„Programm vor Spitzenkandidat“

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Brief der LSAP-Linken: Erinnerung an sozialistischen Leitfaden von März 2016

Ende März, Anfang April will die LSAP während eines Kongresses das Wahlprogramm verabschieden und einen Spitzenkandidaten benennen. Allerdings wurde bereits jetzt der Vizepremierminister der Regierung und Wirtschaftsminister Etienne Schneider von mehreren Spitzenpolitikern der Partei, inklusive dem Präsidenten Claude Haagen, quasi schon als natürlicher Spitzenkandidat positioniert.

Und Schneider selbst, der bereits 2013 als Frontmann der LSAP in den Wahlkampf zog, gefällt sich offensichtlich erneut in der Rolle. Eine Reihe von LSAP-Mitgliedern, allen voran der Ehrenpräsident des FNCTTFEL-Landesverbandes Nico Wennmacher und der OGBL-Gewerkschafter Nando Pasqualoni haben nun einen internen Brief an die Parteileitung geschrieben, in dem sie u.a. eben die Personalpolitik und die Tatsache monieren, dass der „Designierung unseres Spitzenkandidaten“ prioritäre Bedeutung gegeben werde, statt ein resolut sozialistisches Wahlprogramm aufzustellen.

Nachstehend einige Ausschnitte des uns vorliegenden Schreibens, das von 54 Mitgliedern der Partei, darunter auch dem aktuellen Präsidenten des Landesverbandes Georges Merenz, von Vera Spautz und Roland Schreiner, von Marcel Arendt und Carlos Pereira und vielen Gewerkschaftern unterzeichnet ist:

„Die Wahlresultate vom 8. Oktober 2017 waren für die LSAP eine bittere Niederlage. Der Rechtsruck bei diesen Wahlen war eines der bedeutendsten Ereignisse.

In den Tagen und Wochen nach dieser Kommunalwahl wurde an Gemeindekoalitionen getüftelt, und das oft mit dem Ziel, die LSAP aus der politischen Verantwortung zu drängen. So brachten sich die anderen Parteien in Position, um bei den Chamberwahlen im Oktober 2018 gestärkt zu werden und um sich bei der CSV als Koalitionspartner anzubiedern.

Auch die LSAP-Verantwortlichen analysierten die Resultate und in mehreren Kommentaren konnten wir ihre jeweiligen Meinungen in den Medien kennenlernen. Vieles, was geäußert wurde, ist nicht falsch – doch an der Basis bleibt das Gefühl, dass die künftige Orientierung der Partei zu vage und zu unverbindlich ist.

Der Grundton der Stellungnahmen und die Veranstaltung im Mamer Kinneksbond sollen für die kommenden Monate Zuversicht und Optimismus verbreiten. Zurzeit scheint die Priorität bei einigen führenden Kollegen vor allem die Designierung unseres Spitzenkandidaten zu sein.

Ein falscher Ansatz

Wir aber sind der Ansicht, dass dies ein falscher politischer Ansatz ist. In vielen Ländern Europas beobachten wir, dass sozialdemokratische/sozialistische Parteien an Einfluss verlieren, und das, weil sie den Weg der Austerität, der Privatisierung, des Abbaus des Sozialstaates gegangen sind.

Wir sind der Ansicht, dass wir uns mit einem resolut sozialistischen LSAP-Programm den Luxemburger Wählern stellen sollen. Es ist nicht die Funktion, das Ziel dieses Briefes, ein Wahlprogramm vorzuschlagen, doch wenn wir unseren sozialistischen Leitfaden vom 25. März 2016 ansehen – so finden wir einige Ideen wieder, mit denen wir ein profiliertes, fortschrittliches Wahlprogramm gestalten können.

– Die LSAP muss ihr soziales Profil schärfen und zu einer klaren Linie finden; sie muss ihre Werte glaubhaft vermitteln und in die Praxis umsetzen. Nur so kann sie mittel- und langfristig Vertrauen zurückgewinnen und ihren politischen Einfluss steigern.

– Mehr Verteilungsgerechtigkeit stärkt nicht zuletzt die Kaufkraft und ist in unseren Augen Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum.

– Eine zentrale Gerechtigkeitsfrage in Luxemburg bleibt die Bildungspolitik, denn Bildung entscheidet über Lebenschancen.

– Für die LSAP ist der Sozialstaat wesentlich mehr als eine Reparaturwerkstatt für Hilfsbedürftige, deshalb lehnen die Sozialisten den „schlanken“ Staat kategorisch ab, der Bürgerinnen und Bürgern nur dann Unterstützung gewährt, wenn sie es allein aus eigener Kraft nicht mehr schaffen. Die LSAP wird sich in diesem Sinne für die Absicherung und Weiterentwicklung unserer sozialen Sicherungssysteme einsetzen und sich jeder Degradierung dieser Systeme entgegenstellen.

Wenn es klar ist, dass wir ein fortschrittliches und sozialistisches Programm haben, sollten wir den passenden Spitzenkandidaten bestimmen, der dieses Programm glaubwürdig und mit Überzeugung verkörpert. Zuerst einen Spitzenkandidaten zu ernennen und dann
ein Programm auf ihn zuzuschneidern, ist für uns der falsche Weg!

Darum sind wir der Auffassung, dass ein demokratischer Prozess der Ausarbeitung des Wahlprogramms einen überzeugenden Spitzenkandidat hervorbringen wird.“

Inwiefern der Brief wirken wird, werden wohl die Wochen vor dem Kongress und der Kongress selbst zeigen …