TschechienWahlbündnis Spolu wird nur knapp stärkste politische Kraft

Tschechien / Wahlbündnis Spolu wird nur knapp stärkste politische Kraft
Die Vertreter des Wahlbündnises Spolu (v.l.n.r.): Die Vorsitzende von TOP 09, Marketa Pekarova, der Chef von ODS, Petr Fiala, und der Präsident von KDU-CSL, Marian Jurecka Foto: Michal Cizek/AFP

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Bei den Parlamentswahlen in Tschechien ging das Wahlbündnis Spolu als stärkste politische Kraft hervor. Obwohl die Regierungspartei ANO als stärkste Einzelpartei aus der Wahl hervorging, muss sich Andrej Babis faktisch als Regierungschef abgewählt sehen. Lediglich ein Veto des Präsidenten Miloš Zeman könnte dies noch verhindern.

Es ist unbestritten: Der Wahlsieger dieses Wochenendes ist der ODS-Chef und Führer des bürgerlichen Drei-Parteien-Wahlbündnisses Spolu, Petr Fiala. Mit 27,79 Prozent der Wählerstimmen liegt Spolu um 0,67 Prozentpunkten vor der bisherigen Regierungspartei ANO2011. Formal ist die Bewegung Andrej Babis’ mit 72 Mandaten zwar stärkste Kraft im neuen Abgeordnetenhaus geworden, doch um eine Regierung bilden zu können, fehlen mögliche Koalitionspartner.

Spolu – das Bündnis aus den Bürgerdemokraten ODS, der neoliberalen TOP09 sowie den Christdemokraten der KDU-CSL – hatte vor und nach der Wahl am Samstagabend eine Koalition mit ANO ausgeschlossen. Auch das Bündnis aus der Bürgermeisterpartei STAN und den Piraten, mit künftig 37 Mandaten drittstärkste Fraktion, lehnt ein Zusammengehen mit dem Noch-Amtsinhaber ab. Kurzfristig könnte nur der Staatspräsident, der Andrej Babis nahesteht, einen Wechsel an der Regierungsspitze verhindern. Dies dürfte schwerfallen, denn sowohl der bisherige Koalitionspartner, die sozialdemokratische CSSD, als auch die die noch amtierende Regierung tolerierenden Kommunisten sind nicht mehr im Parlament vertreten. Selbst ein Zusammengehen mit der im Abgeordnetenhaus vertretenen rechtsextremen SPD (Freiheit und direkte Demokratie) Tomio Okamuras brächte keine regierungsfähige Mehrheit zustande.

Fiala macht Tempo

Noch am Samstagabend unterzeichneten die Vertreter von Spolu und PirSTAN eine Absichtserklärung, gemeinsam eine Regierung bilden zu wollen. Nach dem bislang vorliegenden Endergebnis käme eine solche Koalition auf 108 (von 200) Mandate. „Wir werden als drei Parteifraktionen ins Abgeordnetenhaus einziehen und dennoch eine gemeinsame Linie fahren“, erklärte Petr Fiala auf Mediennachfrage, wie sich die einzelnen Mitglieder von Spolu aufstellen wollen. Ähnlich dürfte sich der vermutliche Koalitionspartner PirSTAN verhalten, sodass sich zum ersten Mal in der Geschichte der Tschechischen Republik eine Fünf-Parteien-Regierung bilden dürfte.

Deren politische Ausrichtung dürfte eine national-konservative sein, ähnlich der, die auch schon die Vorgängerregierungen unter ODS-Führung zu Zeiten von Václav Klaus, Mirek Topolanek oder Petr Nečas bevorzugten. Ein enges Zusammenarbeiten mit TOP09 und der Bürgermeisterbewegung STAN dürfte diesem Kurs zusätzlich eine wirtschaftsliberale Note aufdrücken. Zu beweisen hat die neue Regierung, ob sie sich von den Makeln von Finanzskandalen und Korruption – unter deren Druck die Kabinette Topolanek und Nečas zurücktreten mussten – befreit hat und nun in der Lage ist, wie in den Wahlprogrammen versprochen, wirklich eine Politik zum Wohle aller Tschechen zu präsentieren. Sollte dies nicht gelingen, könnte eine neue Protestbewegung wie seinerzeit ANO2011 mit einem Anti-Korruptions-Programm an politischer Stärke gewinnen. Andrej Babis dürfte dann allerdings nicht mehr mit von der Partie sein. Er hatte im Fall einer Wahlniederlage seinen Rückzug aus der aktiven Politik angekündigt.

Ist Zeman handlungsfähig?

Zuvor liegt das Zepter des Handelns jedoch in der Hand des Staatspräsidenten. Am Sonntagvormittag allerdings wurde der Präsident mit einer Notambulanz in das Militärkrankenhaus nach Prag gebracht. Es handele sich „um eine intensivmedizinische Behandlung im Zusammenhang mit einer langjährigen Erkrankung“ Zemans, erklärte der ihn behandelnde Arzt Miroslav Zavoral. Kurz zuvor hatte Andrej Babis das Staatsoberhaupt aufgesucht, um mit ihm Möglichkeiten einer erneuten Regierungsbildung zu beraten. Nach 45 Minuten hatte Babis Lany verlassen, ohne den wartenden Journalisten einen Kommentar zu geben.

Der TOP09-Mitbegründer und frühere Außenminister Karel Schwarzenberg äußerte die Vermutung, dass Babis mit der Regierungsbildung beauftragt werden könnte. „Zeman wird an Babis festhalten, solange er selbst im Amt ist“, erklärte Schwarzenberg.

Um die Gesundheitsentwicklung des Präsidenten hatte es in den vergangenen Wochen einen Eklat gegeben. Die frühere Ministerin für Menschenrechte und Minderheiten, die Psychiaterin Džamila Stehlíková, hatte öffentlich erklärt, Zeman leide „an einer beginnenden Demenz“, zudem sei „sein Bewusstsein infolge eines lange anhaltenden Alkoholkonsums schwer getrübt“.

Sollten sich solche alarmierenden Gesundheitssignale bewahrheiten, bleibt abzuwarten, wie lange Milos Zeman noch handlungsfähig und im Amt bleibt. In jedem Fall, so Schwarzenberg, könne der Präsident nicht umhin, über kurz oder lang den Wahlsieg der neuen Koalition anzuerkennen und ihr die Regierungsbildung zu übertragen. In drei Wochen tritt das neue Abgeordnetenhaus zusammen. Bis Weihnachten, so erklärte ODS-Chef Petr Fiala, wolle man spätestens eine funktionsfähige Regierung gebildet haben.