Was Nawalny in der Haft erwartet / Russische Straflager sind bekannt für ihre Brutalität – eines ist besonders berüchtigt
Russische Straflager sind bekannt für ihre Brutalität. Die Anstalt, in die Oppositionspolitiker Nawalny überstellt werden soll, ist besonders berüchtigt.
Ein rechteckiges Gelände, von hohen Mauern umgeben, zweigeschossige hellgraue Hausreihen, eine Holzkirche, Wachtürme. Drohnenbilder liefern ungewohnte Eindrücke von IK-2, der „Besserungskolonie Nummer zwei“. Sie liegt im Städtchen Pokrow, Gebiet Wladimir, östlich von Moskau. Es ist das Straflager, in welches Alexej Nawalny überstellt werden soll. Doch noch sitzt er unweit von Pokrow in einer Quarantänezelle eines Untersuchungsgefängnisses – „in vollständiger Isolation“, wie sein Anwalt schrieb.
Nawalnys Überstellung an seinen Bestimmungsort, den man in der Tradition der zaristischen Gefangenentransporte „Etappierung“ nennt, begann in der Vorwoche. Das Ganze ähnelt einer Reise ins Ungewisse. Mehrere Tage war nicht klar, wo der zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnisstrafe verurteilte Nawalny festgehalten wird. Offiziell ist seine Einlieferung in die IK-2 noch nicht bestätigt worden. Die Verwirrung über seinen Aufenthaltsort, der Mangel an Information und die Willkür im Umgang – all das sind Eigenheiten des russischen Strafvollzugs, die der Inszenierung von staatlicher Allmacht dienen.
Der russische Schlagersänger Michail Krug setzte dem Zentralgefängnis von Wladimir in den Neunzigern mit einem melancholischen Lied ein popkulturelles Denkmal. Die Haftanstalten des Gebiets Wladimir haben bis heute einen schlechten Ruf. Die Strafkolonie IK-2 ist besonders berüchtigt. Dass Nawalny eben dort seine Haft absitzen soll, dürfte ein bewusster Entschluss der Behörden gewesen sein.
Wo ein unerbittliches Regime herrscht
Aus Berichten von Ex-Häftlingen ist bekannt, dass dort ein unerbittliches Regime herrscht. Konstantin Kotow, der in Pokrow eine zweijährige Haftstrafe wegen mehrfacher Teilnahme an Protesten absaß, nannte das Straflager „extrem streng“. „Hier wird jeder deiner Schritte und Gedanken kontrolliert“, erklärte er gegenüber der Moscow Times. Ein Ex-Manager von Michail Chodorkowskijs Ölfirma Yukos bezeichnete das Lager als „grausam“ und „Ort der Gewalt“. Olga Romanowa bestätigt diese Schilderungen. „Die Härte russischer Gesetze wird dadurch gemildert, dass man sie nicht einhalten muss“, zitiert die Aktivistin im Gespräch mit dem Tageblatt ein bekanntes russisches Sprichwort. In vielen Strafkolonien könne man durch informelle Absprachen Erleichterungen für Häftlinge erwirken. „Hier ist das anders. Hier lässt man nicht mit sich reden.“
Kaum jemand weiß so gut über die Bedingungen hinter russischen Gefängnismauern Bescheid wie die 54-Jährige. Romanowa ist Vorsitzende der Organisation „Russland hinter Gittern“, die Rechtshilfe anbietet, Familien von Inhaftierten hilft und Ex-Strafgefangene in ihrem Alltag nach der Entlassung unterstützt. Romanowas Mann, Alexej Koslow, musste selbst mehrere Jahre in einer Strafkolonie einsitzen, nachdem er in einem zweifelhaften Verfahren verurteilt worden war. Die frühere Journalistin hat Russland vor vier Jahren verlassen und führt die NGO seither aus Berlin.
Nawalnys Verlegung in die russische Provinz entzieht ihn nicht nur den Augen der Öffentlichkeit, sie hat auch symbolische Bedeutung, ist Romanowa sicher: Noch aus der Sowjetzeit stammt die Tradition einer Bannmeile von 101 Kilometern rund um Moskau. „Und hier kommt Pokrow ins Spiel.“ Es liegt 105 Kilometer von Moskau entfernt.
In der „Zone“, der Welt hinter Stacheldraht
Romanowa schließt indes nicht aus, dass Nawalny als Folge von künftigen Prozessen (mehrere sind derzeit in Vorbereitung) eine Verschickung in weit entfernte Regionen bevorstehen könnte. Das ist Usus: Michail Chodorkowskij saß im ostsibirischen Tschita ein, der ukrainische Regisseur Oleg Senzow in Labytnangi am Polarkreis, Pussy-Riot-Aktivistinnen in Mordowien und Perm.
