Trump erlaubt es den Demokraten, ihre Schwächen zu vertuschen

Trump erlaubt es den Demokraten, ihre Schwächen zu vertuschen
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Weshalb Demokraten von Trumps Pannen profitieren, Erneuerung aber verpassen: eine Analyse.

Der Rückblick auf ein Jahr Trump wäre kindisch vereinfachend, klammerte man die Demokraten aus. Sie profitieren von Trumps Gepoltere, verpassen aber gerade die interne Erneuerung.

Von Dhiraj Sabharwal

Man erinnere sich zurück: Berny Sanders wird wie ein Revolutionär gefeiert. Aus europäischer Perspektive ist er ein harmloser Sozialdemokrat, für amerikanische Konservative ein „socialist“, ja fast schon ein Kommunist.

Sanders war Trumps Pendant zum Kampf gegen das Establishment. Dem Demokraten und lange Zeit Parteilosen wurde ebenfalls Populismus vorgeworfen. Allerdings wetterte er nicht gegen Minderheiten, sondern musste sich stets die Frage gefallen lassen, wie verschiedene seiner Vorhaben zu finanzieren seien.

Dennoch war Sanders besonders bei jungen Amerikanern beliebt. Er hatte eine waschechte soziale Agenda und gehörte nicht zum verhassten Clinton-Clan, der seine Tentakel über ganz Washington gestreckt hat. Spätestens als Sanders nicht zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten nominiert wurde und Vorwürfe laut wurden, Clinton habe getrickst, um Sanders politisch zu beseitigen, war der Frust bei seinen Unterstützern groß.

„Fühl den Frust“

Aus „Feel the Bern“ wurde „fühl den Frust“. Nicht wenige von ihnen haben sich bei den Wahlen enthalten oder aus Trotz sogar gegen Clinton und für Trump gestimmt. Blickt man jedoch auf die politische Situation der Demokraten, ist nur wenig von alledem zu spüren.
Man könnte fast von einem unerwarteten Comeback der Demokraten sprechen. Dieses fußt jedoch weniger auf der Brillanz der demokratischen Rebellen, sondern vielmehr auf der unglaublichen Unbeliebtheit und Inkompetenz von US-Präsident Donald Trump. Er hat das Land mit seinem unmöglichen Stil, den Steuererleichterungen und mit einem für ihn günstigen Wirtschaftsumfeld noch tiefer gespalten, als dies bereits der Fall war.

Somit hilft der Anti-Politiker den Demokraten, sich leicht von ihm abzugrenzen. Doch programmatisch stehen sie wieder vor den Zeiten des „Feel the Bern“. Zudem könnten sich die Demokraten bestätigt fühlen, nichts zu verändern: Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung will Umfragen zufolge, dass die Demokraten den Kongress nach den Wahlen kontrollieren.

Dennoch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Demokraten strukturelle Probleme haben, die sich nicht schönreden oder verschweigen lassen. An der Spitze stehen die immer gleichen alten Köpfe, die einen radikalen Bruch verhindern. Neben Sanders findet sich die kompetente und populäre Dianne Feinstein (84). Auch Nancy Pelosi (77) und Elizabeth Warren (68) sind einflussreiche Demokratinnen von Format. Bei den Herren ist neben Sanders lediglich der ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden (75) im Gespräch als möglicher Präsidentschaftsanwärter für 2020.

Bei den jüngeren Semestern gelten Kamala Harris, Cory Booker und Kirsten Gillibrand als Hoffnungsträger. Allerdings zeigt der Hype um die mögliche Präsidentschaftskandidatur von Talkshow-TV-Star Oprah Winfrey, wie verzweifelt die Amerikaner sind. Ein Demokrat vom Format eines Barack Obama ist nicht im geringsten in Sicht.