Großbritannien / Sunak-Regierung verabschiedet sich von ehrgeizigen Klimazielen

Trotz des Rückbaus der britischen Klimapolitik verspricht Premierminister Rishi Sunak eine „bessere Zukunft“
Unter dem Eindruck verheerender Umfragewerte für seine konservative Partei und der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage verwässert Premierminister Rishi Sunak die Klimapolitik seines Landes.
Großbritannien werde an der für 2050 angestrebten Klimaneutralität festhalten, aber diverse Ziele auf dem Weg dorthin verschieben. „Wir müssen uns verändern, was nicht leicht sein wird“, sagte der Regierungschef am Donnerstag der BBC. Man dürfe den ohnehin von der Inflation gebeutelten Menschen aber keine übergroßen Kosten aufbürden: „Wir brauchen die Zustimmung der Bevölkerung.“ Bisher hätten „Politiker jeglicher Couleur“ die Kosten und Nachteile der bisherigen Politik nicht ehrlich dargestellt.
Die Regierung hatte von Sunaks Vorgängern Theresa May und Boris Johnson zwei wichtige Klima-Ziele geerbt: das Verbot neuer Benziner und Dieselautos ab 2030 sowie die Umrüstung der weit verbreiteten Gasboiler auf Wärmepumpen bis 2035. Beide Ziele werden nun nach hinten verschoben: Elektroautos sind wie in der EU erst ab 2035 verpflichtend, neue Gasboiler dürfen noch bis zu diesem Jahr installiert werden. Für die Umrüstung erhalten die Immobilienbesitzer höhere Zuschüsse, ärmere Haushalte bleiben von der Umstellung ausgenommen. Zudem geben die Konservativen den Plan auf, Vermietern ehrgeizige Ziele zur besseren Wärmedämmung ihrer Mietobjekte vorzugeben.
Sunak verteidigte die „internationale Führungsrolle“ seines Landes bei der Reduzierung klimaschädlicher Emissionen. Tatsächlich liegt die Insel beim Abbau klimaschädlicher Gase im Vergleich zum Stand von 1990 vor anderen großen Industrienationen. Allerdings weisen prominente Klimaschützer wie der frühere CEO von Unilever, Paul Polman, und der Ökonom Lord Nicholas Stern anhand jüngster Daten darauf hin, das bis dahin vorbildliche Königreich falle seit dem UN-Klimagipfel von Paris 2015 hinter vergleichbar große Industrienationen wie Deutschland oder Frankreich zurück.
Scharfe Kritik an Regierungskurs
Für seine Rede am Mittwochabend erhielt Sunak scharfe Kritik aus den eigenen Reihen. Das Vorgehen der Regierung sei „lächerlich“, die ins Auge gefassten Veränderungen bestünden aus „dummen Aktionen“, sagte der Leiter des unabhängigen Klimawandel-Komitees, John Gummer, der BBC. Das konservative Mitglied des Oberhauses war in den 1990er-Jahren vier Jahre lang Umweltminister. Sein unabhängiger Ausschuss besteht aus eminenten Fachleuten.
Kaum weniger kritisch äußerte sich der Unterhaus-Abgeordnete Chris Skidmore, ein früherer Energie-Staatssekretär und Klimaschutz-Beauftragter der Regierung unter Premier Johnson. Die Entscheidung werde Großbritannien „Arbeitsplätze, ausländische Investitionen und damit Wirtschaftswachstum“ kosten, lautete Skidmores Analyse. Sunak begehe „den schlimmsten Fehler seiner Regierungszeit“.
Umweltverbände drohten mit massiven Protesten. Empört reagierten auch Vertreter der Autoindustrie auf der Insel, die erst in den vergangenen Monaten hohe Millionen-Investitionen in neue E-Mobile sowie die nötige Batterietechnik verkündet hatte. So steckt BMW 600 Millionen Pfund in die Produktion von Elektro-Minis in Oxford. Der indische Tata-Konzern plant eine vier Milliarden Pfund teure Batteriefabrik in der westenglischen Grafschaft Somerset. Sie soll als Zulieferer für Tatas Autofirma Jaguar Land Rover fungieren.
Klimawandel nicht Sunaks Herzensanliegen
Von der Regierung brauche man in der Klimapolitik „Ehrgeiz, Klarheit und Beständigkeit“, keine Kurswechsel, kritisierte Lisa Brankin von Ford UK. Hingegen freute sich der führende Hybrid-Hersteller Toyota über den Aufschub: Dieser verdeutliche, „dass alle niedrig-verbrauchende und preisgünstige Technik zum pragmatischen Übergang beitragen kann“.
Dass dem früheren Hedgefonds-Manager und Finanzpolitiker Sunak der Kampf gegen den Klimawandel nicht genug am Herzen liege, haben Parteifreunde schon in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. Seine Regierung hat ein umfangreiches Recycling-Programm auf Eis gelegt und eine neue Kohlengrube sowie mehr Ölförderung in der Nordsee genehmigt. Der prominente Umweltpolitiker Zacharias Goldsmith trat mit der Begründung von seinem Amt als Staatssekretär im Oberhaus zurück, der Premier „interessiere sich nicht genug“ für die Klimakrise.
Auch in der oppositionellen Labour-Party, die sich allen Umfragen zufolge auf Siegeskurs befindet, gibt es zunehmendes Unwohlsein über die Auswirkungen der Klimapolitik auf die Geldbeutel der von Brexit, Pandemie und vergleichsweise hoher Inflation gebeutelten Briten. Im Sommer hatte Tony Blair davor gewarnt, mit Energie-Preiserhöhungen und Auto-Maut „die Bevölkerung zu überfordern“. Der Ex-Premier genießt bei Labour-Chef Keir Starmer hohen Einfluss. Im Fall des Wahlsieges 2024 hatte die Arbeiterpartei sofort ein nach amerikanischem Vorbild geschneidertes Paket staatlicher Investitionen in erneuerbare Energien und bessere Häuserisolierung in Höhe von jährlich 28 Milliarden Pfund (32,4 Milliarden Euro) auflegen wollen. Von diesem Plan hat sich Starmer verabschiedet.
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