und dass es daher besser wäre, auf Olympia zu verzichten. Seit der Virusdiagnose waren die COSL-Verantwortlichen, auch Chef de mission Heinz Thews, ständig über meinen Zustand und meine Trainingsleistungen informiert.“
„T“: Wie würdest du deinen aktuellen körperlichen Zustand beschreiben?
D.F.: „Als schwach, von der Rolle. Wenn ich mal ein halbwegs ordentliches Training schaffte, hätte ich danach drei Tage schlafen können, um mich zu erholen. Intensives Training ist nicht möglich.“
„T“: Gleich mal vorausgeblickt: Wie gehts nun weiter?
D.F.: „Mal sehen, ich trainiere zunächst weiter, so gut es eben geht. Und wir müssen natürlich die Viruserkrankung in den Griff bekommen. Fest steht aber schon, dass ich in diesem Winter eine Hallensaison machen werde. Ich muss mich zurückkaufen!“

„Keine Vorwürfe“

„T“: Das heißt, der Virus ist noch in deinem Körper?
D.F.: „Ja. Als ich mich zu einem Moment der Behandlung besser fühlte, sagte mein Arzt, ich solle die Medikamente absetzen. Da fiel ich regelrecht in ein Loch, war die ganze Zeit müde, richtig tapsig auf den Beinen. Der Virus war also noch da. Wenn er ausgebrochen wäre, hätte ich wahrscheinlich einmal eine anständige Magen-Darm-Grippe gehabt, und dann wäre es gut gewesen. Nun bekomme ich etwas Stärkeres, eine Art Impfung, die den Körper doch ziemlich mitnimmt. Hätte ich das gleich gemacht, hätte ich mit Sicherheit einige Zeit gar nicht trainieren können. Aber nun ist es ja eh egal.“
„T“: Das ist ja eine ziemlich komplizierte Krankengeschichte. Fühlst du dich irgendwie im Stich gelassen von den Medizinern?
D.F.: „Ich mache niemandem einen Vorwurf wegen seiner Arbeit, ein Virus ist halt schwierig zu finden und zu diagnostizieren. Aber die Kommunikation stimmte nicht am Anfang. Meine Blutwerte waren teils katastrophal, mitgeteilt wurde mir das aber erst elf Tage nach der Analyse. Das ist aber mittlerweile ausdiskutiert worden, auch wenn es hart herging … Was das Übertraining anging, da hatten wir unsere Zweifel. Meine Ärzte haben weiter nach Ursachen gesucht und wurden fündig. Anschließend fand ein regelmäßiger Austausch statt. Es gab Spannungen, aber Vorwürfe mache ich niemandem.“
„T“: 2003 zur WM in Paris warst du nicht optimal vorbereitet angereist und hattest nicht den Hauch einer Chance. Spielte dieses „Erlebnis“ bei der Entscheidungsfindung auch eine Rolle oder bist du im Moment so schlecht drauf, dass es wirklich nicht anders ging?
D.F.: „Ein bisschen von beidem. Eigentlich habe ich auf ein ‚Wunder‘ gehofft. Wir haben die Trainings vor Paris 2003 mit den heutigen verglichen – und die vor Paris waren besser. Dann haben wir die Zeiten hochgerechnet von den jetzigen Trainings, was maximal möglich wäre … Das Niveau bei Olympia ist natürlich sehr hoch, und die letzten internationalen 800-m-Läufe haben gezeigt, dass alle in Topform sind. Ich wäre auseinandergenommen worden. Paris war eine schmerzhafte Erfahrung, und ich habe mir geschworen: nie wieder! Außerdem war ich da noch ‚keiner‘. Als Vize-Europameister bei Olympia mit einer 1.50er Zeit im Vorlauf auszuscheiden, damit hätte ich mir nun wirklich gar keinen Gefallen getan.“
„T“: Deine allgemeine Gemütslage jetzt nach dieser Absage?
D.F.: „’Dat ass schonn e béise Knacks.‘ Nicht nur die Olympia-Absage an sich. Es hätte ‚meine‘ Saison werden können. Im Trainingslager in Portugal habe ich wahnsinnig gute Trainings hingelegt. Ich habe alle Trainingsrekorde gebrochen, noch nie so ein Gefühl gehabt. Meine Trainingspartner diskutierten darüber, wann – nicht ob – ich diese Saison unter 1.44 laufen würde. Das alles kommt noch zur Absage hinzu und ist wirklich schwer zu verdauen.“