Österreich / Türkis-grüne Regierung federt CO2-Bepreisung mit vielen Steuer-Goodies ab
Österreichs türkis-grüne Regierung will mit ihrer ökosozialen Steuerreform eine Quadratur des Kreises schaffen: Die CO2-Bepreisung soll die Bürger unterm Strich nichts kosten.
„Jeder, der arbeiten geht, bekommt mehr“ – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte an diesem Sonntag nur Frohbotschaften für die Österreicher. Obwohl das Kernstück der nach langem Tauziehen mit dem grünen Koalitionspartner präsentierten Steuerreform die künftige Bepreisung des CO2-Ausstoßes ist, präsentiert der Regierungschef zunächst eine lange Liste von Steuer-Goodies, welche sich bis 2024 auf mehr als 18 Milliarden Euro summieren sollen.
Noch bevor im kommenden Juli pro Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid 30 Euro und an der Zapfsäule voraussichtlich acht Cent mehr pro Liter Treibstoff fällig werden, wird Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) jedem Steuerzahler einen Klimabonus überwiesen haben: Wer in der Stadt mit gutem Öffi-Anschluss lebt, bekommt 100 Euro, aufs Auto angewiesene Landbewohner erhalten je nach Qualität des öffentlichen Verkehrsangebotes gestaffelt 133, 167 oder gar 200 Euro. Für jedes Kind gibt es 50 Euro extra. Da die CO2-Bepreisung bis 2024 auf 55 Euro pro Tonne CO2 steigen soll, wird auch der Klimabonus entsprechend valorisiert – und damit natürlich auch der angestrebte Lenkungseffekt konterkariert. Denn für den Bezug des Klimabonus gibt es keinerlei ökologische Bedingungen. Das von den Grünen geforderte Ende der steuerlichen Begünstigung von Diesel wird es ebenso wenig geben wie eine Reform der ganz ohne ökologische Anreize auskommenden Pendlerförderung.
Schulden ausgeblendet
Auch sonst lässt sich die Koalition ungeachtet der durch die Corona-Krise von 70 auf knapp 90 Prozent hochgeschnellten Schuldenquote nicht lumpen: Bis zu einem Jahreseinkommen von 31.000 Euro wird die Lohnsteuer um fünf, bis 60.000 Euro um zwei Prozentpunkte gesenkt. Außerdem sinken die Sozialversicherungsbeiträge bei kleineren Einkommen um 1,7 Prozent. Für Familien gibt es eine Erhöhung des Kinderbonus von 1.500 auf 2.000 Euro pro Jahr und Kind. Zudem können Firmen ihren Mitarbeitern 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei als Erfolgsbeteiligung auszahlen.
Die Unternehmer bekommen zwar nicht die im Koalitionsabkommen schon versprochene Senkung der Körperschaftssteuer auf 21 Prozent, sondern nur auf 23 Prozent, dürfen aber auch mit Kompensation für Klimaschutzkosten rechnen. Unternehmen im internationalen Wettbewerb erhalten eine Vergütung, um sicherzustellen, dass sie nicht in Regionen mit weniger strengen Klimaregeln abwandern.
Kurz feiert die „größte Steuerentlastung der Zweiten Republik“, der grüne Vizekanzler Werner Kogler den „historischen Einstieg in die ökosoziale Umsteuerung“. Auch der kleine Regierungspartner stellt die Entlastung in den Vordergrund. „Weniger Dreck in der Luft, mehr Geld im Börsel“, bringt es Kogler auf den Punkt. Nur er deutet aber auch leise an, „dass es für die, die ihr klimaschädliches Verhalten nicht ändern, teurer werden kann“.
„Greenwashing-Meister“
Ob diese schmerzlose Reform ökologische Lenkungseffekte zeitigen wird, bezweifeln Umweltorganisationen. Greenpeace ortet einen viel zu niedrigen CO2-Preis und fordert das Aus für klimaschädliche Subventionen wie dem Diesel-Privileg. Die Organisation Global 2000, bei der die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler früher gearbeitet hat, findet den Einstieg in die CO2-Bepreisung zwar gut, aber ebenfalls zu zögerlich. Die Initiatoren des im Sommer von mehr als 380.000 Österreichern unterstützten Klimaschutz-Volksbegehrens sehen nur eine türkis-grüne „Greenwashing-Meisterleistung“.
Ob Österreich seine Klimaziele mit dieser Reform erreicht, ist ebenso unklar wie deren Finanzierung. Da keine Sparmaßnahmen die Vorfreude auf das vermeintlich ohne große Einschnitte geschehende Klimaschutzwunder trüben sollen, hat sich die Regierung gar nicht erst den Kopf über eine Gegenfinanzierung zerbrochen. Finanzminister Blümel setzt auf zusätzliches Wachstum, das etwa durch Ansiedelung von Betrieben im steuerlich attraktiveren Wirtschaftsstandort Österreich ausgelöst werden soll.
- Schwer verletzte Person nach Brand im Krankenhaus gestorben - 29. März 2024.
- Heizöl 50 ppm soll durch 10 ppm ersetzt werden - 29. März 2024.
- Der Abriss des alten CNS-Gebäudes schreitet voran - 29. März 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos