Mittwoch12. November 2025

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ItalienSgarbi und die verschwundene Kunst: Kultur-Staatssekretär im Visier der Justiz

Italien / Sgarbi und die verschwundene Kunst: Kultur-Staatssekretär im Visier der Justiz
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (r.) und Vittorio Sgarbi, Italiens Kultur-Staatssekretär, während der Vereidigung der Staatssekretäre der Regierung im Chigi-Palast Foto: Roberto Monaldo/LaPresse via ZUMA Press/dpa

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Die italienische Öffentlichkeit ist wieder einmal mit Kulturstaatssekretär Vittorio Sgarbi beschäftigt. Diesmal handelt es sich um das dubiose Verschwinden und Wiederauftauchen eines Gemäldes aus dem 17. Jahrhundert. Sgarbi erklärt, nichts damit zu tun zu haben, die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Kulturminister Gennaro Sangiuliano stellt sich hinter Sgarbi, Regierungschefin Giorgia Meloni schweigt, wie immer.

Fast tauchte es wie eine Marginalie am Rande der Kunstwelt auf, das Gemälde „Die Gefangennahme des Heiligen Petrus“ von Rutilio Manetti (1571-1639). Gezeigt wurde das in düsteren Tönen gehaltene Bild auf einer Kunstausstellung im toskanischen Lucca. Einzig eine Kerze erhellte die Szenerie – und genau diese Kerze machte einen Kunstexperten stutzig. Denn der kannte Manettis Gemälde aus einem Schloss in der Lombardei. Dort war es im Jahre 2013 gestohlen worden. Und: Auf dem gestohlenen Kunstwerk war keine Kerze zu sehen gewesen. Der Besitzer des Manetti-Bildes, das in Lucca zu sehen war, ist kein anderer als Vittorio Sgarbi, derzeit Staatssekretär für Kultur im Kabinett Giorgia Melonis. Sgarbi bestreitet energisch, dass es sich bei dem Bild um das gestohlene Gemälde handelt. Er besitze das Original, behauptet der als Exzentriker bekannte Politiker und Kunsthändler. Das gestohlene Bild soll demnach eine Kopie oder gar Fälschung sein, so Sgarbi.

Kunstexperten und Staatsanwaltschaft von Macerata sind dagegen anderer Meinung. Das von Sgarbi in Lucca gezeigte Bild entspräche haargenau den Abmaßen und auch der Gemäldestruktur des 2013 gestohlenen Manetti. Der einzige Unterschied ist die auf Sgarbis Bild zu sehende Kerze. Ersten Expertisen zufolge könnte der Leuchter von einem Restaurator nachträglich hinzugefügt worden sein, um den Raub zu verschleiern. Nun werden sich Kunstexperten, die sich mit der italienischen Malerei des 17. Jahrhunderts auskennen, im Auftrag der Staatsanwaltschaft des Gemäldes annehmen.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Vittorio Sgarbi mit verschwundener Kunst in Verbindung gebracht wird. Bereits vor Jahren ermittelte die Staatsanwaltschaft von Imperia gegen Sgarbi. Der damalige Vorwurf: Der Kunsthändler soll ein Gemälde von Valentin de Boulogne illegal nach Frankreich verkauft haben. Ein Urteil in dem Fall wurde bislang noch nicht gesprochen.

Politischer Exzentriker

Andere Gerichte urteilten jedoch mehrfach über Vittorio Sgarbi. Denn der jetzige Staatssekretär im Kulturministerium machte bereits als Abgeordneter sowohl im italienischen als auch im Europaparlament von sich reden. Mehrfach beleidigte er Vertreter der Justiz, darunter die gegen Silvio Berlusconi ermittelnde Staatsanwältin Ilda Boccassini und den Anti-Mafia-Staatsanwalt Nino Di Matteo. Wegen Verleumdung der an der Aktion „Mani puliti“ zur Beendigung der politischen Korruption Anfang der 1990er Jahre beteiligten Politiker Antonio Di Pietro, Piercamillo Cavigo und anderer wurde Sgarbi zu hohen Schadensersatzzahlungen verurteilt.

Noch zu Regierungszeiten Berlusconis randalierte der Abgeordnete Sgarbi im Plenarsaal und musste wegen tätlicher Angriffe gegen andere Parlamentarier von Ordnungskräften aus dem Saal getragen werden. So schillernd seine Auftritte, so chamäleonhaft sein politischer Werdegang: Sgarbi begann bei der Kommunistischen Partei, wechselte später zur postfaschistischen MSI (dem Vorläufer der heute regierenden Fratelli d’Italia), kehrte zu den Sozialisten zurück und war dann lange Zeit Vertrauter Silvio Berlusconis. Anschließend versuchte er es mit eigenen Parteigründungen, kam aber kaum über lokale Funktionen hinaus, bis er 2022 von der regierenden Partei als Kulturstaatssekretär berufen wurde.

Nun muss er sich wieder der Justiz stellen. Sein Minister, Gennaro Sangiuliano, stellte sich erst mal hinter ihn. Regierungschefin Giorgia Meloni, die selbst gerade mit ihren Koalitionspartnern sowohl um den Haushalt 2024 als auch um die Kandidaturen bei den bevorstehenden Regionalwahlen streitet, hüllt sich in der Causa Sgarbi in Schweigen.