Dienstag2. Dezember 2025

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Vier Tage in Salzwasser und Urin

Vier Tage in Salzwasser und Urin

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Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen

Als der Tropensturm Kai-Tak auf den Philippinen wütete, starben über 50 Menschen. Ein Neuseeländer, dessen 18 Meter-Jacht zerstört wurde, überlebte vier Tage – in Salzwasser und Urin sitzend. Jetzt erzählt er, was das an seinem Körper anrichtete.

Zunächst hatte der Neuseeländer Laurie Miller noch die Ruhe bewahrt. Seine Jacht Katerina I war mit 18 Meter Länge ein stattliches Boot. Früher hatte es einem amerikanischen Fernsehjournalisten gehört, selbst die Clintons waren schon zu Gast auf dem Segelboot gewesen. Doch der Tropensturm hatte die Katerina I schwer beschädigt: Winde mit 60 Knoten, drei Meter hohe Wellen und heftiger Regen hämmerten auf das Boot ein, Wasser drang ein. Miller fürchtete, die Jacht könnte umkippen und damit wäre auch das Rettungsfloß verloren. Am 13. Dezember sah der Neuseeländer deswegen keinen anderen Ausweg mehr, als mit seinen zwei Segelkollegen und den zwei Hunden an Bord, das Boot zu evakuieren und sein Glück im Rettungsfloß zu suchen.

Wie in einer Waschmaschine

Schon in diesem Moment aktivierte er einen Notsender und noch immer war Miller relativ ruhig, wie er seiner lokalen Tageszeitung New Zealand Herald erzählte. „Es ist wie bei der Arbeit: Du musst eben deinem Weg folgen.“ Doch die erste Nacht war extrem: Miller versuchte, den Anker auszuwerfen, um zu verhindern, dass die Rettungsinsel kippte, doch vermutlich brach dieser, denn die Insel rollte zweimal und landete schließlich kopfüber. „Es war wie in einer Waschmaschine“, erzählt er.

Dann gingen beide Hunde über Bord, die Männer verloren ihre Lebensmittel- und Wasservorräte. Zudem saßen sie bis zur Taille im Salzwasser. „Wenn dir jemand sagt, dass ein Rettungsfloß trocken ist, waren sie nie in einem“, sagt Laurie Miller. „Und man kann bei solch einem Seegang auch nicht aufstehen, um über die Seite zu urinieren, somit ist das Wasser, in dem man sitzt, auch noch voller Urin.“ Einer seiner Freunde begann, seinen eigenen Urin in einem Plastikgefäß zu sammeln und zu trinken, Miller dagegen sagte, er sei „noch nicht so verzweifelt“ gewesen.

24 Stunden vom Tod entfernt

Richtig ernst wurde die Situation dann am vierten Tag: Die Haut der Männer war inzwischen mit Wunden von dem permanenten Bad im Salzwasser übersät, ihre Gelenke doppelt so dick angeschwollen. Einer der Männer – Johnny Mahoney – war so dehydriert, dass er ins Delirium fiel und versuchte, seine Rettungsweste abzunehmen. Miller war so besorgt, dass er umkippen und im Rettungsboot ertrinken würde, dass er ihn aufrecht festband.

Als die Männer am vierten Tag schließlich von philippinischen Fischern gerettet wurden, war es für den Freund Millers zu spät. Er verstarb später im Krankenhaus. Millers eigene Hände waren zu dem Zeitpunkt „geschwollen wie die eines Boxers“ und seine Leistengegend hatte sich schwarz verfärbt. Dass er und der dritte Freund überlebten, erscheint beiden heute wie ein Wunder. „Ich bin ein extremer Optimist, aber wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich, dass wir vielleicht 24 Stunden davon entfernt waren, es Johnny gleich zu tun.“

Jacht ging nicht unter

Heute zermürbt Miller die Frage, wie sie alle überleben hätten können, vor allem nachdem seine Jacht später schwer beschädigt auf einer Insel angespült wurde. Sie war trotz des orkanartigen Sturmes nicht gesunken. Auch quält ihn die Frage, warum trotz Seenotrufen keine Küstenwache zur Rettung kam. Der Notruf war von den australischen Behörden aufgenommen und an die Kollegen vor Ort weitergeleitet worden. Doch dort wurde die Suche allen Anschein nach nicht aufgenommen.

Miller stellt sich die Frage, ob die Freunde in ihren vier Tagen auf See lieber Salzwasser hätten trinken sollen, um den Dehydrierungsprozess zu verlangsamen. Dass das keine Option ist, wissen Seefahrer spätestens seit der deutsche Arzt Hannes Lindemann in den 1950ern den Selbstversuch auf der Fahrt von Europa nach Amerika machte. Sein Verzehr von Salzwasser führte zu angeschwollenen Gliedmaßen und so entsetzlichem Durst, dass er das Experiment abbrechen musste. Denn Salzwasser kann höchstens dazu verwendet werden, einen Süßwasservorrat zu strecken oder zu ergänzen. Nur Salzwasser zu trinken, trocknet den Körper vielmehr von innen aus.