PolenWarschau bezichtigt Moskau einer Hackerattacke

Polen / Warschau bezichtigt Moskau einer Hackerattacke
Hackerattacken werden ein zunehmendes zwischenstaatliches Problem  Foto: AFP/Nicolas Asfouri

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Eine seltsame Hackerattacke zieht in Polen immer weitere Kreise. Am Mittwoch wurde auf dem Telegram-Kanal „Geheime Gespräche“ erstmals eine von Premierminister Mateusz Morawiecki ausgehende E-Mail-Sequenz veröffentlicht.

In der auf dem beliebten russischen Messanger-Dienst veröffentlichen Korrespondenz geht es allerdings um die Bagatelle einer Stadtrechtsverleihung und eine vom Innenministerium aus diesem Anlass geplanten Feier. Brisanter ist eine ebendort veröffentlichte E-Mail von Kanzleichef Michal Dworczyk über eine von Polen entwickelte Panzerabwehrrakete namens „Pirat“. Die Angaben tragen den Vermerk „Handelsgeheimnis“ und betreffen eine staatliche Rüstungsfirma. Dworczyk hatte bisher immer versichert, keine geheimen Dokumente über sein privates E-Mail-Konto versandt zu haben.

Gehackt wurden nämlich nicht staatliche Server wie Geheimdienstsprecher Stanislaw Zaryn am Mittwoch noch einmal versicherte, sondern nur private E-Mail-Konten und mit ihnen verlinkte Social-Media-Konten. Morawieckis Kanzleichef Dworczyk, der auch Polens Covid-Maßnahmen koordiniert, hatte vor gut zwei Wochen Alarm geschlagen, nachdem sein eigenes Konto und das seiner Ehefrau gehackt worden waren. Bald tauchten auf dem offenbar eigens dafür eingerichteten Telegram-Kanal „Geheime Gespräche“ verschiedenste meist dienstliche E-Mails auf, deren Echtheit nicht immer klar ist, von Koalitionsabsprachen über Demütigungen liberaler Oppositionspolitikerinnen bis zu Erwägungen der PiS-Regierung, die Armee gegen Proteste des „Frauenstreiks“ gegen das totale Abtreibungsverbot einzusetzen.

Anstatt diesen Mailverkehr nur über seine Dienstmail abzuwickeln, nutzte Dworczyk intensiv sein privates Mailkonto auf dem Gratisanbieter wp.pl. Über 70.000 Mails sollen von den Hackern kopiert worden sein, denen Dworczyk sofort andeutungsweise vorwarf, im Dienst von Minsk oder Moskau zu stehen. Der Hacker-Angriff sei die Rache für seinen Einsatz für postsowjetische Demokratiebewegungen, klagte Dworczyk. Weit vorsichtiger äußerte sich der Kanzleichef zu Vorwürfen der Opposition, sein Privatmailkonto für dienstliche Zwecke missbraucht zu haben. „Ich habe mein Passwort zwölfmal geändert“, beteuerte er. Für Amts- und Staatsgeheimnisse habe er ausschließlich seine Dienstmail genutzt. Regierungssprecher Piotr Müller beeilte sich festzuhalten, es sei nicht nur Dworczyks private Mailbox gehackt worden, sondern auch die private Mail von weiteren Regierungs- sowie auch Oppositionspolitikern.

Jaroslaw Kaczynski hat den Schuldigen gefunden

Laut polnischen Presseberichten hatte Kanzleichef Dworczyk sein privates Passwort bereitwillig auch seinen Assistenten mitgeteilt. Das Passwort war nicht doppelt gesichert und über die Privatmailadresse sollen täglich Dutzende dienstliche Mails gelaufen sein, ganz so als sei Dworczyk davon ausgegangen, seine Dienstmail könnte vom eigenen Geheimdienst mitgelesen werden. „PiS vertraut offenbar nicht einmal dem eigenen Staat“, höhnt der ehemalige liberale Verteidigungsminister Tomasz Simoniak.

Vor ein paar Tagen hat nun der für die Geheimdienstkoordination zuständige Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski den Schuldigen gefunden. Es handle sich dabei um die mit dem Kreml verbundene Hackergruppe UNC1151, das hätten die polnischen Dienste nachgewiesen, informierte Kaczynski mit gewichtiger Miene. Insgesamt seien über 4.350 private Mailkonten gehackt worden, darunter weit über 100 von Politikern und Personen des öffentlichen Lebens. Zaryn hat inzwischen die Ausarbeitung neuer Regelungen für den dienstlichen Mailverkehr angekündigt.