PolenRegierungspartei PiS will sich mit großem Investitionsprogramm weitere Wahlsiege sichern

Polen / Regierungspartei PiS will sich mit großem Investitionsprogramm weitere Wahlsiege sichern
Jaroslaw Kaczynski (r.) und der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki – hier auf einem Bild von Oktober 2019 – legten am Samstag quasi ein neues Wahlprogramm vor, obwohl der nächste Urnengang erst in zwei Jahren vorgesehen ist Foto: Wojtek Radwanski/AFP

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Immer wieder wurde die Vorstellung der großen neuen Programmschrift der PiS verschoben. Schuld an den Verzögerungen soll die Corona-Pandemie gewesen sein. Vor allem aber kämpfte das Regierungslager mit inneren Streitereien und dem Ausscheren der zwei Mini-Juniorpartner „Verständigung“ und „Soldarisches Polen“.

Am Samstag aber war es endlich so weit: Mit großem Brimborium stellten Parteichef Jaroslaw Kaczynski und sein Regierungschef Mateusz Morawiecki in einer mehrstündigen Rede eine „Neue Ordnung“ für Polen vor. Sie beruht vor allem auf Transferleistungen für Rentner und andere ärmere Schichten. Die Mittelklasse dagegen wird kaum beschenkt.

So sieht Kaczynskis „Neue Ordnung“ erstmals seit zwölf Jahren Steuererleichterungen vor, die angeblich 18 Millionen Polen betreffen sollen. So wird der in Polen sehr niedrige Steuerfreibetrag von jährlich umgerechnet knapp 1.800 Euro auf rund 7.000 Euro angehoben, was bedeutet, dass die meisten Rentner künftig keine Steuern mehr zahlen müssen. Gewisse Steuererleichterungen betreffen indes auch überdurchschnittlich verdienende Festangestellte. Dazu will PiS eine halbe Million neue Arbeitsplätze schaffen und kinderreiche Familien (ab 3 Kindern) mit der Übernahme eines großen Teils der Hypothekarzinsen belohnen. Allerdings verspricht Kaczynskis „Neue Ordnung“ keine neuen Sozialprogramme, wie das beliebte „Kindergeld 500+“, das 2015 und 2019 wesentlich zum PiS-Wahlsieg beitrug.

Die Dutzende Seiten lange Liste ist vor allem ein Sammelsurium an Investitionen von Sportplätzen über Schwimmhallen und eine Kanalisation für das Dorf bis zu neuen Bahn- und Busverbindungen in die entlegene Provinz. Dazu kommt unter dem Stichwort „Bildung“ aber auch sehr PiS-Typisches wie mehr polnische Geschichte, mehr Patriotismus und – wie in der realsozialistischen Periode von 1945-1989 – eine Rückkehr zu Staatskünstlern. 60.000 solche Stellen sind vorgesehen, vermutlich für Bildhauer von Papst Johannes Paul II. und Lech-Kaczynski-Statuen (2010 bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommene Zwillingsbruder des Parteigründers Jaroslaw Kaczynski und Staatspräsident), patriotische Rapper und Liedermacher, belanglose Popstars der Musikrichtung „Disco Polo“ und patriotische Kunstschaffende, die schon heute gerne vom Kulturministerium bezuschusst werden.

Arme gegen Reiche ausspielen

Kaczynskis „Neue Ordnung“ soll PiS zumindest die Wiederwahl bei den Parlamentswahlen von 2023 sichern, ist aber auf Jahrzehnte angelegt. Sollte die nationalkonservative PiS 2023 tatsächlich die Wahlen noch einmal gewinnen, wäre sie die erste Partei in der polnischen Nachwendegeschichte, der so etwas gelingt. In ersten Kommentaren übergoss die Opposition am Wochenende das neue PiS-Programm mit Hohn und Spott. Die liberale Bürgerplattform (PO) rechnete aus, dass die Steuererleichterungen weit weniger als 18 Millionen Polen beträfen und wies darauf hin, dass viele Versprechen bereits im Wahlkampf 2015 und 2019 gemacht wurden und noch immer nicht erfüllt seien. Die Bauernpartei PSL kritisierte die „Neue Ordnung“ als „unternehmerfeindlich“. Die Linke jedoch, die PiS bereits bei der Zitterpartie einer Zustimmung zum EU-Aufbaufonds und PiS-Landes-Aufbauprogramm unterstützt hatte, sah auch diesmal mehr Positives als Negatives.

Kritiker wiesen darauf hin, dass Kaczynskis „Neue Ordnung“ die polnische Gesellschaft weiter antagonisieren könnte: Noch mehr als früher würden nun Arme gegen Reiche und Dorf gegen Stadt ausgespielt, hieß es. Das Nachrichtenportal onet.pl vermutete gar, dass das neue PiS-Programm der Auftakt für vorgezogene Neuwahlen sein könnte.

Würde es dazu kommen, so ist Kaczynski heute bei Wahlen nicht mehr alleine auf ein gutes Programm und glänzende Wahlversprechen angewiesen. In den fast sechs Jahren der PiS-Herrschaft wurde praktisch der gesamte Justizapparat dem Willen der Regierungspartei untergeordnet. Die Legalität der nächsten Wahlen stellt ein Oberstes Gericht in Polen fest (oder verweigert sie), das völlig von PiS-treuen Richtern beherrscht wird.