FriedensnobelpreisStimmen für Reformen für die angesehene Auszeichnung mehren sich

Friedensnobelpreis / Stimmen für Reformen für die angesehene Auszeichnung mehren sich
Büste des Preisstifters Alfred Nobel Foto: AFP/Jonathan Nackstrand

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Die norwegische Friedensnobelpreis-Jury kriselt wegen umstrittener Preisvergaben und eines Enthüllungsbuchs. Umweltaktivistin Greta Thunberg gehört in diesem Jahr laut Wettbüros zu den Topfavoriten, neben der WHO und (seltsamerweise) Donald Trump.

Am Freitag um 11 Uhr wird der diesjährige Friedensnobelpreisträger in Oslo bekannt gegeben. Wer wird es in der Pandemie-geplagten derzeitigen Weltlage sein? Laut den Wettbüros (Unibet) liegt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit vorn, dicht gefolgt von der Klimaaktivistin Greta Thunberg. Schwedische Medien und Friedensforscher sind sich fast sicher, dass sie den Nobelpreis bekommt. Ob es sich um Insiderinformationen oder Wunschdenken handelt, bleibt unklar. Die WHO wäre ein zu schwammiger Preisträger und die Pandemie sei auch erst seit Frühjahr zentrales Thema gewesen, argumentieren sie. Thunberg habe sich und ihre weltweite Bewegung indes jedoch weiter festigen können. Belohnenswerte Entwicklungen im Bereich Krieg und Konflikt gebe es derzeit leider nicht wirklich, so das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri.

Seltsamerweise folgt auf Platz drei der Wettbüro-Favoriten – direkt nach Greta Thunberg – US-Präsident Donald Trump, danach die Premierministerin von Neuseeland, Jacina Ardern, und der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR). Insgesamt sind 211 Personen und 107 Organisationen nominiert. Der Friedensnobelpreis wird dabei am Freitag im Schatten einer seit Jahren anhaltenden Vertrauenskrise für das altehrwürdige Gremium vergeben.

Ruf gerät ins Wanken

Lange hatte es einen nahezu unantastbar Ruf. Doch Preisvergaben etwa an die EU in einem der schlimmsten Krisenjahre der Union oder als ungerechtfertigte Vorschusslorbeere an den erst frisch ins Amt gewählten US-Präsident Barack Obama, der Guantanamo schließen wollte und es nie tat, brachten diesen Ruf ins Wackeln. Obamas Kabinett soll vertraulich in Oslo angefragt haben, ob es auch möglich sei, den Preis abzulehnen, verrät der norwegische Historiker Geir Lundestad, von 1990 bis 2015 Direktor des Nobel-Instituts in Oslo und Sekretär des norwegischen Friedensnobel-Komitees, in einem Enthüllungsbuch. Auch die Vergabe des Preises an die erst 17-jährige pakistanische Schülerin Malala Yousafzai hat für breitere Kritik gesorgt als die traditionellen Einwände, die grundsätzlich immer gegen Preisträger aus der einen oder anderen Richtung kommen.

Doch ausgerechnet Geir Lundestad heizte mit seinem Buch über die Interna des Preiskomitees die Debatte um Reformen weiter an. Noch nie zuvor hat ein internes Mitglied so offen über die Zustände im Nobelgremium Auskunft gegeben. Es sei der Öffentlichkeit „zu wenig bis gar nichts“ über die fünf Mitglieder der Friedensjury bekannt, kritisierte er in seinem Buch „Sekretär des Friedens – 25 Jahre mit dem Nobelpreis“. Die Friedensrichter werden stets nach den Mehrheitsverhältnissen im norwegischen Parlament zumeist aus altgedienten Top-Politikern zum Dank für deren langjährige Dienste zusammengesetzt.

Lundestad bezichtigte Jurymitglieder in seinem Buch offen der Inkompetenz. Dort bemängelte er auch das fehlende Interesse an Kernthemen des Friedenspreises und gar mangelnde Englischkenntnisse. „Das Parlament sollte sorgfältiger damit sein, wen es in dieses Komitee wählt“, schrieb er. Vor allem mit dem sozialdemokratischen Ex-Premierminister Thorbjörn Jagland ging er hart ins Gericht. Der Ex-Juryvorsitzende habe „überraschend große Wissenslücken“ in relevanten Bereichen, er sei „sehr unorganisiert“, „ein lausiger Führer“ und „nicht bereit, von anderen zu lernen“. Er sei damit einer der typischen, unbeweglichen Altpolitiker, der die Professionalität der Jury nicht gerade bereichere, so der Tenor des internen Kritikers. Die Verknüpfung zur Staatsführung Norwegens sei auch bedenklich.

Nobeljury neu aufmischen

Es sei zudem „schwierig, die Welt von der Unabhängigkeit der Nobeljury vom Staat Norwegen zu überzeugen, wenn darin ehemalige Regierungschefs sitzen“, sagte er. So musste Norwegen wirtschaftlich und politisch für die Auszeichnung des chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo 2010 büßen. Lundestad enthüllte, dass der damalige sozialdemokratische Außenminister Jonas Gahr Store gar die Nobeljury unter Druck setzte, damit diese von einer Preisvergabe an Xiaobo absieht.

Auch andere forderten: Das norwegische Parlament sollte neben Politkern ebenfalls Experten etwa aus der Wissenschaft, Friedensaktivisten oder außenpolitische Kommentatoren in die Jury schicken. „Auch glaube ich, dass es den Preis unabhängiger machen würde, wenn wir Ausländer in das Gremium einberufen würden. Ich sehe nicht ein, warum es nur Norweger sein sollen“, sagt etwa der Ex-Chef des Osloer Friedensforschungsinstitutes Prio, Kristian Berg Harpviken, gegenüber dem Tageblatt. „Der Preis steckt nicht in einer Krise, aber Reformen sind an der Zeit“, sagte er.

Allerdings seien sowohl parlamentarische Links- wie Rechtsparteien inzwischen einsichtiger und würden mehr an die Qualifikation der Kandidaten denken. So sei etwa der hinzugekommene Wissenschaftler Henrik Syse eine Bereicherung, so Harpviken. Man habe aus Fehlern gelernt. Im vergangenen Jahr ging der Friedensnobelpreis an den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Er wurde für seine Friedensbemühungen im Grenzkonflikt zwischen Äthiopien und Eritrea ausgezeichnet.

HTK
8. Oktober 2020 - 9.51

Also jetzt auch "mafiöse Strukturen" beim Komitee zu erkennen? Nun,die Wahl der letzten Jahre war immer etwas abstrus. Wer einem PLO-Chef den Friedensnobelpreis zuspricht oder einem Bob Dylan den Literaturpreis,der kann auch einer jungen Schulschwänzerin oder eben deren entgegengesetztes Pendant,D.Trump den Preis überreichen. Man hat den Eindruck es mangele an Kandidaten.