Dienstag2. Dezember 2025

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Russische Robin Hoods müssen ins Lager

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Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz, Moskau

Kriminelle haben in der russischen Region Primorje der Polizei den Krieg erklärt, um gegen deren Korruption vorzugehen. Dabei schreckte die Bande jedoch vor Morden nicht zurück. Trotz Sympathien in der Jury sind die Mitglieder nun zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

n der russischen Fernostregion Primorje sind fünf Mitglieder einer kriminellen Gruppe wegen mehrfachen Mordes und Raubüberfällen zu insgesamt 103 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt worden. Die Bande trug den Spitznamen Primorje-Partisanen und stand in dem Ruf, sich für das Volk einzusetzen. Sie überfiel mit Vorliebe Polizisten und Drogenhändler.
Den fünf Mitgliedern wird zur Last gelegt, vier Einwohner der Siedlung Kirowski getötet und ausgeraubt zu haben. Die Opfer züchteten auf ihren Feldern in großem Stil Marihuana, um es an Drogenhändler zu verkaufen.

Die Anführer der Bande, Alexander Kowtun und Wladimir Ilutikow, wurden zu je 25 Jahren Lagerhaft verurteilt. Wadim Kowtun, dem nur Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird, kam mit acht Jahren Lager davon. Zwei weitere „Partisanen“ müssen jeweils 21,5 und 23,5 Jahre hinter Gittern bleiben. Die ungeraden Zahlen resultieren daraus, dass die Angeklagten bereits früher vor Gericht gestanden hatten und wegen Polizistenmord zu verschieden langen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Die Mordanklage weisen die Partisanen von sich.
Die Partisanen-Gruppe wurde zum ersten Mal 2008 in Presseberichten erwähnt. Im Februar 2010 überfiel sie Polizeiberichten zufolge eine Streife in Wladiwostok, wobei ein Uniformierter getötet und ein weiterer verletzt wurde. Im Laufe des Jahres soll die Bande mindestens vier Überfälle auf Polizisten verübt haben. Normale Raubüberfälle, Einbrüche und Autodiebstähle kamen dazu.

Bei Überfällen auf Polizeistationen erbeutete die Bande Waffen, Uniformen, Panzerwesten und Funkgeräte. An Razzien und sonstigen Spezial-Operationen gegen die Partisanen nahmen gut 1.000 Polizisten teil. Am 10. Juni 2010 wurde der erste Teilnehmer der Gruppe, Roman Sawtschenko, festgenommen.

Dritter Prozess

Am 11. Juni 2010 konnten Polizisten vier Partisanen in einer Privatwohnung in Ussurijsk festsetzen. Zwei von ihnen wurden festgenommen. Zwei weitere, Andrej Suchorada und Alexander Sladkich, erschossen sich nach Polizeiangaben, die bis heute freilich angezweifelt werden. Anstelle eines Abschiedsbriefes hinterließen sie ein Video, das im Oktober 2010 im Internet auftauchte. Die Bandenmitglieder sagten, sie hätten der Polizei „aus ideellen Gründen“ den Krieg erklärt. Die Bullen würden den Drogenhandel, die Prostitution und den illegalen Holzhandel kontrollieren und Strafverfahren fälschen.

Die Weitergabe des Partisanen-Videos im Internet wurde als „radikale Handlung“ bezeichnet und verboten. Ein Teil davon, in dem Namen von korrupten hohen Polizisten genannt werden, verschwand auf Nimmerwiedersehen. Es war nun bereits der dritte Partisanen-Prozess. Im Juni 2012 hatte der erste im regionalen Gericht von Primorje begonnen. Auf Forderung der Verteidigung kam der Fall vor eine Geschworenenjury.
Mitte Juli wurde bekannt, dass drei Bände der Strafsache aus dem Gerichtsgebäude verschwunden waren. Es waren just jene Bände, die eine Liste von korrupten Polizeibeamten enthielten. Am 4. Februar 2014 fasste die Jury ein Verdikt, in dem sie die Angeklagten für schuldig befand. Am 21. Mai 2015 stimmte das Oberste Gericht Russlands in einem Revisionsverfahren einer Strafmilderung zu. Im März 2015 wurde der Prozess im regionalen Gericht neu aufgerollt. Am 20. Juli 2016 sprach eine Geschworenenjury zwei Angeklagte mangels Beweises frei. Die regionale Staatsanwaltschaft legte jedoch Berufung ein.

So kam es zu einem dritten Prozess. Lebenslängliche Strafen konnten dabei nicht erneuert werden, weil die Geschworenen ausnahmslos alle Angeklagten für „einer Strafmilderung würdig“ befunden hatten. Die Partisanen genossen die Sympathien des Publikums und der Jury. Sieben Geschworene von zwölf plädierten für schuldig, sechs zu sechs hätte den Freispruch bedeutet.