EU-BudgetWeniger Geld für Rechtsstaats-Sünder

EU-Budget / Weniger Geld für Rechtsstaats-Sünder
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban will sich nicht an die Regeln in der EU halten, aber Geld aus Brüssel kassieren Foto: Johanna Geron/Pool/AFP

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Der erste Kompromiss zum neuen EU-Budget steht. Doch Polen und Ungarn wollen ihn nicht akzeptieren – und drohen mit Blockade.

Die EU will Rechtsstaats-Sündern und Demokratie-Verächtern ans Portemonnaie. Der deutsche Ratsvorsitz und das Europaparlament haben sich gestern in Brüssel auf einen neuen Mechanismus geeinigt, der erstmals Kürzungen bei EU-Zahlungen möglich macht. Allerdings ist offen, ob Länder wie Ungarn und Polen wirklich bluten müssen.

Polens Vize-Justizminister Sebastian Kaleta bezeichnete den Deal als „beispiellosen Bruch“ der EU-Verträge. Polen und Ungarn haben bereits angekündigt, dass sie die Reform mit allen Mitteln verhindern wollen. Die Regierungen in Budapest und Warschau drohen sogar mit einer Blockade des künftigen, rund eine Billion Euro schweren EU-Budgets.

Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß, der die Verhandlungen für den Rat geführt hatte, begrüßte die Einigung dagegen als „wichtigen Meilenstein“ auf dem Weg zum neuen Gemeinschaftshaushalt. Der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund sagte, nun seien die EU-Staaten in der Pflicht, die neuen Finanzsanktionen auch umzusetzen.

Bisher bleiben Eingriffe in die Justiz, Attacken auf die Pressefreiheit oder andere Verstöße gegen Rechtsstaat und Demokratie in der EU meist ohne Folgen. Das für solche Fälle vorgesehene Artikel-7-Verfahren hat sich als wirkungslos erwiesen, weil sich die betroffenen Länder gegenseitig decken und Entscheidungen blockieren.

Das soll nun anders werden. Brüssel will Rechtsstaats-Verstöße und Korruption mit Geldstrafen ahnden. Die Einigung sieht vor, dass Zahlungen schon dann gekürzt werden können, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Der deutsche Ratsvorsitz wollte dagegen nur bei „hinreichend direkten“ Nachteilen für das Budget einschreiten.

Hier hat das Europaparlament nachgebessert, vor allem Liberale und Grüne hatten mehr Biss gefordert. Zudem setzte das Parlament durch, dass die EU-Staaten die Entscheidung über einen Mittelentzug nicht mehr auf die lange Bank schieben können. Auf Vorschlag der EU-Kommission soll nach ein bis drei Monaten ein Beschluss fallen.

Einen Automatismus wird es allerdings nicht geben. Die Mitgliedsstaaten behalten das letzte Wort und müssen Kürzungen zustimmen, wobei auch künftig recht hohe Hürden aufgestellt werden. Nach dem nun gefundenen Kompromiss sollen Gelder nämlich nur dann gestrichen werden können, wenn eine qualifizierte Mehrheit dies unterstützt.

Viel hängt am politischen Willen

Das setzt die Zustimmung von mindestens 15 EU-Ländern voraus, die zusammen 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen. Das Parlament hatte eine „umgekehrte“ Mehrheit gefordert, was eine Blockade erschwert hätte. Immerhin müssen sich Polen und Ungarn künftig neue Verbündete suchen, um eine Finanzsanktion zu stoppen.

Zunächst muss die Einigung allerdings noch formell beschlossen werden. Auch hierfür reicht eine qualifizierte Mehrheit, Ungarn und Polen können also überstimmt werden. Demgegenüber muss das neue EU-Budget von allen 27 EU-Ländern bestätigt werden. Hier hätten Warschau und Budapest einen Hebel, mit dem sie die EU ausbremsen könnten.

Ein Veto von Ungarns Premier Viktor Orban erwarte er jedoch nicht, sagte der Grünen-Experte Freund. Denn damit würde Orban „die Wut aller Europäer auf sich ziehen“. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise seien auch Ungarn und Polen dringend auf Gelder aus dem EU-Budget und dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds angewiesen.

Doch selbst wenn alles glatt geht und der neue Rechtsstaats-Mechanismus wie geplant Anfang 2021 in Kraft tritt, gibt es noch eine weitere Hürde: Die EU-Kommission muss Verstöße feststellen und Strafen vorschlagen. „Viel hängt am politischen Willen der Kommission“, so Freund. Bisher sei dieser Wille allzu schwach ausgeprägt.