DeutschlandWirbel um Sonderzahlungen droht für Grüne zur Belastung im Wahlkampf zu werden

Deutschland / Wirbel um Sonderzahlungen droht für Grüne zur Belastung im Wahlkampf zu werden
Der Hype lässt merklich nach: Die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sackt in jüngsten Umfragen deutlich ab. Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Der Vormarsch der Grünen kommt ins Stocken. Nach Parteichefin Annalena Beaerbock hat auch ihr Amtsvorgänger Cem Özdemir erhaltene Sonderzahlungen in fünfstelliger Höhe erst mit erheblicher Verspätung der Bundestagsverwaltung gemeldet. Die Vorgänge könnten für die Grünen zur Belastung im Wahlkampf werden.

Eigentlich ist Cem Özdemir schon ein gebranntes Kind. 2002 war bekannt geworden, dass einige Bundestagsabgeordnete ihre dienstlich angesammelten Bonusmeilen für private Flugreisen nutzten. Auch Özdemir. Die Affäre löste seinerzeit viel Wirbel im Bundestagswahlkampf aus. Am Donnerstagabend nun räumte sein Bundestagsbüro ein, dass Özdemir in den Jahren 2014 bis 2017 als Grünen-Vorsitzender Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt 20.580,11 Euro erhalten hat, was erst jetzt der Bundestagsverwaltung mitgeteilt wurde. Dabei sind alle Abgeordneten verpflichtet, solche Einkünfte dort binnen drei Wochen nach Erhalt anzuzeigen. Özdemirs Büro sprach von einem Versehen und versicherte, dass das Geld zuvor „selbstverständlich ordnungsgemäß versteuert“ worden sei. Auch sei man selbst aktiv geworden, es habe keine Aufforderung von der Bundestagsverwaltung gegeben.

Der Vorgang deckt sich mit dem um die amtierende Parteichefin Annalena Baerbock, die schon am Mittwoch eingeräumt hatte, Sonderzahlungen in den Jahren 2018 bis 2020 der Parlamentsverwaltung erst Ende März unaufgefordert angezeigt zu haben. Insgesamt 25.220,28 Euro. Publik gemacht wurde die verspätete Mitteilung jetzt aber womöglich deshalb, weil Journalisten dazu bereits recherchierten. Der Parteivorsitz wird bei den Grünen nicht vergütet, wenn die Amtsinhaber auch im Bundestag sitzen. Sonderzahlungen zu Weihnachten oder nach erfolgreichen Wahlkämpfen sind aber möglich.

Die Partei hat eine durch Überzeugung verbundene Anhängerschaft. Und die wird sich davon nicht abschrecken lassen.

Politikwissenschaftler Jürgen Falter, über die Grünen

Konsequenzen durch die Bundestagsverwaltung muss Baerbock nicht befürchten. Die Nachmeldung wurde dort akzeptiert. Baerbock übte auch Selbstkritik und sprach von einem „blöden Versäumnis“. Als Kanzlerkandidatin ihrer Partei dürfte sie damit allerdings nicht so leicht davonkommen. Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers und ehemaligen Grünen-Politikers Hubert Kleinert steht die Partei spätestens jetzt unter besonderer Beobachtung. Der „Honeymoon“ sei vorbei, sagte Kleinert im Deutschlandfunk. Die Grünen hätten die Neigung, in moralisch hohen Tönen zu argumentieren. Das mache die Sache für sie unangenehm, meinte Kleinert. Ähnlich sieht es auch der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer. Wenn man andere für ihre Nebeneinkünfte kritisiere und selbst welche in nicht unbeträchtlicher Höhe einstreiche und obendrein noch die fristgerechte Meldung „versehentlich“ versäume, dürfe man sich über Kritik nicht wundern, sagte Niedermayer.

Parteien sitzen beim Thema Geld im Glashaus

Der Politikwissenschaftler an der Uni Mainz, Jürgen Falter, hält es dagegen für unwahrscheinlich, dass die jüngste Debatte den Grünen nachhaltig schadet. „Die Partei hat eine durch Überzeugung verbundene Anhängerschaft. Und die wird sich davon nicht abschrecken lassen“, sagte Falter dem Tageblatt. Beim Thema Geld säßen ohnehin fast alle Parteien im Glashaus. Die Nebeneinkünfte bei den Grünen seien auch nicht mit der Dimension des einstigen Spendenskandals um Helmut Kohl oder der Maskenaffäre in der Union vergleichbar. „Da war weit mehr Geld im Spiel, und es handelte sich um einen eindeutigen Gesetzesverstoß“, erklärte Falter.

In den aktuellen Umfragen mussten die Grünen allerdings schon Federn lassen. Der Vorsprung auf die Union ist zuletzt deutlich geschwunden. Und im neuen ZDF-Politbarometer, das am Freitag veröffentlicht wurde, hat sich der Beliebtheitswert für Baerbock im Vergleich zur letzten Erhebung vor zwei Wochen glatt halbiert. Sowohl Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet als auch SPD-Konkurrent Olaf Scholz schneiden im direkten Vergleich mit ihr besser ab.