„Antworten auf der Piste gegeben“

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Der gebürtige Österreicher Marc Girardelli war mit zwölf Jahren zur luxemburgischen FLS gewechselt,

Von unserem Korrespondenten Pascal Gillen

Bei den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville gewann der gebürtige Österreicher Marc Girardelli zweimal Silber. Die Medaillen bekam aber nicht Österreich, sondern Luxemburg zugesprochen. Der Skifahrer wechselte mit zwölf Jahren zum Luxemburgischen Skiverband und erwarb später auch die luxemburgische Staatsbürgerschaft. Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen zwischen dem österreichischen Verband und der Girardelli-Familie.

Der 54-jährige Unternehmer Marc Girardelli während der Vorstellung seines Buches „Abfahrt in den Tod“

„Die wollten mir meine Karriere untergraben, selbst eine Null- Förderung wäre mir lieber gewesen“, äußert sich Marc Girardelli zu seinem Wechsel nach Luxemburg. Der gebürtige Vorarlberger war mit zwölf Jahren zur luxemburgischen FLS gewechselt, nachdem sein Vater in Konflikt mit dem Österreichischen Skiverband geraten war, da man dort seinen Sohn nicht fördern wollte.

Bei einem internationalen Kinderrennen bei St. Moritz entdeckte eine luxemburgische Delegation den jungen Girardelli. „Ich habe beide Rennen gewonnen und damit auf mich aufmerksam gemacht. Der Präsident des Luxemburgischen Skiverbandes und mein Vater haben dort zum ersten Mal miteinander gesprochen.“

Die luxemburgische Delegation um den damaligen Präsidenten Aimé Knepper stellte den Kontakt zu den Girardellis her und lotste sie zum Luxemburgischen Skiverband. „Ich habe eine medizinische Untersuchung gehabt und dann habe ich relativ schnell die Lizenz bekommen, mit der ich dann Rennen fahren konnte“, erklärt der 54-Jährige den schnellen Wechsel.

Staatsfeind im Heimatland

„Ich hätte allerdings genauso gut für England, Andorra oder San Marino starten können, bei den Luxemburgern ging nur alles ziemlich schnell.“ Die Probleme, die mit dem österreichischen Verband entstanden waren, konnte er nicht erklären. Bei Rennen in Österreich wurden seine Zeiten manipuliert, um ihm eine auszuwischen, er wurde öffentlich beleidigt und bekam sogar Morddrohungen. „Es war alles schon ziemlich heftig, aber als Skifahrer im Tunnel nimmt man das alles als Motivation mit.“

Girardelli war in Österreich nicht nur ein Vaterlandsverräter, sondern sogar ein Staatsfeind. „Ich selber hatte nie Probleme mit Österreich, aber sie hatten wohl welche mit mir. Das war mir letztendlich wirklich egal, ich habe meine Antworten auf der Piste gegeben.“ Die Antworten des Girardelli ließen trotz schwerer Knieverletzung nicht lange auf sich warten.

Am Ende der Saison 1982/83 verletzte sich Girardelli so schwer am Knie, dass er dieses bis heute nicht mehr richtig anwinkeln kann und von der Versicherung zu 15% als teilinvalide erklärt worden ist. Girardelli setzte seine Karriere trotzdem fort, nahm aber an den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo nicht teil, da er noch nicht über die luxemburgische Staatsbürgerschaft verfügte. Diese erwarb er erst 1987, um im folgenden Jahr an den 15. Olympischen Winterspielen im kanadischen Calgary teilzunehmen.

Zwischen 1984 und 1988 gewann Girardelli zweimal den Gesamtweltcup, des Weiteren eine goldene, drei silberne und eine bronzene Medaille bei Skiweltmeisterschaften. Mit den Olympischen Spielen von 1988 verbindet der Unternehmer allerdings nicht viel.

