Fernsehdebatte / Trump und Biden blieben in ihren Rollen

Die beiden alten weißen Männer verhielten sich dieses Mal gesitteter während der Debatte
In Nashville hatten sich US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden auf eine aggressive Debatte eingestellt. Sie ließen sich zu persönlichen Angriffen verleiten und bekannten sich mehr denn je zu den Rollenbildern, mit denen ihre jeweiligen Kampagnen für sie werben. Dennoch verlief das Fernsehduell zwischen beiden gesitteter ab als die erste Ausgabe vor einigen Wochen.
Der Wahlkampf in den USA hat seinen Höhepunkt erreicht: Über 47 Millionen Wähler sollen bis zum Donnerstagabend bereits ihre Stimme abgegeben haben. Und mit der anstehenden und umstrittenen Bestätigung Amy Coney Barretts als Oberste Richterin wird das Gleichgewicht am Supreme Court auf unbestimmte Zeit zugunsten der Konservativen verschoben. Der Grundton der Debatte war demnach scharf und besonders der Demokrat wirkte teilweise angespannt. Die großen politischen Einblicke vonseiten Trumps blieben am Ende aus.
Wie erwartet, eröffnete die Moderatorin Kristen Welker von NBC News die Debatte mit den jüngsten Zahlen zur Pandemie. Selbst nach über 220.000 Corona-Toten gestand Trump keine Fehler ein und versprach den Erfolg der „Operation Warp Speed“, die binnen weniger Wochen einen effizienten Impfstoff verfügbar machen soll. Die Minimierung der Erkrankungsgefahr diente ihm auch als Warnung gegen die Schließung von Schulen und einen zweiten Lockdown. New York und die liberalen Gouverneure hätten die Wirtschaft auf diese Weise zerstört.
Biden hingegen schloss eine Reihe von potenziell restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung des Virus nicht aus. Er forderte zusätzliche Hilfen vom Bund, zu denen auch eine Erhöhung des Mindestlohns gehört, die Donald Trump strikt ablehnte. Dieser, so Biden, interessiere sich nur fürs eigene finanzielle Wohl.
Den eigentlichen Zündstoff lieferten allerdings die Schlagwörter Russland und Iran, die der amtierende Präsident mit einem Interessenkonflikt rund um Biden und dessen Sohn Hunter in Verbindung brachte. Dieser soll dubiose Zahlungen aus Moskau erhalten haben. Auch seine Stellung innerhalb des ukrainischen Energiekonzerns „Burisma” habe laut Trump die Russland-Politik der vergangenen Regierung insofern beeinträchtigt, als dass Biden die Krim-Annexion willentlich aufgrund persönlicher Interessen hingenommen habe.
Gemünzt waren die Anschuldigungen auf die sogenannte Laptop-Affäre, wonach kompromittierendes Material auf der Festplatte von Hunter Bidens altem Computer gefunden worden sei. Beweise konnten nicht erbracht werden und Rudy Giuliani – einer der engsten Vertrauten Trumps – stellte sich unlängst als treibende Kraft hinter diesen agitatorischen Behauptungen heraus.
Auf der anderen Seite versäumte Joe Biden keine Gelegenheit, auf die geschäftlichen Aktivitäten des Präsidenten in China aufmerksam zu machen. Dazu zählt im Übrigen ein chinesisches Bankkonto, das Trump bereits vor seiner Amtseinführung aufgelöst haben will. Die Forderung nach der Offenlegung von Trumps Steuererklärung blieb allerdings weiter unbeantwortet.
Thema Krankenversicherung
Der vielleicht wichtigste Fragenkomplex des Abends drehte sich um die Zukunft des als Obamacare bekannten „Affordable Care Act“. Sollte das Oberste Gericht – mithilfe Amy Coney Barretts – diesen als verfassungswidrig einstufen, würden rund 20 Millionen US-Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren. Einen Ersatz verspricht Trump seit Langem, doch legte er auch am Donnerstag keinen Fahrplan dazu vor.
Interessant war die Reaktion Bidens, der seinerseits Obamacare in der jetzigen Form verloren gibt. Er würde das Programm derart umgestalten, dass die Möglichkeit einer staatlichen Versicherungsklausel den Druck auf private Anbieter erhöhen soll, die Kosten ihrer Versicherungsdienstleistungen zu senken. Außerdem würde der als „Bidencare” annoncierter Plan die Medikamentenpreise längerfristig reduzieren.
Auf die realpolitische Denkweise Bidens antwortete der Präsident mit Spott. Er versuchte, den 77-Jährigen als verträumten Nichtstuer darzustellen, der mehr und mehr Zugeständnisse an den linken Parteiflügel rund um Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez liefere. Als Gegenmodell sei er „kein typischer Politiker”, der leere Versprechen von sich gebe.
Ferner behauptete Trump von sich selbst, der am wenigsten rassistische Präsident in der Geschichte der USA zu sein und reichte die Schuld für die unhaltbaren Zustände an der mexikanischen Grenze an die Obama-Biden Regierung weiter. Der ehemalige US-Vizepräsident hielt sich in diesem Punkt zurück und brachte sich stattdessen selbst in Bedrängnis, als er unnötigerweise auf der für die amerikanische Wirtschaft sensiblen Position beharrte, staatliche Subventionen für die Ölindustrie einstellen zu wollen. Wie verzeihlich diese Aussage für den Wähler letztlich ist, bleibt abzuwarten.
Insgesamt konnte Joe Biden mehr Profil aufbauen als der oft karikaturenhafte Trump. So machte der demokratische Herausforderer zentrale Aussagen auch in Bezug auf seine Klima- und Einwanderungspolitik, die zum Beispiel den als „Dream Act“ bezeichneten Schutz Minderjähriger gewährleisten soll. Dabei trat er als Einiger auf, der eine soziale und ethische Ordnung vertritt, die Trump weitgehend fremd bleibt.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos