Moskau fürchtet Ausschluss von Olympia

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Die internationale Anti-Doping-Agentur WADA weigert sich, der russischen Agentur Rusada ihre Rechte zurückzugeben. Jetzt droht Russland der Ausschluss von den Olympischen Winterspielen 2018. Doch IOC-Präsident Thomas Bach wirbt für Moskau.

Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz, Moskau

Die Internationale Anti-Doping-Agentur (WADA) hat sich geweigert, die Rechte der nationalen russischen Agentur Rusada wiederherzustellen. In Moskau wurde diese Entscheidung vom Donnerstag letzter Woche im ersten Moment als Ausschluss der gesamten russischen Nationalmannschaft von den Olympischen Winterspielen im kommenden Februar im südkoreanischen Pyeongchang aufgefasst.

Eine Aufmunterung kam von unerwarteter Seite. Die WADA-Entscheidung sei wichtig, aber nicht ausschlaggebend für die russischen Olympioniken, verlautete aus dem Internationalen Olympischen Komitee. Gleichzeitig sagte der IOC-Präsident Thomas Bach in der New York Times, man sollte der russischen Mannschaft die Teilnahme in Pyeongchang ermöglichen, selbst wenn die Situation mit Rusada unverändert bleibe.

Zitterpartie im Kreml

Es ist eine Zitterpartie für den Kreml. Die endgültige Entscheidung soll bei der kommenden außerordentlichen IOC-Tagung fallen, die vom 5. bis 7. Dezember in Lausanne stattfindet. Die Zulassung der „sauberen“ russischen Athleten soll in irgendeiner Form gesichert werden. Dem Kreml geht es aber um das „Wie“. Gerüchteweise heißt es, die russische Staatshymne und/oder Flagge könnten in Pyeongchang verboten werden. Oder man wird Russland von der Eröffnungszeremonie ausschließen.

Das kommt für Moskau wohl nicht in Frage, deshalb erwägt der Föderationsrat, das russische Oberhaus, einen Boykott der Spiele. Der ehrenamtliche NOK-Präsident Leonid Tjagatschow schlug sogar vor, einen Auftragsmörder zum WADA-Informanten Grigori Rodtschenkow zu schicken. Die Aufregung ist so groß, weil die Winterspiele der Wiederwahl Wladimir Putins zum Präsidenten unmittelbar vorausgehen.

Schlüsselforderungen nicht erfüllt

Moskau hatte zwei Schlüsselforderungen für die Wiederaufwertung der nationalen Agentur Rusada nicht erfüllt. Erstens sollte es den sogenannten McLaren-Bericht in vollem Umfang öffentlich anerkennen, besonders den Punkt über die Existenz eines staatlich geförderten russischen Dopingsystems. Zweitens sollten die internationalen Kontrolleure Zugriff auf die im Moskauer Dopinglabor aufbewahrten Proben bekommen.

Das wird von Moskau mit der Begründung verweigert, die Zentrale Ermittlungsbehörde gebe sie nicht frei. Und die Behörde unterstehe weder dem Sportministerium noch dem NOK. Auch die übliche russische Antwort auf westliche Vorwürfe, „Lasst die doch lügen“, zieht diesmal nicht. Fast 20 Länder fordern den Ausschluss der russischen Mannschaft von den Spielen.

Stimmen für Moskaus Teilnahme

Es gibt aber auch Stimmen zugunsten der russischen Mannschaft, und zwar nicht nur von Russland-Sympathisanten. Koreanische Zeitungen befürchten, das Fernbleiben Russlands könnte den Spielen in Pyeongchang „den Gnadenstoß versetzen“. Ihre Attraktivität für den Zuschauer werde vollends in den Keller fallen. „Das Fehlen russischer Sportler im Eishockey und im Eiskunstlaufen hätte fatale Folgen“, heißt es.

Russische Sportorganisationen und Fernsehgesellschaften erpressen das IOC und die Veranstalter regelrecht. „Wenn die russische Mannschaft nicht zugelassen wird, wird dieses zurechtgestutzte Ereignis den russischen Fernsehzuschauer nicht interessieren“, erklärte der Generaldirektor von Gasprommedia, Dmitri Tschernyschenko. Dieser Gesellschaft gehört der zentrale Sportsender Match-TV. Der Staatskanal WGTRK gab ohne Umschweife bekannt: „Wenn die russische Mannschaft ausgeschlossen wird, verzichtet WGTRK auf die Übertragung der Spiele.“

Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte dazu, es sei noch zu früh, von Streichung der Sendungen zu sprechen. Im Kreml hätte man aber Verständnis für den Verzicht auf die Übertragung, falls die russische Mannschaft ausgesperrt werde.

Zum Autor

Axel Eichholz (Alexej Dubatow) wurde 1944 in Moskau geboren. Die Panzerschlacht bei Prochorowka hinterließ bei ihm eine tiefe Spur, obwohl er sie nur im Mutterleib erlebte. Mutter sagte, er habe ihr das Leben gerettet, weil die Truppe, bei der sie Ärztin war, später aufgerieben wurde. Er studierte Germanistik, arbeitete bei der Handelsvertretung der DDR in Moskau und wechselte 1977 in das dortige Büro der Deutschen Presse-Agentur. Seit der Wende in Russland berichtet er als Korrespondent mehrerer deutscher Zeitungen und Zeitschriften aus der russischen Hauptstadt.