Australian OpenEin Schatten über dem „Happy Slam“: Putins Propaganda in Melbourne

Australian Open / Ein Schatten über dem „Happy Slam“: Putins Propaganda in Melbourne
Auf den Tribünen in Melbourne waren Kriegssymbole nicht zu übersehen Foto: AFP/William West

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Bei den Australian Open zeigt sich, wie schwer der Balanceakt zwischen Sport und Politik ist. Dennoch öffnet das IOC russischen Athleten die Tür für eine Rückkehr.

In Melbourne ist der Krieg in der Ukraine weit weg – und doch so nah. Über den „Happy Slam“ im australischen Hochsommer legte sich vor den Halbfinals der Frauen Wladimir Putins langer Schatten. Russische Flaggen und Schlachtrufe, das Konterfei des Aggressors aus dem Kreml und Kriegssymbole – wieder einmal zeigte sich: Sport und Politik lassen sich nicht trennen. Auch nicht am anderen Ende der Welt.

Das IOC allerdings klammert sich fester denn je an die selbst ausgerufene „unpolitische“ Mission, die Welt im friedlichen Wettbewerb zu einen – und steht davor, die Sanktionen gegen Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus zu lockern. Der Weg zur Wiedereingliederung führt wie geplant über Asien. Für die Rückkehr, so teilte es das IOC am Mittwoch mit, habe sich eine „überwiegende Mehrheit“ ausgesprochen.

Bei den Australian Open ist unter dem Brennglas zu beobachten, wie russische Kriegspropaganda sich trotz der Neutralität der Spieler ihren Weg bahnen kann. Die ist die Voraussetzung für den Sonderweg des Tennis, auf die setzt auch das IOC in anderen olympischen Sportarten. Keine Flaggen, keine Hymnen, keine Farben – und doch ist Russland, doch sind Putin und sein Angriffskrieg Teil des Spektakels in Melbourne.

Für Aufregung hatte in Melbourne auch Srdjan Djokovic gesorgt. Der Vater des serbischen Rekordchampions Novak Djokovic spielte eine unrühmliche Rolle bei der Pro-Putin-Demonstration. Die Turnierveranstalter sahen sich zu einem Statement gezwungen, der ukrainische Botschafter für Australien und Neuseeland schaltete sich ein – die Frauen-Halbfinals rückten zeitweise in den Hintergrund, und Viktoria Asarenka ärgerte sich.

Asarenka genervt

„Solche Vorfälle“ hätten doch nichts mit den Spielerinnen oder den Spielern zu tun, sagte die Weißrussin nach ihrer Niederlage gegen die gebürtige Russin Jelena Rybakina, die mittlerweile für Kasachstan startet. Asarenka wich den Fragen zu russischen Flaggen und Kriegssymbolen auf der Anlage aus; egal, was sie dazu sage, es werde doch gegen sie verwendet, behauptete sie sichtlich genervt. Diskussion beendet. Zumindest kurzfristig.

Denn: Die Debatten um Sinn und Unsinn der Rückkehr russischer und belarussischer Athleten, um die Wirkung von Sanktionen im Sport und politische Einflussnahme werden nicht nur anhalten – sie werden lauter und scharfkantiger geführt werden. Laut den Organisationen Ukrainian Athletes und Global Athlete sende das Vorgehen „die Botschaft an die Welt, dass das IOC den brutalen Krieg und die Invasion Russlands in der Ukraine gutheißt“.

Sportveranstaltungen wie die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris würden dazu genutzt, „den Krieg zu normalisieren, zu legitimieren und davon abzulenken“. Nach Argumentation des IOC sollte aber „kein Athlet nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme an Wettkämpfen gehindert werden“. Dem schließen sich mittlerweile die NOKs aus Asien und das US-Komitee an.

Widerstand gibt es aus Skandinavien und dem Baltikum – zudem wirbt der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj energisch dafür, die Sanktionen aufrechtzuerhalten. Im Dezember forderte er bei IOC-Präsident Thomas Bach den Ausschluss, am Dienstag bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Gehör findet Selenskyj nicht – und so bleibt Wladimir Putin auch Teil der Sportwelt, die so gerne unpolitisch wäre.