Olympia: Rennen wie jedes andere

„Ich habe Olympia als ein Rennen wie jedes andere genommen. Ich war schon so oft unterwegs, da war Olympia nicht wirklich was Besonderes.“ Girardelli erklärt, dass ihm vor allem die Olympische Atmosphäre und der Olympische Spirit gefehlt haben. „Das Drumherum war einfach so anstrengend, es war einfach zu stressig. Bei Olympia war ich froh, wenn ich abends ins Bett gehen konnte.“

Im Olympischen Dorf war Girardelli nur einmal, um Großherzog Jean zu treffen. „Ich hätte gerne mal andere Sportler aus anderen Sportarten kennengelernt. Die aus dem Alpinen Ski kannte ich alle und bei Olympia war es eigentlich die optimale Gelegenheit. Aber bei meinen drei Teilnahmen war ich eben nur dieses eine Mal im Olympischen Dorf. Das war sehr schade. Die Unterkünfte für die alpinen Fahrer waren immer viel zu weit weg.“ Von einer Verletzung geplagt, erreichte der Skifahrer dann auch nur den 9. Platz in der Abfahrt und den 20. Platz im Riesenslalom.

Vier Jahre später lief es für den damals 29-Jährigen dann besser. In Albertville holte Girardelli die einzigen beiden Medaillen für Luxemburg in der Geschichte der Olympischen Winterspiele. Im Super-G und im Riesenslalom erreichte er damals den 2. Platz und brachte Luxemburg sogar auf den 16. Platz im Medaillenspiegel. Als bester Skifahrer der damaligen Zeit verpasste er damit das Ziel, Gold mit nach Hause zu holen. Im Super-G fehlten ihm 63 Hundertstelsekunden auf den Norweger Kjetil Andre Aamodt und im Riesenslalom fehlten lediglich 32 Hundertstel auf den Italiener Alberto Tomba.

Marc Girardelli (links) mit seinem früheren Landsmann Fritz Strobl

Eine Ehre, für Luxemburg zu starten

Die Olympischen Spiele, die dann schon zwei Jahre später aufgrund der Olympischen Charta (bis 1992 wurden Olympische Sommer- und Winterspiele im selben Jahr ausgetragen, dann entschied man sich, beide Wettbewerbe versetzt auszutragen) in Lillehammer stattfanden, bewirkten bei Girardelli dann auch keine emotionalen Freudensprünge. „Klar war es trotzdem immer eine Ehre, für Luxemburg zu starten, aber ich war schon immer ein Einzelkämpfer. Emotionale Gefühle konnte ich bei Olympia nie wirklich wahrnehmen.“

Sportlich verliefen die Spiele in Norwegen dann wieder nicht so gut. Hier erreichte er nur einen 4. Platz im Super-G und einen 5. im Riesenslalom. Während Girardelli zum erfolgreichsten alpinen Skirennfahrer aller Zeiten wuchs, wollte es mit den Olympischen Spielen einfach nicht so gut klappen. Als einziger Fahrer überhaupt konnte er fünfmal den Gesamtweltcup gewinnen und gewann bei Weltmeisterschaften je viermal Gold und Silber und dreimal Bronze.

„Bei der Weltmeisterschaft in Crans-Montana 1987 habe ich eine Gold- und zwei Silbermedaillen gewonnen. Das hat Luxemburg auf Platz zwei des Medaillenspiegels gebracht“, erinnert sich Girardelli. Die Erfolge in seiner Sportart brachten ihm sechsmal den Titel des Sportlers des Jahres in Luxemburg ein. „Das war mir schon wichtig und das war auch eine tolle Ehrung. Der Kontakt nach Luxemburg war und ist nach wie vor da“ Auch heute reist der Lustenauer noch jährlich ins Großherzogtum, um seine Freunde zu besuchen und Kontakte zu pflegen.

Die Aussage von ihm, den Wechsel nach Luxemburg als idiotisch bezeichnet zu haben, habe man im Großherzogtum falsch verstanden. „Das war ein Missverständnis, ich muss aber auch sagen, dass ich es ein wenig unglücklich formuliert habe. Der Wechsel nach Luxemburg war durchweg positiv, das sehe ich heute immer noch so. Der Kontakt ins Großherzogtum war immer gut, selbst meine Kinder haben die luxemburgische Nationalität übernommen.“ Aktuell ist Girardelli nicht nur Autor eines Buches, sondern auch Kommentator im alpinen Bereich für einen Schweizer Fernsehsender.