/ 800-m-Vorläufe bei der WM in Berlin: Mike Schumacher ausgeschieden / aber Bestzeit und EM-Norm: Chance großartig genutzt
Vor 32.514 Zuschauern, so vielen wie noch nie bei morgendlichen Qualifikationen in diesen Tagen im Berliner Olympiastadion, startete der Luxemburger um Punkt 12.00 Uhr im dritten von sieben Vorläufen, bei 26 Grad noch rechtzeitig vor der ganz großen Hitze.
Vorlauf 1 war in einer 1.46er, Vorlauf 2 in einer 1.47er Zeit gewonnen worden. Und so beschlossen die Favoriten in Schumachers Lauf – und die, die sich noch die Hoffnung auf ein Weiterkommen über die Zeit aufrecht erhalten wollten –, nicht rumzutrödeln. Es wurde ein schneller Vorlauf, im Nachhinein der Schnellste.„Geckeg“
„Tageblatt“: Mike, Berlin ist deine erste WM. Ein Stimmungsbericht.
Mike Schumacher: „Als der Deutsche Schembera in meinen Lauf vorgestellt wurde, die Reaktion des Publikums, das war einfach grandios. Da hatte ich Gänsehaut. Die Stimmung im Stadion ist eh super, es ist auch rundherum alles sehr gut organisiert, es ist ganz einfach eine absolut positive Erfahrung. Eine WM, das ist ‚eine andere Welt‘. Für so etwas lohnt es sich wirklich, so hart zu trainieren.“
„T“: Und jetzt kannst du es ja auch ganz entspannt als Zuschauer genießen. Warst du vorher auch schon im Stadion?
M.S.: „Ja, am Montag- und Dienstagabend, nur eben am Mittwoch nicht. Aber jetzt kann ich es wirklich genießen, die Spannung fällt ab. Außerdem ist meine Freundin hier, und viele Kollegen.“
„T“: In der Tat, es sind viele Luxemburger Schlachtenbummler hier. Hast du was mitbekommen?
M.S.: „Die müssen sich wohl alle verteilt haben. Beim Einmarsch ins Stadion habe ich alle paar Meter ein ‚Allez Mike‘ gehört oder einen ‚roude Léiw‘ gesehen. Geckeg!“
„T“: Wie geht’s jetzt weiter nach der WM? Hast du noch Rennen geplant?
M.S.: „Die Saison war lang, ich bin früh eingestiegen, da ich mich ja noch für die JPEE qualifizieren musste, war nach Zypern dann krank, musste jetzt zum Schluss mein Training umstellen … Ich denke, dass ich nicht mehr so viel laufen werde.“
„T“: Richtig, vor Doppelgold in Zypern musstest du dich erst noch qualifizieren, da das 2008 wegen Verletzung nicht ging. Wie fühlst du dich jetzt, nach diesem Höhepunkt?
M.S.: „Das war eine schwere Zeit 2008, ich habe mir viele Gedanken gemacht. Im Training lief’s nicht, ich habe mein Studium begonnen … Aber ich habe mir gesagt: ich bin noch jung, und ich kann noch lange gut laufen. So was kommt vor, also’rapp dech zesummen‘ – und das ist nun eben dabei rausgekommen.“
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Das Rennen
Schumacher, von Bahn drei eine Bahn hinter dem früheren Olympiasieger Juri Borsakowski gestartet, tat das, was er tun konnte: Er lief seinen Rhythmus, so wie das im Vorfeld geplant war. Nicht ganz am Rest des Feldes dran, aber doch noch im Sog der Konkurrenz, diese sozusagen als Anhaltspunkt vor sich („ich wusste, wo meine Position in diesem Rennen sein würde“). Nach ca. 420 m stürzte Lokalmatador Robin Schembera und Schumacher musste diesem ausweichen, beirren ließ er sich aber nicht. Der Fola-Läufer konnte sogar auf den letzten 200 m zulegen, gab auf der Zielgeraden noch mal alles und wurde belohnt. 1.48,18 Minuten: seine persönliche Bestzeit von 2006 (1.48,75) um 57 Hundertstel verbessert, und die EM-Norm 2010 um zwei Hundertstel unterboten. Auf imponierende Art und Weise, unbeeindruckt von schnellem Tempo und großen Namen. Er zog einfach „sein Ding“ durch.
„Besser konnte es nicht laufen“, meinte der FLA-Athlet im Ziel: „Ich habe gekämpft, alles gegeben. Als ich die Siegerzeit aufleuchten sah, habe ich die letzten paar Schritte noch einmal gedrückt, weil ich da wusste: es kann reichen. Der Sturz von Schembera hat mich vielleicht ein oder zwei Zehntel gekostet, aber ich war weit genug dahinter (lacht) und hatte Zeit zum Ausweichen.“ Die Renn-Analyse von Coach Yves Göldi fiel natürlich nicht viel anders aus: „Ein perfektes Rennen, Mike ist intelligent gelaufen. Vielleicht etwas zu schnell angegangen, aber zwischen 300 und 400 m hat er etwas rausgenommen. Die Zwischenzeit bei 600 war sehr gut, und auf den letzten 200 konnte er noch richtig Gas geben.“
Auch der Luxemburger Delegationschef, FLA-Generalsekretär Georges Klepper, war „vollauf zufrieden. Jeder hat alles richtig gemacht, was im Vorfeld war, ist jetzt nicht mehr wichtig. Das war ein schönes Ausrufezeichen. Und wer weiß, vielleicht sind wir bei der EM 2010 in Barcelona ja doppelt auf den 800 m vertreten“, meinte er auch in Bezug auf Vize-Europameister David Fiegen, der – außer Form – nach Gesprächen mit dem Verband nicht für die WM zurückbehalten wurde.
