„Das ist so frustrierend“

„Das ist so frustrierend“
(Reuters)

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Zum ersten Mal seit 56 Jahren droht England wieder nach einer WM-Vorrunde auszuscheiden. Noch kann der Weltmeister von 1966 auf italienische Hilfe hoffen.

Den guten alten englischen Witz, wonach manche Teams von einer Weltmeisterschaft schneller wieder nach Hause kommen als ihre Postkarten, kennt Steven Gerrard schon seit seiner Kindheit. Nach dem 1:2 (0:1) gegen Uruguay konnte er aber zum ersten Mal nicht darüber lachen. Mit leerem Blick und Händen in den Hosentaschen sprach Englands Kapitän stattdessen darüber, dass nun seine Mannschaft kurz davor steht, zum ersten Mal seit 1958 wieder in einer WM-Vorrunde zu scheitern. „Das ist so frustrierend“, sagte der 34-Jährige. „Wir sind in diesem Turnier an einem Punkt angekommen, an dem wir nie stehen wollten.“

Völlig hoffnungslos ist die Lage nach der zweiten Niederlage im zweiten Gruppenspiel noch nicht. Sollte Italien nacheinander Costa Rica sowie Uruguay schlagen und England dann auch noch sein letztes Spiel gegen die Mittelamerikaner mit zwei Toren Abstand gewinnen, stünde der Weltmeister von 1966 tatsächlich im Achtelfinale. Doch Spieler und Trainer sprachen mit derart hängenden Köpfen über diese theoretische Option, als würden sie selbst nicht mehr daran glauben. „Unsere Chancen sind sehr gering“, meinte Trainer Roy Hodgson. Auch der „Daily Star“ titelte am Freitag: „Jetzt brauchen wir ein Wunder“. Und „The Times“ ist sich sicher: „England schlittert in den WM-Abgrund“.

„No, sorry“

Die beiden Symbolfiguren für diesen bitteren K.o. hießen Gerrard und Wayne Rooney. Der Stürmerstar von Manchester United schoss nach all der Kritik in den vorangegangenen Tagen endlich das erste WM-Tor seiner Karriere (75.). Doch sein Pech war, dass Uruguays Torjäger Luis Suarez vom großen Rivalen FC Liverpool wie schon so oft in der abgelaufenen Premier-League-Saison noch ein wenig erfolgreicher war: Suarez traf gleich zweimal – in der 39. und 85. Minute. Und Rooney war danach so enttäuscht, dass er kommentarlos von der Kabine in den Mannschaftsbus schlich. „No, sorry“, sagte er den Journalisten nur.

Gerrard hatte zum entscheidenden zweiten Tor von Suarez die unfreiwillige Vorarbeit geleistet. Er lenkte den Ball mit dem Hinterkopf unglücklich weiter. Dafür konnte der Routinier zwar nichts, aber auch in seinem Fall weckte dieser Abend traurige Erinnerungen an die vergangene Club-Saison. Es war ein Fehler von Gerrard, der dem FC Liverpool im Spiel gegen Chelsea die entscheidende Niederlage im Meisterschaftsrennen einbrachte. „Auf diesem Level darfst du einem Weltklasse-Spieler wie Suarez nicht eine einzige Chance ermöglichen“, sagte er geknickt.

„Ins Netz“

Gerrard und Rooney haben nun zwei verschiedene Generationen englischer Fußballer zu einer WM geführt. Sie liefen dem Titel schon im Verbund mit John Terry, Paul Scholes oder Rio Ferdinand vergeblich hinterher und drohen nun auch an der Seite der neuen Jungstars wie Raheem Sterling und Daniel Sturridge zu scheitern. Diese Altersklasse weckt in England weder große Hoffnungen, aber Hodgson sagte nur: „Niemand kann die Einstellung der Spieler ernsthaft infrage stellen, aber wir waren nicht gut genug, um diese beiden Spiele zu gewinnen. Im Fußball zählt nicht, wie häufig du den Ball in den Strafraum bringst, sondern ins Netz.“

Nach seinem Scheitern beim FC Liverpool mehren sich die Stimmen, dass der 66-Jährige womöglich auch für den Job des Nationaltrainers zu altbacken und innovationslos sein könnte. Doch es ist das große Problem der global ausgerichteten Premier League, dass sie noch weniger englische Spitzentrainer hervorbringt als englische Spitzentrainer. Also analysierte die BBC nach dem Spiel gegen Uruguay: „Ein Mangel an Alternativen könnte ihn (Hodgson) retten“.