Geänderte SicherheitslageSchweden rüstet auf

Geänderte Sicherheitslage / Schweden rüstet auf
Die schwedische Außenministerin Ann Linde verweist auf eine geänderte Sicherheitslage, um die Aufrüstungspläne der Regierung zu rechtfertigen Foto: AFP/Adem Altan

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das neutrale und somit nicht von der NATO geschützte Schweden befürchtet Aggressionen, etwa aus dem Osten, und rüstet nun so kräftig auf wie schon seit den 50er Jahren nicht mehr. Bis 2025 soll der Verteidigungsetat fast um die Hälfte ansteigen.

Schweden macht sich gefechtstüchtig. Bis 2025 will die wohlhabende, 10,2 Millionen Einwohner zählende Industrienation ihren Verteidigungsetat um 40 Prozent erhöhen. Dies hat die rotgrüne Minderheitsregierung in der vergangenen Woche zusammen mit ihren beiden rechtsliberalen Stützparteien beschlossen.

„Wir werden eine kolossale Erhöhung bezüglich unserer Verteidigungsbereitschaft bis 2025 durchführen“, kündigte der sozialdemokratische Verteidigungsminister Peter Hultqvist an. „Es geht um eine historisch gesehen enorme Aufrüstung. Wir haben Ähnliches seit Beginn der 50er Jahre nicht mehr gehabt“, betonte Hultqvist in der abendlichen Hauptnachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Senders SVT.

„Ein Paket von 27 Milliarden Kronen (2,61 Mrd. Euro) beinhaltet entscheidende Verstärkungen sowohl für unsere Armee, die Luftwaffe als auch die Seestreitkräfte. Auch bezüglich Logistik und Unterhalt“, so der Minister. Es soll deutlich mehr Wehrpflichtige geben. 2017 hatte das Land die 2010 abgeschaffte allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt.

Auch soll es deutlich mehr Regimente geben und sowohl die U-Bootflotte als auch die Anzahl der Kampfflugzeuge sollen kräftig aufgestockt werden. Mit Blick auf die Sicherheitslage konstatierte die sozialdemokratische Außenministerin Ann Linde: „Wir können keinen bewaffneten Angriff auf Schweden oder die Nutzung von militärischen Druckmitteln gegen Schweden ausschließen.“ In ganz Schweden werden nun die vor allem in den 2000ern stillgelegten, großen Militärstützpunkte wiedereröffnet.

Im nordschwedischen Arvidsjaur soll demnach das 1893 gegründete und 2004 geschlossene sogenannte Drachenregiment der schwedischen Bodenstreitkräfte wieder entstehen. Schwedens Westküste soll bald wieder vom 2004 aufgelöste sogenannten Amphibienregiment (Land- und Seestreitkräfte der Marine) verteidigt werden. Im nahe der östlich liegenden Hauptstadt Stockholm gelegenen Uppsala soll ein 1943 gegründeter und 2003 stillgelegter Luftwaffenstützpunkt wieder aktiviert werden. Zudem sollen unter anderem in den vergangenen Jahrzehnten abgeschaffte Regimente der Artillerie und Infanterie wieder aufgebaut werden. Auch ein großes militärisches Ausbildungszentrum soll in Nordschweden entstehen. Bereits zuvor wurde der einst strategisch wichtige Militärstützpunkt auf der Ostseeinsel Gotland remilitarisiert. Auch er soll verstärkt werden.

„Wir haben bei der Aufrüstung vor allem militärgeographische Faktoren berücksichtigt“, so der Verteidigungsminister. Die kräftige Aufrüstung Schwedens folgt einer längeren Periode der Kürzungen für das Militär. Bereits 2013 warnte Sverker Göranson, damaliger Oberbefehlshaber der Streitkräfte, dass sich Schweden bei „einem begrenzten Angriff auf ein begrenztes Ziel“ höchstens „eine Woche alleine“ verteidigen könne.

Das neutrale Schweden wurde im Kalten Krieg militärisch stark aufgerüstet. Schließlich hatte man keine Bündnispartner. Nach dem Kalten Krieg wurde dann kräftig abgerüstet bis in die 2000er. Gedanken machte Stockholm sich da vor allem um schnell einsetzbare Friedenstruppen für internationale Missionen. Die russische Annexion der Krim 2014 und eine allgemein schlechtere Weltfriedenslage führte zum allmählichen Umdenken. Während Schweden 1960 noch 3,8 Prozent seines BIPs für das Militär ausgab und im Jahr 1990 noch 2,6 Prozent, waren es 2018 nur noch 1,0 Prozent.

Kein NATO-Beitritt

Die konservative Opposition steht hinter dem Aufrüstungsbeschluss bis 2025, fordert aber weitere verbindliche Zusagen für die militärische Aufrüstung Schwedens von 2025 bis 2030. Selbst die Linkspartei, auf deren Stimmen die rotgrüne Minderheitsregierung angewiesen ist, steht quasi hinter der Aufrüstung, weil sie Schwedens militärische Neutralität bewahren möchte, während bürgerliche Parteien für eine Mitgliedschaft in der NATO plädieren.

Schweden arbeitet militärisch allerdings bereits sehr eng mit der NATO zusammen und kann im Ernstfall zumindest auf Hilfe der NATO hoffen, auch wenn es keine Garantien gibt.

Aktuell gibt es keine Debatte über einen regelrechten NATO-Beitritt Schwedens. Laut Umfragen aus den letzten Jahren ist eine abnehmende Mehrheit der Schweden gegen einen Beitritt (2018 waren 44 Prozent gegen einen Beitritt und 31 Prozent dafür). Doch auch geopolitische Überlegungen spielen beim Zögern, überhaupt die NATO-Mitgliedschaft zu debattieren oder gar eine Volksabstimmung dazu abzuhalten, eine Rolle. Russland drohte bereits mit „schweren Konsequenzen“, sollte Schweden dem Bündnis beitreten. Zudem sitzt Schweden mit dem ebenso neutralen Finnland in einem Boot. Traditionell sprechen sich beide Länder stillschweigend in ihrer Sicherheitspolitik ab. Das direkt an der russischen Grenze liegende Finnland schreckt noch mehr als Schweden vor dem Gedanken einer NATO-Mitgliedschaft zurück.

Joëlle
23. Oktober 2020 - 13.31

Bis dahin sind ja auch alle Alte in den Altersheimen gestorben, dann haben sie das Geld dafür.