Mike Schumacher jedenfalls hat fast alle seine Ziele erreicht, die da waren in der Reihenfolge Minimum Bestzeit, idealerweise die EM-Norm, und wenn möglich auch noch unter 1.48 (siehe „T“ vom Mittwoch). „Das erledige ich dann nächstes Jahr, wichtig ist, dass ich die Norm habe“, sagte ein strahlender Schumacher nach dem Rennen: „Ich habe das Maximum herausgeholt, bin nun der schnellste Luxemburger 800-m-Läufer bei einer WM (siehe auch dazu „T“ vom Mittwoch, d.Red.) und wurde nicht Letzter meines Vorlaufs. Ich bin sehr zufrieden.“
Der 23-Jährige, der bei den JPEE in Zypern Doppelgold 800/1.500 m gewonnen hatte, bewertet seine gestrige Leistung denn auch höher als diese beiden Medaillen: „Klar, das heute ist viel wichtiger. Rennen wie diese fehlen mir eigentlich, wo ich nicht an der Spitze laufen muss, sondern mich von schnellerer Konkurrenz mal mitziehen lassen kann. Dafür war dieses Rennen perfekt. Und nun habe ich eine bessere Bestzeit, und bekomme vielleicht die Gelegenheit zu mehr solcher internationaler Rennen mit starker Konkurrenz. Und also auch die Gelegenheit zu weiteren Bestzeiten.“
30. von 48
„Was soll ich sagen, ich bin happy“, war die allererste Reaktion von Trainer Yves Göldi gewesen. Und die wurde auch nicht durch „hätte, wenn und aber“ getrübt.
In den weiteren Vorläufen wurde nämlich zum Teil erheblich mehr taktiert und langsamer gelaufen, so dass Mike Schumacher (47. Meldezeit) in einem abschließenden Zeitklassement 30. (48 klassiert) wurde. „Neen, keng Regret’en“, sagte Göldi, der bereits 1978 Fola-Läufer André Pierrard auf den 1.500 m zu einer EM-Teilnahme hin trainiert hatte: „Vor drei Wochen wussten wir noch nicht mal, dass wir hier sein würden. Besser geht es nicht.“
Im Zeitklassement (siehe S. 25) steht Mike Schumacher nach den sieben Vorläufen sogar vor Weltmeister Alfred Kirwa Yego (Kenia), der den langsamsten (Nr. 5) aller Läufe in 1.48,32 Minuten gewann. Hier blieb beispielsweise als Vierter, nur um zwei Hundertstel geschlagen, in der Person von Mohammed Al-Salhi (Saudi-Arabien) ein 1.43er-Läufer auf der Strecke. Angeführt wird das Klassement von den Besten aus Schumachers Lauf: Vizeweltmeister Gary Reed siegte in 1.45,76 vor Ex-Olympiasieger Juri Borsakowski aus Russland (1.45,86). Der französische Meister Jeff Lastennet wurde Dritter in 1.46,30 und ist damit immer noch Vierter des Zeitklassements. Der Vierte, Samson Ngoepe aus Südafrika, schaffte es in 1.46,54 über die Zeit ins Halbfinale.
Aus (zukünftigen) JPEE-Nationen war nur noch ein Läufer am Start: Der Montenegriner Ilija Ranitovic wurde im zweiten Vorlauf Siebter in 1.53,17. Und vier 1.500-m-Finalisten (der 1., der 4., der 9. und der 10.) überstanden übrigens nur 15 Stunden später problemlos die erste 800-m-Runde.
800 M: RESULTATE
Herren, 800 m, 3. von 7 Vorläufen (jeweils 3 Erste/Q und noch 3 weitere Zeitschnellste/q ins Halbfinale): 1. Gary Reed (Kanada) 1.45,76 Minuten Q, 2. Juri Borsakowski (Russland) 1.45,86 Q, 3. Jeff Lastennet (Frankreich) 1.46,30 Q, 4. Samson Ngoepe (Südafrika) 1.46,54 q, 5. Ryan Brown (USA) 1.46,92, 6. Mike Schumacher (Luxemburg) 1.48,18, 7. Robin Schembera (Deutschland) 1.54,47
Scratch: 1. Reed 1.45,76 Q, 2. Borsakowski 1.45,86 Q, 3. Jackson Kivuva (Kenia) 1.46,17 Q, 4. Lastennet 1.46,30 Q, … 11. Ngoepe 1.46,54 q, 14. (letzter Halbfinalist über die Zeit) Adam Kszczot (Polen) 1.46,70, 30. Schumacher 1.48,18, 31. Michael Rimmer (Großbritannien) 1.48,20 Q, 34. Alfred Kirwa Yego (Kenia) 1.48,32 Q, 35. Tamas Kazi (Ungarn) 1.48,40 Q, 36. (letzter Halbfinalist über den Platz) Marcin Lewandowski 1.48,41 Q, 45. Ilija Ranitovic (Montenegro) 1.53,17.
48 Läufer klassiert, 1 Aufgabe, 2 nicht am Start.
- Pokal-Finalspiele - 23. Mai 2016.
- Untere Divisionen - 22. Mai 2016.
- BGL Ligue / Ehrenpromotion - 22. Mai 2016.