Klare Botschaften oder unmissverständliche Forderungen hatte der Gast aus Budapest bei seinem mit Spannung erwarteten Skandinavien-Abstecher nicht im Gepäck. Ungarn habe die NATO-Beitrittsgesuche Finnlands und Schwedens „von Anfang an unterstützt“, versicherte Verteidigungsminister Kristof Szalay-Bobrovniczky den Amtskollegen der beiden NATO-Anwärter. Gleichzeitig beklagte er sich vage, dass in den beiden Staaten „unwahre und falsche Vorwürfe“ gegen Budapest erhoben würden: „Ungarn verdient mehr Respekt.“
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs übt sich Ungarn in der widersprüchlichen Rolle des russophilen Sanktionskritikers, der letztendlich aber alle Sanktionen gegen Russland absegnet. Auch in der Frage der NATO-Erweiterung steuert die nationalpopulistische Regierung von Premier Viktor Orban einen merkwürdigen Zickzackkurs. Einerseits beteuert Budapest immer wieder, ein Fürsprecher der bereits im Mai letzten Jahres beantragten NATO-Aufnahme Finnlands und Schwedens zu sein. Anderseits mimt Budapest die Rolle des Bremsers bei der geplanten NATO-Erweiterung – und verzögert die Absegnung der Beitrittsgesuche nach Kräften.
Außer der Türkei hat nur Ungarn in der NATO die Aufnahme der beiden skandinavischen Staaten noch immer nicht ratifiziert: Die für diese Woche angesetzte Parlamentsdebatte über die NATO-Erweiterung wurde kurzfristig erneut vertagt. Während Ankara von Finnland und Schweden im Gegenzug für das grüne Licht zum NATO-Beitritt die Auslieferung von als „Terroristen“ bezeichneten Anhängern der kurdischen PKK und des islamischen Predigers Fethullah Gülen fordert, wirken die Motive für Ungarns Zaudern weitaus weniger deutlich – auch wenn sich Budapest gerne über kritische Töne der beiden NATO-Anwärter an rechtsstaatlichen Defiziten im Donaustaat beklagt.
„Gefallen an Erdogan“
Angebliche Meinungsunterschiede in der Fraktion der regierenden Fidesz-Partei führte Budapest als Grund für eine Parlamentarierdelegation ins Feld, die in der vergangenen Woche „zur Klärung“ der Unstimmigkeiten nach Skandinavien reiste. Deren Klagen über „grobe Beleidigungen“ Ungarns hält der Analyst Bulcsu Hunyadi vom „Political Capital“-Institut in Budapest allerdings für genauso „wenig glaubwürdig“ wie die Behauptung, dass der Regierung Widerstände in der eigenen Partei zu schaffen machten: „Fidesz ist eine stark zentralisierte Partei. Die Abgeordneten folgen den Anweisungen des Premiers aufs Wort.“
International ist Ungarns Regierung zunehmend isoliert. Das einzige Mittel, das ihr zum Einfluss auf Entscheidungsprozesse geblieben ist, sind Veto-Drohungen und Erpressungsversuche.
Ungarns „künstlich aufgebauschte Probleme“ mit den beiden NATO-Anwärtern seien nur „Theater“, um das ständige Herauszögern der Ratifizierung zu rechtfertigen und sich dem heimischen Publikum erneut als kompromisslosen Kämpfer für die nationalen Interessen zu präsentieren, so Hunyadi.
Das eigentliche Ziel Budapests sei es aber, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan „einen Gefallen zu erweisen, Zeit zu schinden und so seine Position im Disput mit Schweden zu stärken“, ist der Analyst überzeugt: „Erdogan soll nicht alleine dastehen und die Türkei nicht das einzige NATO-Mitglied sein, das die Erweiterung noch nicht abgesegnet hat.“
Die beiden Gesinnungsfreunde Orban und Erdogan verbinde nicht nur ihr autoritärer Führungsstil, sondern auch gemeinsame Interessen, glaubt Hunyadi: Weltweit sei der Trend zu beobachten, dass autoritäre und populistische Landesführer ihre Kräfte bündelten, „um sich gegenseitig zu stärken und gegen internationalen Druck zu verteidigen.“
Auch der Dauerkonflikt mit Brüssel um blockierte EU-Mittel spiele beim Budapester Bremsen der in Ungarn eigentlich unumstrittenen NATO-Erweiterung eine Rolle, so Hunyadi: „International ist Ungarns Regierung zunehmend isoliert. Das einzige Mittel, das ihr zum Einfluss auf Entscheidungsprozesse geblieben ist, sind Veto-Drohungen und Erpressungsversuche.“
De Maart
"Folgen auf's Wort". Das ist das Problem bei "Diktaturen". Dieses aussagekräftige "Gesicht" wird uns noch einige Zeit Schwierigkeiten machen.