Mit der Überstellung in das Straflager wird Nawalny die „Zone“ betreten, das russische Synonym für die Welt hinter dem Stacheldraht. An seinem jetzigen Haftort wird für den Politiker die Zuteilung zu einem bestimmten „Sektor“ entscheidend sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden dort besonders harte Haftbedingungen herrschen. „Das Bewahren der Menschenwürde ist da sehr schwierig“, sagt Romanowa. Aus ihren Kontakten mit Ex-Häftlingen weiß sie um die brutalen Regeln. „Politische“ Insassen werden oft gezielt isoliert. „Sie dürfen mit niemandem sprechen. Mit ihnen redet niemand. Das bedeutet Jahre des Schweigens.“ So soll Kontakt oder Informationsaustausch unterbunden werden.
Sie dürfen mit niemandem sprechen. Mit ihnen redet niemand. Das bedeutet Jahre des Schweigens.Gefangenen-Aktivistin
Gegenseitige Hilfe unter den Insassen sei ebenfalls untersagt – bei einem Verstoß trifft das auch den Helfer. „Das ist ein hartes Lager. Für Nawalny wird es besonders hart. Sehr hart wird es auch für seine Mitgefangenen.“ Die gesetzlich geregelten Besuchsrechte werden laut Romanowa in IK-2 nicht eingehalten. Ungestörte Unterhaltungen mit Anwälten seien ebenfalls nicht möglich.
Das Besondere an Russlands Strafkolonien (im Unterschied zu Gefängnissen, die für besonders schwere Straftäter reserviert sind) ist die gemeinschaftliche Lebensweise. Die Häftlinge übernachten in Schlafsälen. Tagsüber müssen sie in einem dem Lager angeschlossenen Werk arbeiten. Doch als friedliche Gemeinschaft darf man sich den Alltag nicht vorstellen. Er ist geprägt von strengen Hierarchien, Kontrolle und Gewalt.
Auch hinter Gittern hat der Staat das Sagen
Traditionell ist in Russland die Rede von „roten“ und „schwarzen“ Haftanstalten: Als „rote“ Knäste gelten jene, wo die Gefängnisleitung und mit ihr ergebene Helfer den Ton angeben. Als „schwarz“ werden jene Anstalten bezeichnet, in denen der Kodex der kriminellen Autoritäten den Alltag prägt. Die Bedingungen gelten in den „schwarzen“ Anstalten als lockerer, mitunter sind Alkohol und Drogen verfügbar. Die dort entstandene spezifische „Knackikultur“ ist reichhaltig: Sie kennt eigene Tattoos, einen spezifischen Jargon und Gebräuche. Doch Romanowa geht davon aus, dass die Autonomie der Kriminellen der Vergangenheit angehört. Heute haben die Vertreter der staatlichen Ordnung auch hinter Gittern das Sagen.
In Russland befinden sich derzeit mehr als eine halbe Million Menschen im Strafvollzug. Damit sitzen in keinem anderen Land Europas so viele Menschen ein wie in der Russischen Föderation: Mehr als 400 Häftlinge zählt man auf 100.000 Menschen. Der europäische Durchschnitt liegt bei 102. Doch investiert wird wenig in die Menschen hinter Gittern. Die Ernährung ist unzureichend, medizinische Hilfe wird oft nicht genehmigt.
Nach der Entlassung sind viele Häftlinge der weiteren Kontrolle durch die Behörden ausgesetzt. Schwierigkeiten gibt es bei Wohnsitzwahl, Eröffnung eines Bankkontos, Arbeitssuche. „Der Staat hat kein Interesse an Resozialisierung“, urteilt Romanowa. Die Rückfallquote ist entsprechend hoch. Die Hälfte der Insassen von Russlands Gefängnissen ist zum zweiten oder dritten Mal in Haft.
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Wer im Fahrwasser von Nationalisten, Populisten segelt, deren Aufmärschen teilnahm, dubiose Aussagen zu Migranten macht, von AI sein Statut revidiert bekommt ist ein nicht vertrauenswürdiger Oppositionspolitiker und nicht besser als seine Gegner.( Diverse Artikel zum Thema kann man in renommierten Zeitungen nachlesen…Spiegel….etc.)Mich schaudert mit welchen Maßstäben die europäische Politik, auch diverse Medien den Nationalismus, Populismus verurteilen , andererseits hofieren . Da scheinen Machtinteressen wichtiger zusein, als eine ehrliche, konsequente Meinung zu vertreten und Herrn Nawalny ins rechte Licht zu rücken, wo er hin gehört.
Weinstens ginn se do net geheemelt ewei hei…
Dohannen ass Prisong nach Prisong.
Ob Jiddereen awer zu Recht do setzt,
ass eng aner Fro.