Die Geschichte der politischen Spiele

Die Geschichte der politischen Spiele
Olympische Spiele sind eine beliebte Bühne für große Gesten, die von sämtlichen Ländern und Regierungen genutzt wird. So saß der US-Vizepräsident Mike Pence (r.) während der Eröffnungsfeier in unmittelbarer Nähe von Kim Yo-jong (4.v.l.).

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Bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang wurden am Wochenende die ersten Medaillen vergeben, doch der Sport scheint auch bei Olympia nicht über die Rolle der schönsten Nebensache der Welt hinauszukommen. Die Politik dominiert das Geschehen.

Thema Nummer eins bei den Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang ist die Annäherung zwischen Nord- und Südkorea. Mit Kim Yo-jong, der Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, ist im Rahmen der Winterspiele erstmals ein Mitglied der Herrscherfamilie in Südkorea zu Gast. Nach dem historischen und medienwirksam inszenierten Handschlag von Kim Yo-jong und dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in während der Eröffnungsfeier am Freitag gab es am Samstag die nächste Geste der Annäherung. Kim Yo-jong überreichte dem südkoreanischen Präsidenten eine Einladung ihres Bruders, der Moon Jae-in „so schnell wie möglich“ in Pjöngjang empfangen möchte.

Olympische Spiele sind eine beliebte Bühne für große Gesten, die von sämtlichen Ländern und Regierungen genutzt wird. So hatte der US-Vizepräsident Mike Pence – der während der Eröffnungsfeier übrigens in unmittelbarer Nähe von Kim Yo-jong saß, beide ignorierten sich aber gekonnt – zum Beispiel Fred Warmbier zur Eröffnungsfeier eingeladen. Freds Sohn Otto Warmbier war 2015 bei einer Reise nach Nordkorea festgenommen und zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Im vergangenen Jahr wurde er aus gesundheitlichen Gründen in die USA überführt, wo er wenige Tage später verstarb. Es wurde festgestellt, dass Otto Warmbier bereits 15 Monate im Koma gelegen hatte.

Um zu sehen, wie politisch Olympische Spiele sind, reichte am Freitag ein Blick auf die Ehrentribüne, wo sich zahlreiche Staats- und Regierungschefs tummelten. Abseits der großen Bühne nutzen sie die Spiele dann, um bilaterale Gespräche mit Amtskollegen und großen internationalen Organisationen zu führen, ohne großes öffentliches Aufsehen versteht sich. Allein der südkoreanische Präsident plant 14 Gipfeltreffen während Olympia.
Obwohl die olympische Charta den Missbrauch des Sports durch Politik und Kommerz strengstens untersagt, wurden die Spiele seit jeher für politische Zwecke genutzt. Nachfolgend ein paar Beispiele.


Boykotte und Proteste

1956 verzichteten Ägypten, Libanon und Irak auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Melbourne. Grund war die Rolle Israels in der Suez-Krise. Auch Spanien, die Schweiz und die Niederlande sahen von einer Teilnahme ab.

Sie protestierten so gegen die Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes. Die Spiele von 1968 in Mexiko gingen vor allem wegen der beiden afroamerikanischen Leichtathleten John Carlos und Tommie Smith, die mit dem „Black Power Salute“ für Gleichberechtigung von Schwarzen in den USA demonstrierten, in die Geschichte ein. Auch die Spiele in Mexiko wurden von einem Boykott bedroht. Zahlreiche afrikanische Länder drohten, den Spielen fernzubleiben, wenn das IOC Südafrika mit seinem Apartheidsystem nicht ausschließe, was das IOC dann auch tat.

1976 in Montreal kam es dann doch noch zum Boykott von 16 afrikanischen Ländern, weil Neuseeland den Sportbann gegen Südafrika gebrochen und ein Rugbyspiel organisiert hatte. Der bekannteste Olympia-Boykott ist aber der von Moskau 1980, als die Sowjettruppen in Afghanistan einmarschierten und daraufhin 42 Nationen aus dem Westen, aber vor allem aus der Dritten Welt sowie islamisch geprägte Länder nicht an Olympia teilnahmen. Die UdSSR-Revanche ließ nicht lange auf sich warten, sie blieb den Spielen 1984 in Los Angeles fern.


Das IOC und die UNO

Der Olympische Frieden bedeutet, dass vor und während der Wettkämpfe keine Kriege geführt werden sollen. Bereits in der Antike diente er dazu, dass Sportler und Zuschauer in Sicherheit anreisen und die Spiele verfolgen konnten. Seit 1998 muss jedes Land, das die Olympischen Spiele organisiert, eine Resolution entwerfen, die dazu aufruft, während der Spiele von Kampfhandlungen abzusehen. Diese wird dann vor der UN-Vollversammlung diskutiert und angenommen.  Der Olympische Frieden wurde in der Vergangenheit allerdings öfters verletzt (Absage der Spiele während der Weltkriege, Ausschluss Deutschlands 1920, 1924 und 1948 sowie einige oben aufgezählten Beispiele)

Die Resolution zum Olympischen Frieden ist allerdings nicht die einzige Verbindung zwischen den Vereinten Nationen und Olympia, denn seit 2009 genießt das IOC den Statuts als UN-Beobachter. Der aktuelle UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat sich entschlossen, das UNO-Büro für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden (UNOSDP) zu schließen und eine direkte Partnerschaft mit dem IOC einzugehen.


Propaganda-Spiele

Adolf Hitler nutzte die Olympischen Spiele 1936 in Berlin bereits zur Propaganda. Auch andere Länder versuchten, ihr Image durch Olympische Spiele aufzubessern. China wollte mit den Spielen 2008 zeigen, wie weltoffen das Land sei. Trotz vieler Proteste von Menschenrechtlern und Athleten hielt das IOC an der Austragung fest. Die Winterspiele 2014 in Sotschi waren ein Prestige-Projekt von Wladimir Putin. Mit 50 Milliarden Euro waren es die teuersten Winterspiele aller Zeiten.

Im Vorfeld sorgte ein Anti-Homosexuellen-Gesetz für Entrüstung. Doch auch hier hielt sich das IOC vornehm aus sämtlichen Diskussionen heraus. Neben diesen bekannten Beispielen wurden aber auch die Winterspiele 2002 in Salt Lake City für ein politisches Statement genutzt. Bei der Eröffnungsfeier wich US-Präsident George W. Bush als erster Staatschef von der von Pierre de Coubertin vorgegebenen Eröffnungsformulierung ab, indem er den Zusatz „im Namen einer stolzen, entschlossenen und dankbaren Nation“ anfügte. Die Spiele fanden rund ein halbes Jahr nach dem Anschlag vom 11. September 2001 statt. Zudem nutzte Bush Begriffe wie Olympia und das Symbol der Ringe in einem Wahlwerbespot.


Terrorspiele von München

Die Olympischen Spiele 1972 in München wurden von einem blutigen Attentat überschattet. Palästinensische Terroristen drangen ins Olympische Dorf ein und nahmen elf israelische Athleten als Geiseln. Die Geiselnahme endete blutig mit dem Tod der elf Sportler und fünf der acht Terroristen. Nachdem die Spiele für einen Tag unterbrochen wurden, ging der damalige IOC-Präsident Avery Brundage mit einem Satz in die Geschichte ein: „The games must go on.“